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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Briefe aus Sowjetrußland Juni ,920

. Loge. Nicht nur dies. Sie hat gerade in dieser Zeit internationaler Wirren die
Geschlossenheit ihrer Organisation bewährt. Der Großorient Paris dirigiert im
Verfolg seiner revolutionären und atheistischen Ideale alle Länder, in denen die
Loge offen oder heimlich Fuß fassen konnte, mit fast unbeirrbarer Zielsicherheit.
Die Ententefreimaurerei hat es hauptsächlich durch ihre Presse bisher vortrefflich
verstanden, nach dem Grundsatz des Verbrechers, der ruft: "Haltet den Dieb", die
Aufmerksamkeit der regierenden Kreise aller Länder von sich und auf die Staats¬
gefährlichkeit der katholischen Kirche und wo es notwendig war, auch des Sozialtsmus,
hinzuweisen. Was wir aber bis jetzt und von den Fühlern und Fäden erfahren
haben, die vom Großorient Paris aus nach London, nach Rom, nach Athen, nach
Bukarest und nach Konstantinopel gehen, das zeigt wahrhaftig, welche Organisation
internationalen Charakters die tatsächlich gefährliche ist. Und man wird aus dieser
Erkenntnis doch Wohl die Schlußfolgerung ziehen müssen, daß das Staatsinteresse
es gebietet, diese Organisation und ihre internationalen Zusammenhänge auch
künftighin einer scharfen Kontrolle zu unterstellen und sich auch für die Zeit nach
dem Krieg einen genauen Überblick über die jeweiligen Ziele und Bestrebungen der
Ententefreimaurerei zu sichern.




Briefe aus ^owjetrußland Juni 5920
- . * von

Wir freuen uns, den Lesern der "Grenzboten" Briefe eines deutschen
Delegierten aus Moskau mitteilen zu können. Der Name des Ver¬
fassers und eine Reihe von persönlichen und dienstlichen Angaben
muß zurückgehalten werden. Trotzdem dürfte das im folgenden Ab¬
geknickte zum anschaulichsten gehören, was heute aus dem Sowjet¬
D. R. land zu uns dringt.

er erste Eindruck von Petersburg und Moskau war seiner Zeit, da ich
gerade zur Schneeschmelze ankam, einfach unbeschreiblich. Auf den
Trottoiren sank man bis an die Knöchel in den Schmutz. Auf der
Straße selbst konnten Fuhrwerke gar nicht fahren; denn vor manchen
Häusern war das Eis bereits weggeschafft, während es wohl vor
den meisten noch nicht gesäubert war, so daß sich auf den Straßen Löcher und
tischhohe Erhöhungen gebildet hatten, über die selbst Fußgänger immerwährend
springen mußten. Wer Mcskau und Petersburg seit 2 Jahren nicht mehr gesehen
hat, wird sehr erstaunt sein durch die Unmasse abgerissener Häuser. Man hat in
beiden Städten Tausende von Holzhäusern und Holzvillen abgerissen und während
des letzten Winters verbrannt. Viele Straßen gleichen demnach einen. Frontbild.
Man hat die Holzteile der Häuser utiltsiert, während Backsteinhaufen und kahle
Ofen nachgeblieben sind.

Gleich am nächsten Tage nach meiner Ankunft ging ich in das Auswärtige Amt,
um meine Papiere prüfen zu lassen, damit ich von der Sowjetregierung Unsere-


Briefe aus Sowjetrußland Juni ,920

. Loge. Nicht nur dies. Sie hat gerade in dieser Zeit internationaler Wirren die
Geschlossenheit ihrer Organisation bewährt. Der Großorient Paris dirigiert im
Verfolg seiner revolutionären und atheistischen Ideale alle Länder, in denen die
Loge offen oder heimlich Fuß fassen konnte, mit fast unbeirrbarer Zielsicherheit.
Die Ententefreimaurerei hat es hauptsächlich durch ihre Presse bisher vortrefflich
verstanden, nach dem Grundsatz des Verbrechers, der ruft: „Haltet den Dieb", die
Aufmerksamkeit der regierenden Kreise aller Länder von sich und auf die Staats¬
gefährlichkeit der katholischen Kirche und wo es notwendig war, auch des Sozialtsmus,
hinzuweisen. Was wir aber bis jetzt und von den Fühlern und Fäden erfahren
haben, die vom Großorient Paris aus nach London, nach Rom, nach Athen, nach
Bukarest und nach Konstantinopel gehen, das zeigt wahrhaftig, welche Organisation
internationalen Charakters die tatsächlich gefährliche ist. Und man wird aus dieser
Erkenntnis doch Wohl die Schlußfolgerung ziehen müssen, daß das Staatsinteresse
es gebietet, diese Organisation und ihre internationalen Zusammenhänge auch
künftighin einer scharfen Kontrolle zu unterstellen und sich auch für die Zeit nach
dem Krieg einen genauen Überblick über die jeweiligen Ziele und Bestrebungen der
Ententefreimaurerei zu sichern.




Briefe aus ^owjetrußland Juni 5920
- . * von

Wir freuen uns, den Lesern der „Grenzboten" Briefe eines deutschen
Delegierten aus Moskau mitteilen zu können. Der Name des Ver¬
fassers und eine Reihe von persönlichen und dienstlichen Angaben
muß zurückgehalten werden. Trotzdem dürfte das im folgenden Ab¬
geknickte zum anschaulichsten gehören, was heute aus dem Sowjet¬
D. R. land zu uns dringt.

er erste Eindruck von Petersburg und Moskau war seiner Zeit, da ich
gerade zur Schneeschmelze ankam, einfach unbeschreiblich. Auf den
Trottoiren sank man bis an die Knöchel in den Schmutz. Auf der
Straße selbst konnten Fuhrwerke gar nicht fahren; denn vor manchen
Häusern war das Eis bereits weggeschafft, während es wohl vor
den meisten noch nicht gesäubert war, so daß sich auf den Straßen Löcher und
tischhohe Erhöhungen gebildet hatten, über die selbst Fußgänger immerwährend
springen mußten. Wer Mcskau und Petersburg seit 2 Jahren nicht mehr gesehen
hat, wird sehr erstaunt sein durch die Unmasse abgerissener Häuser. Man hat in
beiden Städten Tausende von Holzhäusern und Holzvillen abgerissen und während
des letzten Winters verbrannt. Viele Straßen gleichen demnach einen. Frontbild.
Man hat die Holzteile der Häuser utiltsiert, während Backsteinhaufen und kahle
Ofen nachgeblieben sind.

Gleich am nächsten Tage nach meiner Ankunft ging ich in das Auswärtige Amt,
um meine Papiere prüfen zu lassen, damit ich von der Sowjetregierung Unsere-


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[0024] Briefe aus Sowjetrußland Juni ,920 . Loge. Nicht nur dies. Sie hat gerade in dieser Zeit internationaler Wirren die Geschlossenheit ihrer Organisation bewährt. Der Großorient Paris dirigiert im Verfolg seiner revolutionären und atheistischen Ideale alle Länder, in denen die Loge offen oder heimlich Fuß fassen konnte, mit fast unbeirrbarer Zielsicherheit. Die Ententefreimaurerei hat es hauptsächlich durch ihre Presse bisher vortrefflich verstanden, nach dem Grundsatz des Verbrechers, der ruft: „Haltet den Dieb", die Aufmerksamkeit der regierenden Kreise aller Länder von sich und auf die Staats¬ gefährlichkeit der katholischen Kirche und wo es notwendig war, auch des Sozialtsmus, hinzuweisen. Was wir aber bis jetzt und von den Fühlern und Fäden erfahren haben, die vom Großorient Paris aus nach London, nach Rom, nach Athen, nach Bukarest und nach Konstantinopel gehen, das zeigt wahrhaftig, welche Organisation internationalen Charakters die tatsächlich gefährliche ist. Und man wird aus dieser Erkenntnis doch Wohl die Schlußfolgerung ziehen müssen, daß das Staatsinteresse es gebietet, diese Organisation und ihre internationalen Zusammenhänge auch künftighin einer scharfen Kontrolle zu unterstellen und sich auch für die Zeit nach dem Krieg einen genauen Überblick über die jeweiligen Ziele und Bestrebungen der Ententefreimaurerei zu sichern. Briefe aus ^owjetrußland Juni 5920 - . * von Wir freuen uns, den Lesern der „Grenzboten" Briefe eines deutschen Delegierten aus Moskau mitteilen zu können. Der Name des Ver¬ fassers und eine Reihe von persönlichen und dienstlichen Angaben muß zurückgehalten werden. Trotzdem dürfte das im folgenden Ab¬ geknickte zum anschaulichsten gehören, was heute aus dem Sowjet¬ D. R. land zu uns dringt. er erste Eindruck von Petersburg und Moskau war seiner Zeit, da ich gerade zur Schneeschmelze ankam, einfach unbeschreiblich. Auf den Trottoiren sank man bis an die Knöchel in den Schmutz. Auf der Straße selbst konnten Fuhrwerke gar nicht fahren; denn vor manchen Häusern war das Eis bereits weggeschafft, während es wohl vor den meisten noch nicht gesäubert war, so daß sich auf den Straßen Löcher und tischhohe Erhöhungen gebildet hatten, über die selbst Fußgänger immerwährend springen mußten. Wer Mcskau und Petersburg seit 2 Jahren nicht mehr gesehen hat, wird sehr erstaunt sein durch die Unmasse abgerissener Häuser. Man hat in beiden Städten Tausende von Holzhäusern und Holzvillen abgerissen und während des letzten Winters verbrannt. Viele Straßen gleichen demnach einen. Frontbild. Man hat die Holzteile der Häuser utiltsiert, während Backsteinhaufen und kahle Ofen nachgeblieben sind. Gleich am nächsten Tage nach meiner Ankunft ging ich in das Auswärtige Amt, um meine Papiere prüfen zu lassen, damit ich von der Sowjetregierung Unsere-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/24>, abgerufen am 24.08.2024.