Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.II. 1. Die bisherigen Betrachtungen waren dazu angetan, uns zu martern. Wir Nur eine den, außergewöhnlichen Zeitläuften entsprechende außer¬ 2. Das Zerbrochensein aller unserer einstigen Machtmittel, Organisationen II. 1. Die bisherigen Betrachtungen waren dazu angetan, uns zu martern. Wir Nur eine den, außergewöhnlichen Zeitläuften entsprechende außer¬ 2. Das Zerbrochensein aller unserer einstigen Machtmittel, Organisationen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338293"/> </div> </div> <div n="2"> <head> II.</head><lb/> <div n="3"> <head> 1.</head><lb/> <p xml:id="ID_994"> Die bisherigen Betrachtungen waren dazu angetan, uns zu martern. Wir<lb/> haben nun die volle Erkenntnis unserer wirklichen Lage, und so beginnt sich das<lb/> Thema zu wenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_995"> Nur eine den, außergewöhnlichen Zeitläuften entsprechende außer¬<lb/> gewöhnliche innere Erneuerung des deutschen Volksgeistes in tiefstem Zu¬<lb/> sammenhang mit dem geschichtlichen Erbteil unseres Volkes kann uns die<lb/> Grundlage einer neuen, lebensfähigen Gemeinschaft geben. Wir sind nicht<lb/> mehr Bewahrer, denn das Bewährte ist aufgelöst, und noch nicht Erfüller, denn<lb/> es fehlt uns die große schöpferische Kraft? sondern, wenn unsere Generation über¬<lb/> haupt etwas Lebendiges sein will, so sind wir Vorbereiter. Wir haben die Auf¬<lb/> gabe, die geistigen und materiellen Lebensmöglichkeiten Deutschlands neu zu sehen.<lb/> Als Erbengeneration hatten wir uns vor dem Krieg arbeitsteilig spezialisiert und<lb/> mechanisiert. Als Vorläufer müssen wir uns vereinfachen, zusammenziehen und<lb/> aus dem materiell verengten, aber vertieften, lebendigen Kraftmittelpunkt der<lb/> Persönlichkeit heraus universal zu fühlen und zu wollen lernen. Unter diesen<lb/> Vorläufern zunächst bildet sich ein neues Gemeinschaftsgefühl als unerläßliche<lb/> Vorstufe eines neuen Gemeinschaftsgefühls im ganzen Volk. Die Pflege und<lb/> Ausbildung dieser neuen Führerschicht, die weder aus den neuen Reichen, noch<lb/> aus den alten Armen, sonden aus den „neuen Armen" kommt, ist die größte<lb/> Aufgabe unserer Zeit. Auch an die Männer des beschaulichen Lebens und der<lb/> Erkenntnis ergeht heute der Ruf: „Zu den Waffen". Nicht der mechanisierte<lb/> Gehorsam einer toten Organisation, sondern die lebendige Kraft einer Lcclesi»<lb/> militsns, einer „unsichtbar kämpfenden Kirche", ist heute die Werkstatt, aus der die<lb/> drei Lebensmöglichkeiten des deutschen Volkes neu hervorgehen: der neue Gemein¬<lb/> sinn, die schöpferischen Werke des Geistes in Wissenschaft und Technik, die den<lb/> neuen Körper bauen, und die äußere Freiheit. Statt der bisherigen<lb/> spezialistischen Breite tritt unsere Kultur, wenn sie aus den Trümmern<lb/> Neues schafft, ein in ein Zeitalter der weltanschauungsmäßig verinnerlichten<lb/> , Persönlichkeit.</p><lb/> </div> <div n="3"> <head> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_996" next="#ID_997"> Das Zerbrochensein aller unserer einstigen Machtmittel, Organisationen<lb/> und jenes ausgezeichnet mechanisierten Gemeinsinns, wie er in unseren Einrichtungen<lb/> vor dem Krieg lebte, ist unser heutiger Ausgangspunkt. Nahe Ziele kann der<lb/> Patriot nicht mehr ins Auge fassen, wir müssen uns schon an Fernziele ge¬<lb/> wöhnen, was wir vor dem Krieg völlig verlernt hatten. Damals waren wir<lb/> Erben früherer Erfolge und hatten uns gewöhnt, greifbare Ziele rasch zu ver¬<lb/> wirklichen und nicht darüber hinauszusehen — eine falsche Sicherheit, die an dem<lb/> völligen Zusammenbruch aller Kräfte und alles guten Willens im Rückschlag deS</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
II.
1.
Die bisherigen Betrachtungen waren dazu angetan, uns zu martern. Wir
haben nun die volle Erkenntnis unserer wirklichen Lage, und so beginnt sich das
Thema zu wenden.
Nur eine den, außergewöhnlichen Zeitläuften entsprechende außer¬
gewöhnliche innere Erneuerung des deutschen Volksgeistes in tiefstem Zu¬
sammenhang mit dem geschichtlichen Erbteil unseres Volkes kann uns die
Grundlage einer neuen, lebensfähigen Gemeinschaft geben. Wir sind nicht
mehr Bewahrer, denn das Bewährte ist aufgelöst, und noch nicht Erfüller, denn
es fehlt uns die große schöpferische Kraft? sondern, wenn unsere Generation über¬
haupt etwas Lebendiges sein will, so sind wir Vorbereiter. Wir haben die Auf¬
gabe, die geistigen und materiellen Lebensmöglichkeiten Deutschlands neu zu sehen.
Als Erbengeneration hatten wir uns vor dem Krieg arbeitsteilig spezialisiert und
mechanisiert. Als Vorläufer müssen wir uns vereinfachen, zusammenziehen und
aus dem materiell verengten, aber vertieften, lebendigen Kraftmittelpunkt der
Persönlichkeit heraus universal zu fühlen und zu wollen lernen. Unter diesen
Vorläufern zunächst bildet sich ein neues Gemeinschaftsgefühl als unerläßliche
Vorstufe eines neuen Gemeinschaftsgefühls im ganzen Volk. Die Pflege und
Ausbildung dieser neuen Führerschicht, die weder aus den neuen Reichen, noch
aus den alten Armen, sonden aus den „neuen Armen" kommt, ist die größte
Aufgabe unserer Zeit. Auch an die Männer des beschaulichen Lebens und der
Erkenntnis ergeht heute der Ruf: „Zu den Waffen". Nicht der mechanisierte
Gehorsam einer toten Organisation, sondern die lebendige Kraft einer Lcclesi»
militsns, einer „unsichtbar kämpfenden Kirche", ist heute die Werkstatt, aus der die
drei Lebensmöglichkeiten des deutschen Volkes neu hervorgehen: der neue Gemein¬
sinn, die schöpferischen Werke des Geistes in Wissenschaft und Technik, die den
neuen Körper bauen, und die äußere Freiheit. Statt der bisherigen
spezialistischen Breite tritt unsere Kultur, wenn sie aus den Trümmern
Neues schafft, ein in ein Zeitalter der weltanschauungsmäßig verinnerlichten
, Persönlichkeit.
2.
Das Zerbrochensein aller unserer einstigen Machtmittel, Organisationen
und jenes ausgezeichnet mechanisierten Gemeinsinns, wie er in unseren Einrichtungen
vor dem Krieg lebte, ist unser heutiger Ausgangspunkt. Nahe Ziele kann der
Patriot nicht mehr ins Auge fassen, wir müssen uns schon an Fernziele ge¬
wöhnen, was wir vor dem Krieg völlig verlernt hatten. Damals waren wir
Erben früherer Erfolge und hatten uns gewöhnt, greifbare Ziele rasch zu ver¬
wirklichen und nicht darüber hinauszusehen — eine falsche Sicherheit, die an dem
völligen Zusammenbruch aller Kräfte und alles guten Willens im Rückschlag deS
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