Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.Die wirtschaftliche Lage Deutschlands nach dem Friedensschluß Feinde an Schiffsraum zu bauen. Damit ist unter den vorgeschilderten heutigen Grenzboten IV 1920 14
Die wirtschaftliche Lage Deutschlands nach dem Friedensschluß Feinde an Schiffsraum zu bauen. Damit ist unter den vorgeschilderten heutigen Grenzboten IV 1920 14
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338232"/> <fw type="header" place="top"> Die wirtschaftliche Lage Deutschlands nach dem Friedensschluß</fw><lb/> <p xml:id="ID_780" prev="#ID_779" next="#ID_781"> Feinde an Schiffsraum zu bauen. Damit ist unter den vorgeschilderten heutigen<lb/> Produktionsverhältnissen es nahezu unmöglich, für Deutschland selbst neuen Schiffs¬<lb/> raum auf deutschen Werften herzustellen. Entweder muß auf die Herstellung<lb/> deutschen Schiffsraums überhaupt verzichtet werden, das bedeutet die Aus-<lb/> antwortung Deutschlands für die Einfuhr an ausländische Frachttarife, die in<lb/> fremder Valuta zu zahlen sind, und wird dadurch abermals eine erhebliche Ver¬<lb/> teuerung alles Imports zur Folge haben, oder aber die Notwendigkeit, Schiffe auf<lb/> fremden Werften zu bestellen, wodurch gleichfalls die deutsche Zahlungsbilanz ver¬<lb/> schlechtert und die Fracht infolge der höheren Kosten abermals verteuert wird. In<lb/> etwas ist ja die auf Untergrabung der deutschen Handelsschiffahrt gerichtete Absicht<lb/> des Friedensvertrages vereitelt durch das Abkommen, das im Frühsommer dieses<lb/> Jahres die Hamburg-Amerika-Linie mit dem sogenannten Harrimcm-Konzern in<lb/> Nordamerika getroffen hat. Danach stellt die Hamburg-Amerika-Linie ihre Er¬<lb/> fahrungen und Organisation im Gebiete der Weltschisfahrt der amerikanischen Linie<lb/> zur Verfügung und betreibt mit dieser zusammen einen überseeischen Schiffsverkehr,<lb/> bei dem bis zur Hälfte der Schiffstonnage unter deutscher Flagge fahren kann. Ein<lb/> ähnliches Vertragsverhältnis ist der norddeutsche Lloyd mit einer anderen nord¬<lb/> amerikanischen Schiffahrtsorganisation eingegangen. Diese der Privatinitiative der<lb/> großen Hamburger und Bremer Reedereien entsprossenen und zu verdankenden Ab¬<lb/> kommen dürfen neben der Erweiterung unserer drahtlosen Telegraphic als eins der<lb/> wenigen uns günstigen wirtschaftlichen Ereignisse der Jetztzeit bezeichnet werden.<lb/> Aber selbst wenn im einzelnen hier und da der Wagemut, der Unternehmungsgeist<lb/> und die Klugheit deutscher Kulturpioniere wirtschaftliche Vorteile für uns zu<lb/> erringen vermag, so darf doch darüber kein Zweifel obwalten, daß unsere weltwirt¬<lb/> schaftliche Stellung, auch soweit sie auf dem Überseeverkehr durch deutsche Schiffe<lb/> beruhte, auf Menschenalter nahezu zerstört ist. Daraus folgt, daß einer der Fak¬<lb/> toren, die vor dem Kriege unsere Zahlungsbilanz aktiv gestalteten, für die Zu¬<lb/> kunft zunächst ausgeschaltet ist. In krassen Widerspruch zu den Humanitären<lb/> Phrasen, mit denen unsere Feinde ihr satanisches Vernichtungswcrk an unseres<lb/> Vaterlandes Größe bekleidet haben, steht auch die Forderung des Friedensvertrages,<lb/> wonach ein großer Teil der zur Fischerei bestimmten Fahrzeuge an unsere Feinde<lb/> auszuliefern ist. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß hierdurch nicht nur wichtige<lb/> Vevölkerungsgruppen unmittelbar brotlos, sondern durch die Verminderung des<lb/> deutschen Fischfanges die an sich schon knappen Ernährungsmöglichkeiten des<lb/> deutschen Volkes noch mehr eingeschränkt werden. Aber England tut ganze Arbeit.<lb/> Es begnügt sich nicht damit, die deutsche Flagge von der See verschwinden zu lassen,<lb/> sondern entzieht auch unserer Binnenschiffahrt wesentliche Existenzbedingungen.<lb/> Diese hatte schon durch den Krieg erheblich gelitten. Die durch ihn erzwungene teil¬<lb/> weise Stillegung und der Mangel an Mannschaft hatten zur Folge gehabt, daß<lb/> seit 1914 etwa 400 000 Tons Schiffsraum als nicht mehr reparaturwürdig zer¬<lb/> schlagen werden mußte. Insbesondere seit dem Waffenstillstand und auf Grund des<lb/> Friedensvertrages sind weiter aus dem deutschen Gebiet etwa 100 000 Tons Kahn¬<lb/> raum, über 100 Motorboote und mindestens A0 Schleppdampfer der deutschen<lb/> Binnenschiffahrt verloren gegangen. Für die noch vorhandenen Binnenschiffe gilt<lb/> das gleiche wie für den Fuhrpark der Eisenbahn. Sie sind reparaturbedürftig im<lb/> höchsten Grade, ohne daß wegen der Kosten, des Kohlenmangels und der vielfach</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1920 14</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0209]
Die wirtschaftliche Lage Deutschlands nach dem Friedensschluß
Feinde an Schiffsraum zu bauen. Damit ist unter den vorgeschilderten heutigen
Produktionsverhältnissen es nahezu unmöglich, für Deutschland selbst neuen Schiffs¬
raum auf deutschen Werften herzustellen. Entweder muß auf die Herstellung
deutschen Schiffsraums überhaupt verzichtet werden, das bedeutet die Aus-
antwortung Deutschlands für die Einfuhr an ausländische Frachttarife, die in
fremder Valuta zu zahlen sind, und wird dadurch abermals eine erhebliche Ver¬
teuerung alles Imports zur Folge haben, oder aber die Notwendigkeit, Schiffe auf
fremden Werften zu bestellen, wodurch gleichfalls die deutsche Zahlungsbilanz ver¬
schlechtert und die Fracht infolge der höheren Kosten abermals verteuert wird. In
etwas ist ja die auf Untergrabung der deutschen Handelsschiffahrt gerichtete Absicht
des Friedensvertrages vereitelt durch das Abkommen, das im Frühsommer dieses
Jahres die Hamburg-Amerika-Linie mit dem sogenannten Harrimcm-Konzern in
Nordamerika getroffen hat. Danach stellt die Hamburg-Amerika-Linie ihre Er¬
fahrungen und Organisation im Gebiete der Weltschisfahrt der amerikanischen Linie
zur Verfügung und betreibt mit dieser zusammen einen überseeischen Schiffsverkehr,
bei dem bis zur Hälfte der Schiffstonnage unter deutscher Flagge fahren kann. Ein
ähnliches Vertragsverhältnis ist der norddeutsche Lloyd mit einer anderen nord¬
amerikanischen Schiffahrtsorganisation eingegangen. Diese der Privatinitiative der
großen Hamburger und Bremer Reedereien entsprossenen und zu verdankenden Ab¬
kommen dürfen neben der Erweiterung unserer drahtlosen Telegraphic als eins der
wenigen uns günstigen wirtschaftlichen Ereignisse der Jetztzeit bezeichnet werden.
Aber selbst wenn im einzelnen hier und da der Wagemut, der Unternehmungsgeist
und die Klugheit deutscher Kulturpioniere wirtschaftliche Vorteile für uns zu
erringen vermag, so darf doch darüber kein Zweifel obwalten, daß unsere weltwirt¬
schaftliche Stellung, auch soweit sie auf dem Überseeverkehr durch deutsche Schiffe
beruhte, auf Menschenalter nahezu zerstört ist. Daraus folgt, daß einer der Fak¬
toren, die vor dem Kriege unsere Zahlungsbilanz aktiv gestalteten, für die Zu¬
kunft zunächst ausgeschaltet ist. In krassen Widerspruch zu den Humanitären
Phrasen, mit denen unsere Feinde ihr satanisches Vernichtungswcrk an unseres
Vaterlandes Größe bekleidet haben, steht auch die Forderung des Friedensvertrages,
wonach ein großer Teil der zur Fischerei bestimmten Fahrzeuge an unsere Feinde
auszuliefern ist. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß hierdurch nicht nur wichtige
Vevölkerungsgruppen unmittelbar brotlos, sondern durch die Verminderung des
deutschen Fischfanges die an sich schon knappen Ernährungsmöglichkeiten des
deutschen Volkes noch mehr eingeschränkt werden. Aber England tut ganze Arbeit.
Es begnügt sich nicht damit, die deutsche Flagge von der See verschwinden zu lassen,
sondern entzieht auch unserer Binnenschiffahrt wesentliche Existenzbedingungen.
Diese hatte schon durch den Krieg erheblich gelitten. Die durch ihn erzwungene teil¬
weise Stillegung und der Mangel an Mannschaft hatten zur Folge gehabt, daß
seit 1914 etwa 400 000 Tons Schiffsraum als nicht mehr reparaturwürdig zer¬
schlagen werden mußte. Insbesondere seit dem Waffenstillstand und auf Grund des
Friedensvertrages sind weiter aus dem deutschen Gebiet etwa 100 000 Tons Kahn¬
raum, über 100 Motorboote und mindestens A0 Schleppdampfer der deutschen
Binnenschiffahrt verloren gegangen. Für die noch vorhandenen Binnenschiffe gilt
das gleiche wie für den Fuhrpark der Eisenbahn. Sie sind reparaturbedürftig im
höchsten Grade, ohne daß wegen der Kosten, des Kohlenmangels und der vielfach
Grenzboten IV 1920 14
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