Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.eine Petition schickten, um wieder deutsche Herrn zu bekommen. Wir glauben Der Weg der deutschen Wiedergeburt führt ausschließlich durch den deutschen Wir wollen gewiß nicht behaupten, daß auf Erden sich alles Gute lohnt und eine Petition schickten, um wieder deutsche Herrn zu bekommen. Wir glauben Der Weg der deutschen Wiedergeburt führt ausschließlich durch den deutschen Wir wollen gewiß nicht behaupten, daß auf Erden sich alles Gute lohnt und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338295"/> <p xml:id="ID_1002" prev="#ID_1001"> eine Petition schickten, um wieder deutsche Herrn zu bekommen. Wir glauben<lb/> an die guten Eigenschaften unseres Volks. Obwohl wir nicht sicher sind, im<lb/> nächsten Jahr noch das Brot für unser Volk einkaufen zu können, glauben wir,<lb/> daß die Welt nicht auskommt ohne den deutschen Typus, der durch die jahrhunderte¬<lb/> lange Gewöhnung, sich aus tiefster Not und Armut wieder aufzuraffen, an selten<lb/> schwierige Lagen angepaßt, eine einzigartige Fähigkeit geistiger und materieller<lb/> Wiedergeburt ausgebildet hat, die der gesamten Menschheit zugute kommt. Aber<lb/> wir müssen Geist und Staat erst innerlich neu zusammenschweißen, bevor wir wieder<lb/> etwas sein dürfen. Die Bismarckisch-Moltkesche Umschalung des weichen Deutsch¬<lb/> tums konnte 1918 so völlig zerbrechen, weil sie nicht mit lebendiger Solidarität<lb/> ausgefüllt war. Das Gerüst unseres Staates war trefflich, aber doch, wie sich jetzt<lb/> zeigt, nur ein Gerüst. Jetzt müssen wir bet Iren und Indern lernen, zuerst den<lb/> Willen, ein Volk zu sein, neu zu schaffen; dann findet sich auch der Weg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1003"> Der Weg der deutschen Wiedergeburt führt ausschließlich durch den deutschen<lb/> Geist und in ihn hinein. Es wäre Wahnsinn, an äußere Macht zu denken. Selbst¬<lb/> befreiung bedeutet ausschließlich die Arbeit an uns selbst. Die Umbildung des<lb/> Inferno, in dem wir leben, zu einer wahren Gemeinschaft ist das wahre Ziel. Wir<lb/> haben in diesen Jahren geschichtliche Lehren über die Notwendigkeit der Solidarität<lb/> empfangen, wie sie größer nicht gedacht werden können. Alles Dissoziative in einer<lb/> Nation, Standes- und Klassendünkel, spezialistische Beschränkung, Bürgerzwist und<lb/> Voransetzen des privaten Vorteils ist nur ein anderer Ausdruck für schlechte Geschäfte<lb/> der Gesamtheit und damit auch aller einzelnen. Solidarität schafft Wohlfahrt,<lb/> Klassen- und Parteiideale führen sich selbst aä adkurSum. Im Kri»ge hat man<lb/> begonnen, es zu fühlen, wie jedes unbedachte, flau machende Wort, jedes kleinste<lb/> böse Beispiel des unsolidarischen „Hintenherum" eine Lawine des Verderbens<lb/> ins Rollen brachte oder verstärkte. Wir haben die Gesamthaftung einer Nation<lb/> erlebt in der fürchterlichen Form des „aratruro. rMi": die Pflugschar des Er¬<lb/> oberers geht über die besiegte Gemeinschaft und legt die Wohlfahrt Schuldiger und<lb/> Unschuldiger um.</p><lb/> <p xml:id="ID_1004" next="#ID_1005"> Wir wollen gewiß nicht behaupten, daß auf Erden sich alles Gute lohnt und<lb/> alles Böse straft, aber wir können beweisen, daß der Weg der Solidarität und des<lb/> Opferbringens jedenfalls noch besser ist und mindestens für die Nachkommen<lb/> günstigere Aussichten schafft als der Weg, den wir einschlugen, nachdem unser Volk,<lb/> verzweifelnd an dem Wert des Opferbringens, in den Kampf aller gegen alle aus¬<lb/> einanderstrebte. Bei der besonderen Lage Deutschlands ist es nun so weit, daß<lb/> ferneres Fortsetzen des inneren Kampfes bestimmt den Hungertod von Millionen<lb/> bedeutet; freilich nur, wer Kinder hat oder sein Volk so liebt, als ob er für die<lb/> Wohlfahrt künftiger Geschlechter mit verantwortlich wäre, kann freiwillig kleine<lb/> Privatvorteile des Augenblicks für künftige Ernte dahingehen. Die Solidarität,<lb/> die sich nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit erstreckt, macht<lb/> gleichgültig gegen die Frage, ob unsere Arbeit uns selbst zugute kommt. Sie tut<lb/> es: denn mindestens lebt, wer sich der Gemeinschaft hingibt, seliger als der Egoist.<lb/> In wie anderem Sinn als früher sind wir doch wieder bloß ein Stück der Nation<lb/> geworden! Das Wort „Nationalökonomie" war 1914 fast veraltet'vor der inein¬<lb/> anderfließenden „Weltwirtschaft". Aber jetzt wissen wir, hart beschränkt, daß, was</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
eine Petition schickten, um wieder deutsche Herrn zu bekommen. Wir glauben
an die guten Eigenschaften unseres Volks. Obwohl wir nicht sicher sind, im
nächsten Jahr noch das Brot für unser Volk einkaufen zu können, glauben wir,
daß die Welt nicht auskommt ohne den deutschen Typus, der durch die jahrhunderte¬
lange Gewöhnung, sich aus tiefster Not und Armut wieder aufzuraffen, an selten
schwierige Lagen angepaßt, eine einzigartige Fähigkeit geistiger und materieller
Wiedergeburt ausgebildet hat, die der gesamten Menschheit zugute kommt. Aber
wir müssen Geist und Staat erst innerlich neu zusammenschweißen, bevor wir wieder
etwas sein dürfen. Die Bismarckisch-Moltkesche Umschalung des weichen Deutsch¬
tums konnte 1918 so völlig zerbrechen, weil sie nicht mit lebendiger Solidarität
ausgefüllt war. Das Gerüst unseres Staates war trefflich, aber doch, wie sich jetzt
zeigt, nur ein Gerüst. Jetzt müssen wir bet Iren und Indern lernen, zuerst den
Willen, ein Volk zu sein, neu zu schaffen; dann findet sich auch der Weg.
Der Weg der deutschen Wiedergeburt führt ausschließlich durch den deutschen
Geist und in ihn hinein. Es wäre Wahnsinn, an äußere Macht zu denken. Selbst¬
befreiung bedeutet ausschließlich die Arbeit an uns selbst. Die Umbildung des
Inferno, in dem wir leben, zu einer wahren Gemeinschaft ist das wahre Ziel. Wir
haben in diesen Jahren geschichtliche Lehren über die Notwendigkeit der Solidarität
empfangen, wie sie größer nicht gedacht werden können. Alles Dissoziative in einer
Nation, Standes- und Klassendünkel, spezialistische Beschränkung, Bürgerzwist und
Voransetzen des privaten Vorteils ist nur ein anderer Ausdruck für schlechte Geschäfte
der Gesamtheit und damit auch aller einzelnen. Solidarität schafft Wohlfahrt,
Klassen- und Parteiideale führen sich selbst aä adkurSum. Im Kri»ge hat man
begonnen, es zu fühlen, wie jedes unbedachte, flau machende Wort, jedes kleinste
böse Beispiel des unsolidarischen „Hintenherum" eine Lawine des Verderbens
ins Rollen brachte oder verstärkte. Wir haben die Gesamthaftung einer Nation
erlebt in der fürchterlichen Form des „aratruro. rMi": die Pflugschar des Er¬
oberers geht über die besiegte Gemeinschaft und legt die Wohlfahrt Schuldiger und
Unschuldiger um.
Wir wollen gewiß nicht behaupten, daß auf Erden sich alles Gute lohnt und
alles Böse straft, aber wir können beweisen, daß der Weg der Solidarität und des
Opferbringens jedenfalls noch besser ist und mindestens für die Nachkommen
günstigere Aussichten schafft als der Weg, den wir einschlugen, nachdem unser Volk,
verzweifelnd an dem Wert des Opferbringens, in den Kampf aller gegen alle aus¬
einanderstrebte. Bei der besonderen Lage Deutschlands ist es nun so weit, daß
ferneres Fortsetzen des inneren Kampfes bestimmt den Hungertod von Millionen
bedeutet; freilich nur, wer Kinder hat oder sein Volk so liebt, als ob er für die
Wohlfahrt künftiger Geschlechter mit verantwortlich wäre, kann freiwillig kleine
Privatvorteile des Augenblicks für künftige Ernte dahingehen. Die Solidarität,
die sich nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit erstreckt, macht
gleichgültig gegen die Frage, ob unsere Arbeit uns selbst zugute kommt. Sie tut
es: denn mindestens lebt, wer sich der Gemeinschaft hingibt, seliger als der Egoist.
In wie anderem Sinn als früher sind wir doch wieder bloß ein Stück der Nation
geworden! Das Wort „Nationalökonomie" war 1914 fast veraltet'vor der inein¬
anderfließenden „Weltwirtschaft". Aber jetzt wissen wir, hart beschränkt, daß, was
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |