Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.Wo der Sekt bleibt -- Offenherzigkeiten wo der Sekt bleibt Gott, geht's uns herrlich nach dem Krieg! Wir schlemmten zwar vorm Kriege auch, Doch nicht wie jetzt. Erschreckend stieg, Klagt Mojes, unser Sektverbrauch. Deutschland, so rief er voll Verdruß, Verknallt statt sechs Millionen fast Das Doppelte! Und dieses Plus Fällt den Parteien rechts zur Last. Wohin die Schar der Pulten schwand, Er hat's im Reichstag aufgedeckt: Die Kleinrentner, der Mittelstand, Die Professoren saufen Sekt! Von diesen wird das schöne Moos, Das sie dem Volke abgeluchst, Ruch-, cmstands- und erbarmungslos In Bars und Cabarets verjuxt. Sie haben wie ein durst'ger Schwamm Die ganze Produktion verkneipt, So daß für den Kurfürstendamm Kein einziger Provpen übrig bleibt. Sie schlürfen gern -- weshalb denn nicht? - Den Phantasie-Champagner ein. Wer längst auf Moselwein Verzicht G ^aw eleistet, trinkt jetzt Moseswein. Offenherzigkeiten Die Grafen Cagliostro und Aternberg Vor dem großen französischer Umsturz, der bekanntlich eine neue Menschheit Wo der Sekt bleibt — Offenherzigkeiten wo der Sekt bleibt Gott, geht's uns herrlich nach dem Krieg! Wir schlemmten zwar vorm Kriege auch, Doch nicht wie jetzt. Erschreckend stieg, Klagt Mojes, unser Sektverbrauch. Deutschland, so rief er voll Verdruß, Verknallt statt sechs Millionen fast Das Doppelte! Und dieses Plus Fällt den Parteien rechts zur Last. Wohin die Schar der Pulten schwand, Er hat's im Reichstag aufgedeckt: Die Kleinrentner, der Mittelstand, Die Professoren saufen Sekt! Von diesen wird das schöne Moos, Das sie dem Volke abgeluchst, Ruch-, cmstands- und erbarmungslos In Bars und Cabarets verjuxt. Sie haben wie ein durst'ger Schwamm Die ganze Produktion verkneipt, So daß für den Kurfürstendamm Kein einziger Provpen übrig bleibt. Sie schlürfen gern — weshalb denn nicht? - Den Phantasie-Champagner ein. Wer längst auf Moselwein Verzicht G ^aw eleistet, trinkt jetzt Moseswein. Offenherzigkeiten Die Grafen Cagliostro und Aternberg Vor dem großen französischer Umsturz, der bekanntlich eine neue Menschheit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338337"/> <fw type="header" place="top"> Wo der Sekt bleibt — Offenherzigkeiten</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> wo der Sekt bleibt</head><lb/> <lg xml:id="POEMID_13" type="poem"> <l> Gott, geht's uns herrlich nach dem Krieg!<lb/> Wir schlemmten zwar vorm Kriege auch,<lb/> Doch nicht wie jetzt. Erschreckend stieg,<lb/> Klagt Mojes, unser Sektverbrauch.</l> <l> Deutschland, so rief er voll Verdruß,<lb/> Verknallt statt sechs Millionen fast<lb/> Das Doppelte! Und dieses Plus<lb/> Fällt den Parteien rechts zur Last.</l> <l> Wohin die Schar der Pulten schwand,<lb/> Er hat's im Reichstag aufgedeckt:<lb/> Die Kleinrentner, der Mittelstand,<lb/> Die Professoren saufen Sekt!</l> <l> Von diesen wird das schöne Moos,<lb/> Das sie dem Volke abgeluchst,<lb/> Ruch-, cmstands- und erbarmungslos<lb/> In Bars und Cabarets verjuxt.</l> <l> Sie haben wie ein durst'ger Schwamm<lb/> Die ganze Produktion verkneipt,<lb/> So daß für den Kurfürstendamm<lb/> Kein einziger Provpen übrig bleibt.</l> <l> Sie schlürfen gern — weshalb denn nicht? -<lb/> Den Phantasie-Champagner ein.<lb/> Wer längst auf Moselwein Verzicht<lb/> G<note type="byline"> ^aw</note> eleistet, trinkt jetzt Moseswein. </l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Offenherzigkeiten</head><lb/> <div n="2"> <head> Die Grafen Cagliostro und Aternberg</head><lb/> <p xml:id="ID_1138"> Vor dem großen französischer Umsturz, der bekanntlich eine neue Menschheit<lb/> gebar, mußten die Hochstapler, um erfolgreich zu sein, nicht unbeträchtlich viel<lb/> Geist ausbringen. So verrottet und fluchbeladen das System der Louis auch<lb/> gewesen sein mag, seine Träger oder doch wenigstens seine Nutznießer waren oft<lb/> außerordentlich intelligente Bestien, und ohne Intelligenz war ihnen schlecht bei¬<lb/> zukommen. Alle die großen Affären jener Zeit sind mit Geist oder doch mit<lb/> Schlauheit gedeichselt worden,' die Cagliostro, Se, Germain und Genossen Pflegten<lb/> ihn hier nicht auszuschalten. Wir Heutigen sind schlichtere Naturen. Gewiß kann<lb/> das freien r^Zirne hinsichtlich der Zahl und der Frechheit seiner Gauner es<lb/> nicht annähernd mit uns aufnehmen, und nun gar die von überstrengen Spie߬<lb/> bürgern beherrschte Robespierre-Revolution hat' den Spitzbuben jeden Kalibers<lb/> das Leben so sauer gemacht, daß unsere Gegenwartshalunken im Vergleiche damit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0314]
Wo der Sekt bleibt — Offenherzigkeiten
wo der Sekt bleibt
Gott, geht's uns herrlich nach dem Krieg!
Wir schlemmten zwar vorm Kriege auch,
Doch nicht wie jetzt. Erschreckend stieg,
Klagt Mojes, unser Sektverbrauch. Deutschland, so rief er voll Verdruß,
Verknallt statt sechs Millionen fast
Das Doppelte! Und dieses Plus
Fällt den Parteien rechts zur Last. Wohin die Schar der Pulten schwand,
Er hat's im Reichstag aufgedeckt:
Die Kleinrentner, der Mittelstand,
Die Professoren saufen Sekt! Von diesen wird das schöne Moos,
Das sie dem Volke abgeluchst,
Ruch-, cmstands- und erbarmungslos
In Bars und Cabarets verjuxt. Sie haben wie ein durst'ger Schwamm
Die ganze Produktion verkneipt,
So daß für den Kurfürstendamm
Kein einziger Provpen übrig bleibt. Sie schlürfen gern — weshalb denn nicht? -
Den Phantasie-Champagner ein.
Wer längst auf Moselwein Verzicht
G ^aw eleistet, trinkt jetzt Moseswein.
Offenherzigkeiten
Die Grafen Cagliostro und Aternberg
Vor dem großen französischer Umsturz, der bekanntlich eine neue Menschheit
gebar, mußten die Hochstapler, um erfolgreich zu sein, nicht unbeträchtlich viel
Geist ausbringen. So verrottet und fluchbeladen das System der Louis auch
gewesen sein mag, seine Träger oder doch wenigstens seine Nutznießer waren oft
außerordentlich intelligente Bestien, und ohne Intelligenz war ihnen schlecht bei¬
zukommen. Alle die großen Affären jener Zeit sind mit Geist oder doch mit
Schlauheit gedeichselt worden,' die Cagliostro, Se, Germain und Genossen Pflegten
ihn hier nicht auszuschalten. Wir Heutigen sind schlichtere Naturen. Gewiß kann
das freien r^Zirne hinsichtlich der Zahl und der Frechheit seiner Gauner es
nicht annähernd mit uns aufnehmen, und nun gar die von überstrengen Spie߬
bürgern beherrschte Robespierre-Revolution hat' den Spitzbuben jeden Kalibers
das Leben so sauer gemacht, daß unsere Gegenwartshalunken im Vergleiche damit
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