Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.gefahren sei, werde trachten, auf dem Weg eines Separatfriedens mit einem Bern, den 8. März 191". Von einer politisch realisierbaren Friedensgeneigtheit maßgebender Frankreich steht, wie ich bereits früher berichtete, seit Anfang Januar im Der Fall Verbums würde jedoch nicht genügen, um die militärische Wider¬ Bern, den M März 1!>16, Die Erklärungen, die Herr Asquith im englischen Unterhause über die Auf¬ gefahren sei, werde trachten, auf dem Weg eines Separatfriedens mit einem Bern, den 8. März 191«. Von einer politisch realisierbaren Friedensgeneigtheit maßgebender Frankreich steht, wie ich bereits früher berichtete, seit Anfang Januar im Der Fall Verbums würde jedoch nicht genügen, um die militärische Wider¬ Bern, den M März 1!>16, Die Erklärungen, die Herr Asquith im englischen Unterhause über die Auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337701"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_171" prev="#ID_170"> gefahren sei, werde trachten, auf dem Weg eines Separatfriedens mit einem<lb/> blauen Auge davonzukommen. Ich bin nicht in der Lage, die Nichtigkeit dieser<lb/> Mitteilung zu kontrollieren, glaube sie aber Euer Exzellenz im Hinblick auf die<lb/> hervorragende und maßgebende Stellung des Schreibers melden zu sollen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_172"> Bern, den 8. März 191«.</p><lb/> <p xml:id="ID_173"> Von einer politisch realisierbaren Friedensgeneigtheit maßgebender<lb/> Faktoren ist in keinem der Länder des Vierverbandes die Rede. Der in seinem<lb/> Ernst beachtenswerte Ton, auf den die letzten Kundgebungen leitender englischer<lb/> und russischer Staatsmänner gestimmt waren, kann dadurch, das; die deutsche<lb/> Presse diese Reden als Kapriolen behandelt, nicht an Bedeutung verlieren.<lb/> England ist vom Frieden weiter entfernt als je, dafür spricht gleichmüßig die<lb/> Haltung seines Parlaments wie seiner Presse und darüber lassen meine Berner<lb/> Nachrichten einen Zweifel nicht zu. Rußland ist ebenfalls überzeugt, seiue Lage<lb/> verbessern zu können, wenn es durchhält. Italien glaubt nach wie vor seinen<lb/> Interessen am besten zu dienen, wenn es unter möglichster Vermeidung von<lb/> eigenen Opfern für die Sache des Vierverbandes seinen Krieg gegen Österreich-<lb/> Ungarn weiterführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_174"> Frankreich steht, wie ich bereits früher berichtete, seit Anfang Januar im<lb/> Zeichen einer latenten Regierungskrisis. Die Stellung des Kabinetts Briand<lb/> hat sich durch den mehr und mehr offenkundig gewordenen Mißerfolg der Rom¬<lb/> reise des Ministerpräsidenten verschlechtert, und wenn das Ministerium nicht<lb/> heute schon gestürzt ist, so dankt es dies in erster Linie den Ereignissen vor Verdun,<lb/> die den Geist der nationalen Geschlossenheit in bewunderungswürdiger Weise<lb/> neu belebt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_175"> Der Fall Verbums würde jedoch nicht genügen, um die militärische Wider¬<lb/> standskraft Frankreichs zu brechen. Frankreich wird sich nur uuter dem Druck<lb/> einer katastrophalen Niederlage, unter der Nachwirkung von Schlachten, die die<lb/> Vernichtung der französischen Armee bedeuten würden, zumFrieden entschließen.<lb/> Eine derartige Initiative Frankreichs wird sich jedoch nach der Überzeugung<lb/> meiner Berner Freunde nie in der Linie eines Separatfriedens bewegen, sondern<lb/> höchstens in der Richtung der Herbeiführung eines gemeinsamen Schrittes der<lb/> Verbündeten einsetzen. Ich warne eindringlich vor einer Überschätzung der<lb/> Wirkung, die der etwaige Verlust Verbums auf die französische Mentalität<lb/> äußern würde. Deutschland muß sich hüten, in der Einnahme von Verdun mehr<lb/> als einen bedeutungsvollen Schritt auf dem Weg zum Sieg zu erblicken. Sollte<lb/> man an einen solchen Erfolg dagegen Friedenshoffnungen knüpfen, so würde<lb/> dies nach meinen Informationen noch verfrüht sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_176"> Bern, den M März 1!>16,</p><lb/> <p xml:id="ID_177" next="#ID_178"> Die Erklärungen, die Herr Asquith im englischen Unterhause über die Auf¬<lb/> gaben der demnächst in Paris zusammentretender wirtschaftspolitischen Konferenz<lb/> des Vierverbandes abgegeben hat, haben erkennen lassen, daß das Projekt einer<lb/> den Krieg überdauernden wirtschaftspolitischen Koalition der Signatarmächte des<lb/> Londoner Abkommens mehr und mehr greifbare Gestalt annehme. Die Aufnahme,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
gefahren sei, werde trachten, auf dem Weg eines Separatfriedens mit einem
blauen Auge davonzukommen. Ich bin nicht in der Lage, die Nichtigkeit dieser
Mitteilung zu kontrollieren, glaube sie aber Euer Exzellenz im Hinblick auf die
hervorragende und maßgebende Stellung des Schreibers melden zu sollen.
Bern, den 8. März 191«.
Von einer politisch realisierbaren Friedensgeneigtheit maßgebender
Faktoren ist in keinem der Länder des Vierverbandes die Rede. Der in seinem
Ernst beachtenswerte Ton, auf den die letzten Kundgebungen leitender englischer
und russischer Staatsmänner gestimmt waren, kann dadurch, das; die deutsche
Presse diese Reden als Kapriolen behandelt, nicht an Bedeutung verlieren.
England ist vom Frieden weiter entfernt als je, dafür spricht gleichmüßig die
Haltung seines Parlaments wie seiner Presse und darüber lassen meine Berner
Nachrichten einen Zweifel nicht zu. Rußland ist ebenfalls überzeugt, seiue Lage
verbessern zu können, wenn es durchhält. Italien glaubt nach wie vor seinen
Interessen am besten zu dienen, wenn es unter möglichster Vermeidung von
eigenen Opfern für die Sache des Vierverbandes seinen Krieg gegen Österreich-
Ungarn weiterführt.
Frankreich steht, wie ich bereits früher berichtete, seit Anfang Januar im
Zeichen einer latenten Regierungskrisis. Die Stellung des Kabinetts Briand
hat sich durch den mehr und mehr offenkundig gewordenen Mißerfolg der Rom¬
reise des Ministerpräsidenten verschlechtert, und wenn das Ministerium nicht
heute schon gestürzt ist, so dankt es dies in erster Linie den Ereignissen vor Verdun,
die den Geist der nationalen Geschlossenheit in bewunderungswürdiger Weise
neu belebt haben.
Der Fall Verbums würde jedoch nicht genügen, um die militärische Wider¬
standskraft Frankreichs zu brechen. Frankreich wird sich nur uuter dem Druck
einer katastrophalen Niederlage, unter der Nachwirkung von Schlachten, die die
Vernichtung der französischen Armee bedeuten würden, zumFrieden entschließen.
Eine derartige Initiative Frankreichs wird sich jedoch nach der Überzeugung
meiner Berner Freunde nie in der Linie eines Separatfriedens bewegen, sondern
höchstens in der Richtung der Herbeiführung eines gemeinsamen Schrittes der
Verbündeten einsetzen. Ich warne eindringlich vor einer Überschätzung der
Wirkung, die der etwaige Verlust Verbums auf die französische Mentalität
äußern würde. Deutschland muß sich hüten, in der Einnahme von Verdun mehr
als einen bedeutungsvollen Schritt auf dem Weg zum Sieg zu erblicken. Sollte
man an einen solchen Erfolg dagegen Friedenshoffnungen knüpfen, so würde
dies nach meinen Informationen noch verfrüht sein.
Bern, den M März 1!>16,
Die Erklärungen, die Herr Asquith im englischen Unterhause über die Auf¬
gaben der demnächst in Paris zusammentretender wirtschaftspolitischen Konferenz
des Vierverbandes abgegeben hat, haben erkennen lassen, daß das Projekt einer
den Krieg überdauernden wirtschaftspolitischen Koalition der Signatarmächte des
Londoner Abkommens mehr und mehr greifbare Gestalt annehme. Die Aufnahme,
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