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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Parteipolitische Verhältnisse der südafrikanischen Union

daher in manchen Kreisen, daß der Premierminister Smuts dem Generalgouvemeur
das Nücktrittsgesuch des Ministeriums einreichen und es auf einen nochmaligen
Wahlgang ankommen lassen werde. Man irrte sich aber; Smuts beschloß, den
Versuch zu machen, am Ruder zu bleiben. Zwei der Minister, nämlich der Finanz¬
minister und der Landwirtschaftsminister, waren bei den Wahlen unterlegen.
General Smuts mochte selbst nicht mit einer langen weiteren Amtsdauer des
Kabinetts rechnen, denn er ersetzte diese Minister nicht durch neue Männer. Die
Portefeuilles wurden wie folgt neu verteilt:

Premierminister, Minister der Verteidigung und für Eingeborenenangelegen-
hciten: General I. C. Smuts;
Landwirtschaft, Bergbau, Unterricht: F. S. Malau;
Finanzen: H. Burton;
Inneres, Eisenbahnen und Häfen, Gesundheitswesen: Sir Thomas Watt;
Justiz: N. I. de Wet;
Öffentliche Ländereien: Oberst H. Mentz;
Post und Telegraphie: Sir I. A. C. Gracrff.

Dieses Ministerium ist noch heute im Amt. Alle Minister gehören nach wie
vor der südafrikanischen Partei an. /
'

General Smuts hat es ermöglicht, das Schiff seiner Regierung durch alle
Klippen der ersten Session des neuen Parlaments hindurchzusteuern. Er konnte mit
Recht erwarten, daß ihm die Unionisten keine nennenswerten Schwierigkeiten bereiten
würden. Die Gefahr drohte naturgemäß in erster Linie von den Nationalisten, und
diese versuchten denn auch wiederholt, den Sturz des Kabinetts herbeizuführen;
aber ihre Zahl allein reichte dazu nicht aus. Von den Unionisten konnten sie keine
Hilfe erwarten, aber auch die Arbeiterpartei lehnte es ab, sich zu Vorspanndienften
gebrauchen zu lassen. Den Arbeitern war zwar das Ministerium keineswegs sym¬
pathisch, aber die Nationalisten waren noch weit weniger nach ihrem Geschmack, weil
diese allen Neuerungen sozialistischer oder gar kommunistischer Richtung besonders
schroff ablehnend gegenüberstehen. Die Arbeiterpartei schloß sich daher den Nationa¬
listen in ihrem Kampf gegen das Kabinett nicht an. Ja, es ergab sich sogar wieder",
holt eine recht komische Lage; die Arbeiterpartei beantragte eine für das Kabinett
umumehmbare Resolution, die Nationalisten ergriffen begierig die Gelegenheit, die
Neuierung zu Fall zu bringen, aber sobald die Arbeiter bemerkten, daß die Regierung
in ernstliche Gefahr geriet, machten sie nicht mehr mit, sondern verließen vor der
Abstimmung in solcher Anzahl den Smal, daß das Ministerium noch über eine, wenn
auch kleine Mehrzahl verfügte.

Am 17. August wurde die erste Session geschlossen; das Parlament wird aller
Voraussicht nach erst Anfang nächsten Jahres wieder zusammentreten.

Die Männer, die seit dem Zustandekommen der Union ganz besonders im
Brennpunkt des öffentlichen Interesses standen, sind die Generale Bodha, Smuts
und Hertzog, die alle drei ihr Ansehen bei ihren Landsleuten ursprünglich ihrer
Gegnerschaft gegen England, ihren Taten im .Kriege gegen dieses Reich zu ver¬
danke.! hatten.

Both" und Smuts, die bis zum Tode des ersteren eng zusammengehalten
haben, sind in Deutschland sehr verschiedenartig beurteilt worden. Man sah mit-


Parteipolitische Verhältnisse der südafrikanischen Union

daher in manchen Kreisen, daß der Premierminister Smuts dem Generalgouvemeur
das Nücktrittsgesuch des Ministeriums einreichen und es auf einen nochmaligen
Wahlgang ankommen lassen werde. Man irrte sich aber; Smuts beschloß, den
Versuch zu machen, am Ruder zu bleiben. Zwei der Minister, nämlich der Finanz¬
minister und der Landwirtschaftsminister, waren bei den Wahlen unterlegen.
General Smuts mochte selbst nicht mit einer langen weiteren Amtsdauer des
Kabinetts rechnen, denn er ersetzte diese Minister nicht durch neue Männer. Die
Portefeuilles wurden wie folgt neu verteilt:

Premierminister, Minister der Verteidigung und für Eingeborenenangelegen-
hciten: General I. C. Smuts;
Landwirtschaft, Bergbau, Unterricht: F. S. Malau;
Finanzen: H. Burton;
Inneres, Eisenbahnen und Häfen, Gesundheitswesen: Sir Thomas Watt;
Justiz: N. I. de Wet;
Öffentliche Ländereien: Oberst H. Mentz;
Post und Telegraphie: Sir I. A. C. Gracrff.

Dieses Ministerium ist noch heute im Amt. Alle Minister gehören nach wie
vor der südafrikanischen Partei an. /
'

General Smuts hat es ermöglicht, das Schiff seiner Regierung durch alle
Klippen der ersten Session des neuen Parlaments hindurchzusteuern. Er konnte mit
Recht erwarten, daß ihm die Unionisten keine nennenswerten Schwierigkeiten bereiten
würden. Die Gefahr drohte naturgemäß in erster Linie von den Nationalisten, und
diese versuchten denn auch wiederholt, den Sturz des Kabinetts herbeizuführen;
aber ihre Zahl allein reichte dazu nicht aus. Von den Unionisten konnten sie keine
Hilfe erwarten, aber auch die Arbeiterpartei lehnte es ab, sich zu Vorspanndienften
gebrauchen zu lassen. Den Arbeitern war zwar das Ministerium keineswegs sym¬
pathisch, aber die Nationalisten waren noch weit weniger nach ihrem Geschmack, weil
diese allen Neuerungen sozialistischer oder gar kommunistischer Richtung besonders
schroff ablehnend gegenüberstehen. Die Arbeiterpartei schloß sich daher den Nationa¬
listen in ihrem Kampf gegen das Kabinett nicht an. Ja, es ergab sich sogar wieder«,
holt eine recht komische Lage; die Arbeiterpartei beantragte eine für das Kabinett
umumehmbare Resolution, die Nationalisten ergriffen begierig die Gelegenheit, die
Neuierung zu Fall zu bringen, aber sobald die Arbeiter bemerkten, daß die Regierung
in ernstliche Gefahr geriet, machten sie nicht mehr mit, sondern verließen vor der
Abstimmung in solcher Anzahl den Smal, daß das Ministerium noch über eine, wenn
auch kleine Mehrzahl verfügte.

Am 17. August wurde die erste Session geschlossen; das Parlament wird aller
Voraussicht nach erst Anfang nächsten Jahres wieder zusammentreten.

Die Männer, die seit dem Zustandekommen der Union ganz besonders im
Brennpunkt des öffentlichen Interesses standen, sind die Generale Bodha, Smuts
und Hertzog, die alle drei ihr Ansehen bei ihren Landsleuten ursprünglich ihrer
Gegnerschaft gegen England, ihren Taten im .Kriege gegen dieses Reich zu ver¬
danke.! hatten.

Both« und Smuts, die bis zum Tode des ersteren eng zusammengehalten
haben, sind in Deutschland sehr verschiedenartig beurteilt worden. Man sah mit-


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[0336] Parteipolitische Verhältnisse der südafrikanischen Union daher in manchen Kreisen, daß der Premierminister Smuts dem Generalgouvemeur das Nücktrittsgesuch des Ministeriums einreichen und es auf einen nochmaligen Wahlgang ankommen lassen werde. Man irrte sich aber; Smuts beschloß, den Versuch zu machen, am Ruder zu bleiben. Zwei der Minister, nämlich der Finanz¬ minister und der Landwirtschaftsminister, waren bei den Wahlen unterlegen. General Smuts mochte selbst nicht mit einer langen weiteren Amtsdauer des Kabinetts rechnen, denn er ersetzte diese Minister nicht durch neue Männer. Die Portefeuilles wurden wie folgt neu verteilt: Premierminister, Minister der Verteidigung und für Eingeborenenangelegen- hciten: General I. C. Smuts; Landwirtschaft, Bergbau, Unterricht: F. S. Malau; Finanzen: H. Burton; Inneres, Eisenbahnen und Häfen, Gesundheitswesen: Sir Thomas Watt; Justiz: N. I. de Wet; Öffentliche Ländereien: Oberst H. Mentz; Post und Telegraphie: Sir I. A. C. Gracrff. Dieses Ministerium ist noch heute im Amt. Alle Minister gehören nach wie vor der südafrikanischen Partei an. / ' General Smuts hat es ermöglicht, das Schiff seiner Regierung durch alle Klippen der ersten Session des neuen Parlaments hindurchzusteuern. Er konnte mit Recht erwarten, daß ihm die Unionisten keine nennenswerten Schwierigkeiten bereiten würden. Die Gefahr drohte naturgemäß in erster Linie von den Nationalisten, und diese versuchten denn auch wiederholt, den Sturz des Kabinetts herbeizuführen; aber ihre Zahl allein reichte dazu nicht aus. Von den Unionisten konnten sie keine Hilfe erwarten, aber auch die Arbeiterpartei lehnte es ab, sich zu Vorspanndienften gebrauchen zu lassen. Den Arbeitern war zwar das Ministerium keineswegs sym¬ pathisch, aber die Nationalisten waren noch weit weniger nach ihrem Geschmack, weil diese allen Neuerungen sozialistischer oder gar kommunistischer Richtung besonders schroff ablehnend gegenüberstehen. Die Arbeiterpartei schloß sich daher den Nationa¬ listen in ihrem Kampf gegen das Kabinett nicht an. Ja, es ergab sich sogar wieder«, holt eine recht komische Lage; die Arbeiterpartei beantragte eine für das Kabinett umumehmbare Resolution, die Nationalisten ergriffen begierig die Gelegenheit, die Neuierung zu Fall zu bringen, aber sobald die Arbeiter bemerkten, daß die Regierung in ernstliche Gefahr geriet, machten sie nicht mehr mit, sondern verließen vor der Abstimmung in solcher Anzahl den Smal, daß das Ministerium noch über eine, wenn auch kleine Mehrzahl verfügte. Am 17. August wurde die erste Session geschlossen; das Parlament wird aller Voraussicht nach erst Anfang nächsten Jahres wieder zusammentreten. Die Männer, die seit dem Zustandekommen der Union ganz besonders im Brennpunkt des öffentlichen Interesses standen, sind die Generale Bodha, Smuts und Hertzog, die alle drei ihr Ansehen bei ihren Landsleuten ursprünglich ihrer Gegnerschaft gegen England, ihren Taten im .Kriege gegen dieses Reich zu ver¬ danke.! hatten. Both« und Smuts, die bis zum Tode des ersteren eng zusammengehalten haben, sind in Deutschland sehr verschiedenartig beurteilt worden. Man sah mit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/336>, abgerufen am 22.07.2024.