Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Die Liquidation der deutschen Interessen in Schankung Mit der Fertigstellung der Eisenbahn war auch die Schankung-Bergbau- Nach Überwindung zäher Widerstände drang Brücher mit seinem Vorschlag Aber noch ein anderer Umstand führte zu dem langen Darben der Berg¬ Erst mit dem Aufschließen und vollkommenen Ausbau von Hungschan, mit Die Liquidation der deutschen Interessen in Schankung Mit der Fertigstellung der Eisenbahn war auch die Schankung-Bergbau- Nach Überwindung zäher Widerstände drang Brücher mit seinem Vorschlag Aber noch ein anderer Umstand führte zu dem langen Darben der Berg¬ Erst mit dem Aufschließen und vollkommenen Ausbau von Hungschan, mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337715"/> <fw type="header" place="top"> Die Liquidation der deutschen Interessen in Schankung</fw><lb/> <p xml:id="ID_228"> Mit der Fertigstellung der Eisenbahn war auch die Schankung-Bergbau-<lb/> gesellschaft mit nicht ganz 10 Millionen Mark Aktienkapital ins Leben gerufen<lb/> worden. Im Verwaltungspersonal in Berlin mit der Eisenbahngesellschaft liiert,<lb/> bildete sie doch zunächst ein selbständiges Unternehmen, das leider infolge mancher<lb/> Mißgriffe in der bergwerklichen Erschließung lange Zeit zum Siechtum verurteilt<lb/> blieb. Den Kohle- und Eisenerzreichtum der Provinz hatte schon der Geograph<lb/> Richthofen in seinem meisterlichen Werke in ausführlichen Darlegungen geschildert<lb/> und die Hauptorte in genialer Intuition bezeichnet. Da es sich nach Fertig¬<lb/> stellung der Bahn zunächst aber um schnelle Schaffung von Einnahmequellen<lb/> handelte, so kam vorderhand nur Kohle für den Abbau in Frage. Und hier<lb/> hatte man in der Wahl des Feldes, das man zuerst abhauen wollte, fehlgegriffen.<lb/> Die Kohlefelder von Fangtse erschienen auf den eisten Blick zwar vielversprechend,<lb/> erwiesen sich aber bei weiterem Abbau als eitel Blendwerk. Das Gestein zeigte starke<lb/> eruptive Versetzungen, die Kohle war minderwertig und so gasig, daß häufiger<lb/> schlagende Wetter den Betrieb gefährdeten. Erst nachdem man hier in Fangtse<lb/> sehr kostspielige Förderanlagen und Wohnstätten für das Personal geschaffen<lb/> hatte, sah man den Irrtum ein, und es ist vor allem dem überaus tüchtigen<lb/> Bergwerksdirektor Brücher zu verdanken gewesen, daß man spät, wenn auch<lb/> nicht zu spät, die weitere Erschließung Fangtses ganz aufgab.</p><lb/> <p xml:id="ID_229"> Nach Überwindung zäher Widerstände drang Brücher mit seinem Vorschlag<lb/> schließlich durch, die Hungschan-Felder im Poschangebiet auszubeuten. Brücher' hatte hier durch Bohrungen die außerordentliche Reichhaltigkeit und Güte des<lb/> Kohlevorkommens schon frühzeitig festgestellt und seine Gesellschaft immer wieder,<lb/> wenn auch lange Zeit vergeblich, darauf hingewiesen, daß Fangtse ein tot¬<lb/> geborenes Kind sei, und daß die Morgenröte des Unternehmens hier in Hung-<lb/> schan läge, das schleunigst erschlossen werden müßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_230"> Aber noch ein anderer Umstand führte zu dem langen Darben der Berg¬<lb/> baugesellschaft. Die Fangtsekohle war durch ihre Langflammigkeit als Schiffs¬<lb/> kohle und damit für den Export und für unsere Kriegsschiffe nicht nur ungeeignet;<lb/> sie war auch zu teuer. Und diese unverhältnismäßig hohen Kosten wurden trotz<lb/> der sehr geringen chinesischen Arbeitslöhne in erster Linie durch den 180 Kilo¬<lb/> meter langen Eisenbahntransport nach dem Hafen Tsingtau erzeugt. Eisenbahn-<lb/> und Bergbaugesellschaft arbeiteten in diesem Punkte nicht in gemeinsamem<lb/> Interesse, wie es die Entwicklung so junger, mit einem noch sehr unsicheren<lb/> Absatzmarkt rechnender Unternehmen erforderte. Beide Gesellschaften hatten das<lb/> natürliche Bestreben, schnell das Vertrauen ihrer Aktionäre und der Börse zu ge¬<lb/> winnen. Dabei war aber die Bergbaugesellschaft völlig in den Händen der<lb/> Eisenbahn mit ihren Kilometertarifen, gewissermaßen das Ausbeutungsobjekt und<lb/> der Sklave. Wollte sie ihre Kohle nicht nur zu Schleuderpreisen und in unzu¬<lb/> reichenden Umfang als Hausbrandkohle an Ort und Stelle absetzen, sondern<lb/> auch exportieren, so mußte sie den ihr auferlegten Bahntarif zahlen. Dieser war<lb/> aber verhältnismäßig hoch. Beide Unternehmungen tränkten jahrelang an einer<lb/> falschen Organisation und dem Mangel an weitsichtiger, auf die Zukunft be¬<lb/> rechneter Arbeit. Ich will damit keine Vorwürfe erheben. Uns mangelte die Er¬<lb/> fahrung und vor allem das Vertrauen des deutschen Großkapitals in koloniale Unter¬<lb/> nehmungen. Die Eisenbahn hatte ja zu Anfang auch schwer zu kämpfen, um<lb/> sich durchzusetzen. Die Provinz Schankung war arm in landbaulicher Hinsicht.<lb/> Große Gütertransporte kamen vor der erst um 1909/10 voll einsetzenden Er-<lb/> schließung nicht in Frage. 50 Prozent aller bewegten Werte entfielen auf Kohlen.<lb/> Die Tarifpolitik der Eisenbahn war also verständlich, wenn auch kurzsichtig.</p><lb/> <p xml:id="ID_231" next="#ID_232"> Erst mit dem Aufschließen und vollkommenen Ausbau von Hungschan, mit<lb/> der Einsicht, was man hier an wertvollsten Kohlenschätzen für alle Zwecke, den<lb/> Export, die Verkokung, den Hausbrand, besaß, änderte sich die Wirtschaftspolitik<lb/> beider Gesellschaften. Schließlich wurde auch der letzte Hemmungsrest einer ge¬<lb/> sunden Entwicklung im Jahre 1914 durch Fusion beider Gesellschaften in eine<lb/> gemeinsame Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft beseitigt. Die Aktien der Berg-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0074]
Die Liquidation der deutschen Interessen in Schankung
Mit der Fertigstellung der Eisenbahn war auch die Schankung-Bergbau-
gesellschaft mit nicht ganz 10 Millionen Mark Aktienkapital ins Leben gerufen
worden. Im Verwaltungspersonal in Berlin mit der Eisenbahngesellschaft liiert,
bildete sie doch zunächst ein selbständiges Unternehmen, das leider infolge mancher
Mißgriffe in der bergwerklichen Erschließung lange Zeit zum Siechtum verurteilt
blieb. Den Kohle- und Eisenerzreichtum der Provinz hatte schon der Geograph
Richthofen in seinem meisterlichen Werke in ausführlichen Darlegungen geschildert
und die Hauptorte in genialer Intuition bezeichnet. Da es sich nach Fertig¬
stellung der Bahn zunächst aber um schnelle Schaffung von Einnahmequellen
handelte, so kam vorderhand nur Kohle für den Abbau in Frage. Und hier
hatte man in der Wahl des Feldes, das man zuerst abhauen wollte, fehlgegriffen.
Die Kohlefelder von Fangtse erschienen auf den eisten Blick zwar vielversprechend,
erwiesen sich aber bei weiterem Abbau als eitel Blendwerk. Das Gestein zeigte starke
eruptive Versetzungen, die Kohle war minderwertig und so gasig, daß häufiger
schlagende Wetter den Betrieb gefährdeten. Erst nachdem man hier in Fangtse
sehr kostspielige Förderanlagen und Wohnstätten für das Personal geschaffen
hatte, sah man den Irrtum ein, und es ist vor allem dem überaus tüchtigen
Bergwerksdirektor Brücher zu verdanken gewesen, daß man spät, wenn auch
nicht zu spät, die weitere Erschließung Fangtses ganz aufgab.
Nach Überwindung zäher Widerstände drang Brücher mit seinem Vorschlag
schließlich durch, die Hungschan-Felder im Poschangebiet auszubeuten. Brücher' hatte hier durch Bohrungen die außerordentliche Reichhaltigkeit und Güte des
Kohlevorkommens schon frühzeitig festgestellt und seine Gesellschaft immer wieder,
wenn auch lange Zeit vergeblich, darauf hingewiesen, daß Fangtse ein tot¬
geborenes Kind sei, und daß die Morgenröte des Unternehmens hier in Hung-
schan läge, das schleunigst erschlossen werden müßte.
Aber noch ein anderer Umstand führte zu dem langen Darben der Berg¬
baugesellschaft. Die Fangtsekohle war durch ihre Langflammigkeit als Schiffs¬
kohle und damit für den Export und für unsere Kriegsschiffe nicht nur ungeeignet;
sie war auch zu teuer. Und diese unverhältnismäßig hohen Kosten wurden trotz
der sehr geringen chinesischen Arbeitslöhne in erster Linie durch den 180 Kilo¬
meter langen Eisenbahntransport nach dem Hafen Tsingtau erzeugt. Eisenbahn-
und Bergbaugesellschaft arbeiteten in diesem Punkte nicht in gemeinsamem
Interesse, wie es die Entwicklung so junger, mit einem noch sehr unsicheren
Absatzmarkt rechnender Unternehmen erforderte. Beide Gesellschaften hatten das
natürliche Bestreben, schnell das Vertrauen ihrer Aktionäre und der Börse zu ge¬
winnen. Dabei war aber die Bergbaugesellschaft völlig in den Händen der
Eisenbahn mit ihren Kilometertarifen, gewissermaßen das Ausbeutungsobjekt und
der Sklave. Wollte sie ihre Kohle nicht nur zu Schleuderpreisen und in unzu¬
reichenden Umfang als Hausbrandkohle an Ort und Stelle absetzen, sondern
auch exportieren, so mußte sie den ihr auferlegten Bahntarif zahlen. Dieser war
aber verhältnismäßig hoch. Beide Unternehmungen tränkten jahrelang an einer
falschen Organisation und dem Mangel an weitsichtiger, auf die Zukunft be¬
rechneter Arbeit. Ich will damit keine Vorwürfe erheben. Uns mangelte die Er¬
fahrung und vor allem das Vertrauen des deutschen Großkapitals in koloniale Unter¬
nehmungen. Die Eisenbahn hatte ja zu Anfang auch schwer zu kämpfen, um
sich durchzusetzen. Die Provinz Schankung war arm in landbaulicher Hinsicht.
Große Gütertransporte kamen vor der erst um 1909/10 voll einsetzenden Er-
schließung nicht in Frage. 50 Prozent aller bewegten Werte entfielen auf Kohlen.
Die Tarifpolitik der Eisenbahn war also verständlich, wenn auch kurzsichtig.
Erst mit dem Aufschließen und vollkommenen Ausbau von Hungschan, mit
der Einsicht, was man hier an wertvollsten Kohlenschätzen für alle Zwecke, den
Export, die Verkokung, den Hausbrand, besaß, änderte sich die Wirtschaftspolitik
beider Gesellschaften. Schließlich wurde auch der letzte Hemmungsrest einer ge¬
sunden Entwicklung im Jahre 1914 durch Fusion beider Gesellschaften in eine
gemeinsame Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft beseitigt. Die Aktien der Berg-
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