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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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verband. Und er findet mit seiner Erzähler¬
art unzweifelhaft den Weg zum Herzen unseres
"kleinen Volkes". Die sittliche Auffassung,
die dem Buche zugrunde liegt, gibt ihm einen
hohen erzieherischen Wert. Wer sich noch als
deutscher Junge fühlt, dem kann man mit
diesen" Buch kein schöneres Geschenk machen!
Durch die beigegebene Karte regt es zum
geographischen Studium an, während die vielen
Bilder, die sämtlich von Mitkämpfern in Asrika
ausgenommen sind, die tausenderlei Erlebnisse
Unserer Heldenschar aufs beste illustrieren.

Meine Sendung in Finnland "ut im

Baltikum. Von General Graf Rüdiger
von derGoltz. Verlag von K, F. Koester,
Leipzig.

Auf dieses Buch hat man mit Spannung
gewartet. Der charakterstarke Mann, der
seine Mitwelt an festem Willen, an selbstloser
Hingabe für Deutschlands Wohl und an vor¬
bildlicher Führertreue zu seinen Untergebenen
weit überragt, der, obwohl in erster Linie
Soldat, mit dem einfachen, klaren Menschen¬
verstande die politischen Wege wies, die wir
hätten gehen müssen, beschert uns in dem
vorliegenden Buche ein Werk, das eine Fund¬
grube militärischer und politischer Werturteile
ist. Ihm ist es in allererster Linie zu danken,
das" Finnland auch heute noch in den Herzen
der meisten seines Volkes ein Freund Deutsch¬
lands ist; allerdings nicht des neuen Deutsch¬
land, aber des deutschen Geistes, der deutschen
Pflichtauffassung und der deutschen Treue,
wie sie ehedem bestanden und sich bei der
Mission in Finnland bewährten

Das Buch deckt schonungslos das Doppelspiel
auf, das die Engländer mit uns trieben, die
uns erst aufforderten, Riga zu nehmen und
dann die deutschen Truppen beim Angriff auf
diese Stadt mit Minengeschützen beschossen.
Das "Goltzsche Werk" wird seinen Weg
finden. Es mangelt leider an Raum, es ein¬
gehend zu besprechen; mit gutem Gewissen
aber kann man es zu dem Besten rechnen,
was der Büchermarkt in diesem Jahre bot.

Die Stadt.

Trilogische Dichtung mit einem
Vorspiel von Max Sidow. Einleitung
von Theodor Däubler. Haus Heinrich
Tillgner Verlag, Potsdam 1920.

[Spaltenumbruch]

Das Erlebnis der Stadt dichterisch zu
formen, in einer einheitlichen, umfassenden
Vision, wird von Dichtern der Gegenwart
und jüngsten Vergangenheit mit steigender
Andacht und Kraft versucht. In diesen
Versuchen lebt die Einsicht: daß die moderne
Großstadt all die Wirkungs- und Erscheinungs¬
bereiche, aus denen die dichterische Formen¬
welt sich aufbaut, die der dichterische Genius
in sich hineinreißt, um sie neu zu schaffen,
in gedrängtester Fülle enthält, -- und, was
wichtiger ist, nicht als bloßes Nebeneinander,
sondern als wesentliche Einheit, als symbol¬
tragende Gestalt. Der Framose erlebte vor
uns die Zusammenstrahlung aller schöpferischen
Energien, aller individuellen Beseeltheit iH
den Brennpunkt einer einzigen, der einzigen
Stadt: so steht im Hintergrund der große"
französischen Dichtung und Malerei seit
hundert Jahren die vMe lumiöi-e. Viel
später, in fortwährender Wechselwirkung von
Aufstieg und Verfall, von Intensivierung und
Zerstreuung, Verschlammung wuchs für uns
Berlin zur "Stadt" in gleichem Sinne auS-
Man mag den Gang der Dinge segnen oder
verfluchen, man mag sich dieser unerhörten
Stadt hingeben oder sie ausrotten wollen, --
sie ist da, wir erleben sie und können der
Bedeutung dieses Erlebens nichts abdingen.

Max Sidows Gesang hebt mit der Stadt
an. Er ist hinaus über die impressionistische
Zerpflückung disparater Eindrücke. In ihm
lebt eme spanische Glut des Jubelns und
Weinens, der Andacht und Verzweiflung, die
mit der distanzierten Betrachtung des Ästheten
nichts mehr zu tun hat. Musik trägt er in
sich, so vermag er es, die Musik der Ding"
zu hören. Das Musikalische in ihm ist s"
stark, daß seine Dichtung, obwohl dramatisch
gegliedert, dennoch nicht von Tun und Leiden
beschränkter Individualitäten spricht, sondern'
die große Leidenschaft visionärer Gestalten i"
chorischen Gefüge übereinandertürmt. Der
Wechselgesang, zuletzt zur krönenden Monodie
vereint, weckt die Erinnerung an antike
Chorlyril; nur daß hier die Träger nicht
anonyme Sänger sind, sondern Personen, i"
denen das unendliche Leben der Stadt
Einheiten gefaßt erscheint. Den Sinn der
Dichtung erfasse ich in diesen ihren Worte"''
"Die Stadt ist Wissenden die Gotterscheinung-

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verband. Und er findet mit seiner Erzähler¬
art unzweifelhaft den Weg zum Herzen unseres
„kleinen Volkes". Die sittliche Auffassung,
die dem Buche zugrunde liegt, gibt ihm einen
hohen erzieherischen Wert. Wer sich noch als
deutscher Junge fühlt, dem kann man mit
diesen» Buch kein schöneres Geschenk machen!
Durch die beigegebene Karte regt es zum
geographischen Studium an, während die vielen
Bilder, die sämtlich von Mitkämpfern in Asrika
ausgenommen sind, die tausenderlei Erlebnisse
Unserer Heldenschar aufs beste illustrieren.

Meine Sendung in Finnland «ut im

Baltikum. Von General Graf Rüdiger
von derGoltz. Verlag von K, F. Koester,
Leipzig.

Auf dieses Buch hat man mit Spannung
gewartet. Der charakterstarke Mann, der
seine Mitwelt an festem Willen, an selbstloser
Hingabe für Deutschlands Wohl und an vor¬
bildlicher Führertreue zu seinen Untergebenen
weit überragt, der, obwohl in erster Linie
Soldat, mit dem einfachen, klaren Menschen¬
verstande die politischen Wege wies, die wir
hätten gehen müssen, beschert uns in dem
vorliegenden Buche ein Werk, das eine Fund¬
grube militärischer und politischer Werturteile
ist. Ihm ist es in allererster Linie zu danken,
das» Finnland auch heute noch in den Herzen
der meisten seines Volkes ein Freund Deutsch¬
lands ist; allerdings nicht des neuen Deutsch¬
land, aber des deutschen Geistes, der deutschen
Pflichtauffassung und der deutschen Treue,
wie sie ehedem bestanden und sich bei der
Mission in Finnland bewährten

Das Buch deckt schonungslos das Doppelspiel
auf, das die Engländer mit uns trieben, die
uns erst aufforderten, Riga zu nehmen und
dann die deutschen Truppen beim Angriff auf
diese Stadt mit Minengeschützen beschossen.
Das „Goltzsche Werk" wird seinen Weg
finden. Es mangelt leider an Raum, es ein¬
gehend zu besprechen; mit gutem Gewissen
aber kann man es zu dem Besten rechnen,
was der Büchermarkt in diesem Jahre bot.

Die Stadt.

Trilogische Dichtung mit einem
Vorspiel von Max Sidow. Einleitung
von Theodor Däubler. Haus Heinrich
Tillgner Verlag, Potsdam 1920.

[Spaltenumbruch]

Das Erlebnis der Stadt dichterisch zu
formen, in einer einheitlichen, umfassenden
Vision, wird von Dichtern der Gegenwart
und jüngsten Vergangenheit mit steigender
Andacht und Kraft versucht. In diesen
Versuchen lebt die Einsicht: daß die moderne
Großstadt all die Wirkungs- und Erscheinungs¬
bereiche, aus denen die dichterische Formen¬
welt sich aufbaut, die der dichterische Genius
in sich hineinreißt, um sie neu zu schaffen,
in gedrängtester Fülle enthält, — und, was
wichtiger ist, nicht als bloßes Nebeneinander,
sondern als wesentliche Einheit, als symbol¬
tragende Gestalt. Der Framose erlebte vor
uns die Zusammenstrahlung aller schöpferischen
Energien, aller individuellen Beseeltheit iH
den Brennpunkt einer einzigen, der einzigen
Stadt: so steht im Hintergrund der große«
französischen Dichtung und Malerei seit
hundert Jahren die vMe lumiöi-e. Viel
später, in fortwährender Wechselwirkung von
Aufstieg und Verfall, von Intensivierung und
Zerstreuung, Verschlammung wuchs für uns
Berlin zur „Stadt" in gleichem Sinne auS-
Man mag den Gang der Dinge segnen oder
verfluchen, man mag sich dieser unerhörten
Stadt hingeben oder sie ausrotten wollen, —
sie ist da, wir erleben sie und können der
Bedeutung dieses Erlebens nichts abdingen.

Max Sidows Gesang hebt mit der Stadt
an. Er ist hinaus über die impressionistische
Zerpflückung disparater Eindrücke. In ihm
lebt eme spanische Glut des Jubelns und
Weinens, der Andacht und Verzweiflung, die
mit der distanzierten Betrachtung des Ästheten
nichts mehr zu tun hat. Musik trägt er in
sich, so vermag er es, die Musik der Ding»
zu hören. Das Musikalische in ihm ist s»
stark, daß seine Dichtung, obwohl dramatisch
gegliedert, dennoch nicht von Tun und Leiden
beschränkter Individualitäten spricht, sondern'
die große Leidenschaft visionärer Gestalten i«
chorischen Gefüge übereinandertürmt. Der
Wechselgesang, zuletzt zur krönenden Monodie
vereint, weckt die Erinnerung an antike
Chorlyril; nur daß hier die Träger nicht
anonyme Sänger sind, sondern Personen, i»
denen das unendliche Leben der Stadt
Einheiten gefaßt erscheint. Den Sinn der
Dichtung erfasse ich in diesen ihren Worte«''
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[0318] Bücherschau verband. Und er findet mit seiner Erzähler¬ art unzweifelhaft den Weg zum Herzen unseres „kleinen Volkes". Die sittliche Auffassung, die dem Buche zugrunde liegt, gibt ihm einen hohen erzieherischen Wert. Wer sich noch als deutscher Junge fühlt, dem kann man mit diesen» Buch kein schöneres Geschenk machen! Durch die beigegebene Karte regt es zum geographischen Studium an, während die vielen Bilder, die sämtlich von Mitkämpfern in Asrika ausgenommen sind, die tausenderlei Erlebnisse Unserer Heldenschar aufs beste illustrieren. Meine Sendung in Finnland «ut im Baltikum. Von General Graf Rüdiger von derGoltz. Verlag von K, F. Koester, Leipzig. Auf dieses Buch hat man mit Spannung gewartet. Der charakterstarke Mann, der seine Mitwelt an festem Willen, an selbstloser Hingabe für Deutschlands Wohl und an vor¬ bildlicher Führertreue zu seinen Untergebenen weit überragt, der, obwohl in erster Linie Soldat, mit dem einfachen, klaren Menschen¬ verstande die politischen Wege wies, die wir hätten gehen müssen, beschert uns in dem vorliegenden Buche ein Werk, das eine Fund¬ grube militärischer und politischer Werturteile ist. Ihm ist es in allererster Linie zu danken, das» Finnland auch heute noch in den Herzen der meisten seines Volkes ein Freund Deutsch¬ lands ist; allerdings nicht des neuen Deutsch¬ land, aber des deutschen Geistes, der deutschen Pflichtauffassung und der deutschen Treue, wie sie ehedem bestanden und sich bei der Mission in Finnland bewährten Das Buch deckt schonungslos das Doppelspiel auf, das die Engländer mit uns trieben, die uns erst aufforderten, Riga zu nehmen und dann die deutschen Truppen beim Angriff auf diese Stadt mit Minengeschützen beschossen. Das „Goltzsche Werk" wird seinen Weg finden. Es mangelt leider an Raum, es ein¬ gehend zu besprechen; mit gutem Gewissen aber kann man es zu dem Besten rechnen, was der Büchermarkt in diesem Jahre bot. Die Stadt. Trilogische Dichtung mit einem Vorspiel von Max Sidow. Einleitung von Theodor Däubler. Haus Heinrich Tillgner Verlag, Potsdam 1920. Das Erlebnis der Stadt dichterisch zu formen, in einer einheitlichen, umfassenden Vision, wird von Dichtern der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit mit steigender Andacht und Kraft versucht. In diesen Versuchen lebt die Einsicht: daß die moderne Großstadt all die Wirkungs- und Erscheinungs¬ bereiche, aus denen die dichterische Formen¬ welt sich aufbaut, die der dichterische Genius in sich hineinreißt, um sie neu zu schaffen, in gedrängtester Fülle enthält, — und, was wichtiger ist, nicht als bloßes Nebeneinander, sondern als wesentliche Einheit, als symbol¬ tragende Gestalt. Der Framose erlebte vor uns die Zusammenstrahlung aller schöpferischen Energien, aller individuellen Beseeltheit iH den Brennpunkt einer einzigen, der einzigen Stadt: so steht im Hintergrund der große« französischen Dichtung und Malerei seit hundert Jahren die vMe lumiöi-e. Viel später, in fortwährender Wechselwirkung von Aufstieg und Verfall, von Intensivierung und Zerstreuung, Verschlammung wuchs für uns Berlin zur „Stadt" in gleichem Sinne auS- Man mag den Gang der Dinge segnen oder verfluchen, man mag sich dieser unerhörten Stadt hingeben oder sie ausrotten wollen, — sie ist da, wir erleben sie und können der Bedeutung dieses Erlebens nichts abdingen. Max Sidows Gesang hebt mit der Stadt an. Er ist hinaus über die impressionistische Zerpflückung disparater Eindrücke. In ihm lebt eme spanische Glut des Jubelns und Weinens, der Andacht und Verzweiflung, die mit der distanzierten Betrachtung des Ästheten nichts mehr zu tun hat. Musik trägt er in sich, so vermag er es, die Musik der Ding» zu hören. Das Musikalische in ihm ist s» stark, daß seine Dichtung, obwohl dramatisch gegliedert, dennoch nicht von Tun und Leiden beschränkter Individualitäten spricht, sondern' die große Leidenschaft visionärer Gestalten i« chorischen Gefüge übereinandertürmt. Der Wechselgesang, zuletzt zur krönenden Monodie vereint, weckt die Erinnerung an antike Chorlyril; nur daß hier die Träger nicht anonyme Sänger sind, sondern Personen, i» denen das unendliche Leben der Stadt Einheiten gefaßt erscheint. Den Sinn der Dichtung erfasse ich in diesen ihren Worte«'' „Die Stadt ist Wissenden die Gotterscheinung-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/318>, abgerufen am 22.07.2024.