Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Der Lanossagang der deutschen Sozialdemokratie auch an dessen Ausbruch". "Nicht nur die deutschen Militaristen, sondern die Dieselbe Haltung hat die sozialdemokratische Partei gegenüber dem Als die Unterschrift dann doch erzwungen wurde, und Hermann Müller . Angesichts dieser klaren und festen Stellungnahme der deutschen Mehrheits¬ Der Lanossagang der deutschen Sozialdemokratie auch an dessen Ausbruch". „Nicht nur die deutschen Militaristen, sondern die Dieselbe Haltung hat die sozialdemokratische Partei gegenüber dem Als die Unterschrift dann doch erzwungen wurde, und Hermann Müller . Angesichts dieser klaren und festen Stellungnahme der deutschen Mehrheits¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337875"/> <fw type="header" place="top"> Der Lanossagang der deutschen Sozialdemokratie</fw><lb/> <p xml:id="ID_829" prev="#ID_828"> auch an dessen Ausbruch". „Nicht nur die deutschen Militaristen, sondern die<lb/> Militaristen von ganz Europa tragen die Schuld am Kriege". Ja, Müller<lb/> betonte noch: „Der für den Krieg ausschlaggebende Faktor war die russische<lb/> Mobilmachung". Und er warf in diesem Zusammenhang die bedeutsame Frage<lb/> auf, ob wohl die französischen und englischen Diplomaten alles getan hätten, um<lb/> diese verhängnisvolle Mobilmachung zu verhindern! Von einem noch so entfernten<lb/> eigenen Schuldbekenntnis der Mehrheitssozialisten war in den mannhaften Worten<lb/> Hermann Müllers ebensowenig etwas zu spüren, wie in der Rede von Otto Wels,<lb/> der vielmehr der von den französischen Sozialisten versuchten „Rrandmarkung"<lb/> der deutschen Sozialdemokratie in schärfster Weise entgegentrat. Auch die von<lb/> den Mehrheitssozialisten in Bern eingebrachte Resolution lehnte jede Mitverant¬<lb/> wortung der deutschen Sozialdemokratie für den Ausbruch und die Führung des<lb/> Krieges rundweg ab. „Wir haben den Krieg nicht gewollt und nicht geführt".</p><lb/> <p xml:id="ID_830"> Dieselbe Haltung hat die sozialdemokratische Partei gegenüber dem<lb/> Verlangen der Entente eingenommen, daß Deutschland seine Schuld und Ver¬<lb/> antwortung in dem Versailler Friedensverträge mit seiner Unterschrift anerkennen<lb/> solle. Als eine dem deutschen Volke zugemutete Ehrlosigkeit hat Scheidemann<lb/> dieses Verlangen als Ministerpräsident gebrandmarkt. Und Scheidemanns Nach¬<lb/> folger Bauer hat bei der schicksalsschweren Beratung des Friedensvertrages in<lb/> der Nationalversammlung am 22. Juni 1919, nicht zuletzt im Namen der Sozial¬<lb/> demokratie erklärt, daß Artikel 231 des Vertrages, durch den sich Deutschland als<lb/> alleinigen Urheber des Krieges bekennen sollte, nun und nimmer unterschrieben<lb/> werden könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_831"> Als die Unterschrift dann doch erzwungen wurde, und Hermann Müller<lb/> seinen Namen unter das Friedensinstrument setzte, hat das an der inneren<lb/> Selbstbehauptung der Sozialdemokratie nichts ändern können. Wenigstens war<lb/> Hie Haltung der Partei auf den sozialistischen Kongressen in Antwerpen und in<lb/> Luzern im Juli und August 1919 leine andere als in Bern. Mit Entrüstung hat<lb/> es Legten, der Vorsitzende des (alten) Internationalen Gewerkschaftsbundes, von<lb/> sich gewiesen, in Antwerpen die deutschen Arbeiter und die deutschen Gewerkschaften<lb/> für kriegsschuldig, oder auch nur für mitschuldig an den Maßregelungen und<lb/> Deportationen der belgischen Arbeiterschaft während der Kriegszeit zu erklären,'<lb/> sie seien ebensowenig kriegsschuldig wie die Arbeiter Englands, Frankreichs oder<lb/> irgend eines anderen Landes.</p><lb/> <p xml:id="ID_832" next="#ID_833"> . Angesichts dieser klaren und festen Stellungnahme der deutschen Mehrheits¬<lb/> sozialdemokratie durfte erwartet werden, daß sie ihre volle Selbstbehauptung auch<lb/> gegenüber neuen Zumutungen aufrecht zu halten wissen würde, die für den Zu¬<lb/> sammentritt des jüngsten Genfer Internationalen Sozialistenkongresses vorher¬<lb/> zusehen waren. Mit Fug hätten ihre Delegierten diesmal eine neue Erörterung<lb/> der Schuldfrage, für die namentlich die Engländer jedes Interesse verloren hatten,<lb/> ablehnen können; und sie würden auch den französischen Sozialisten gegenüber damit<lb/> um so mehr durchgedrungen sein, als in Genf nur ein Grüppchen französischer<lb/> rationalistischer Sozialisten vertreten war, deren Anerkennung durch den Kongreß<lb/> zweifelhaft genug schien. Diesen Pseudosozialisten gegenüber, die in einer eigens<lb/> mitgebrachten Anklageschrift von der „niederträchtigen Politik" der deutschen Sozial-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Der Lanossagang der deutschen Sozialdemokratie
auch an dessen Ausbruch". „Nicht nur die deutschen Militaristen, sondern die
Militaristen von ganz Europa tragen die Schuld am Kriege". Ja, Müller
betonte noch: „Der für den Krieg ausschlaggebende Faktor war die russische
Mobilmachung". Und er warf in diesem Zusammenhang die bedeutsame Frage
auf, ob wohl die französischen und englischen Diplomaten alles getan hätten, um
diese verhängnisvolle Mobilmachung zu verhindern! Von einem noch so entfernten
eigenen Schuldbekenntnis der Mehrheitssozialisten war in den mannhaften Worten
Hermann Müllers ebensowenig etwas zu spüren, wie in der Rede von Otto Wels,
der vielmehr der von den französischen Sozialisten versuchten „Rrandmarkung"
der deutschen Sozialdemokratie in schärfster Weise entgegentrat. Auch die von
den Mehrheitssozialisten in Bern eingebrachte Resolution lehnte jede Mitverant¬
wortung der deutschen Sozialdemokratie für den Ausbruch und die Führung des
Krieges rundweg ab. „Wir haben den Krieg nicht gewollt und nicht geführt".
Dieselbe Haltung hat die sozialdemokratische Partei gegenüber dem
Verlangen der Entente eingenommen, daß Deutschland seine Schuld und Ver¬
antwortung in dem Versailler Friedensverträge mit seiner Unterschrift anerkennen
solle. Als eine dem deutschen Volke zugemutete Ehrlosigkeit hat Scheidemann
dieses Verlangen als Ministerpräsident gebrandmarkt. Und Scheidemanns Nach¬
folger Bauer hat bei der schicksalsschweren Beratung des Friedensvertrages in
der Nationalversammlung am 22. Juni 1919, nicht zuletzt im Namen der Sozial¬
demokratie erklärt, daß Artikel 231 des Vertrages, durch den sich Deutschland als
alleinigen Urheber des Krieges bekennen sollte, nun und nimmer unterschrieben
werden könne.
Als die Unterschrift dann doch erzwungen wurde, und Hermann Müller
seinen Namen unter das Friedensinstrument setzte, hat das an der inneren
Selbstbehauptung der Sozialdemokratie nichts ändern können. Wenigstens war
Hie Haltung der Partei auf den sozialistischen Kongressen in Antwerpen und in
Luzern im Juli und August 1919 leine andere als in Bern. Mit Entrüstung hat
es Legten, der Vorsitzende des (alten) Internationalen Gewerkschaftsbundes, von
sich gewiesen, in Antwerpen die deutschen Arbeiter und die deutschen Gewerkschaften
für kriegsschuldig, oder auch nur für mitschuldig an den Maßregelungen und
Deportationen der belgischen Arbeiterschaft während der Kriegszeit zu erklären,'
sie seien ebensowenig kriegsschuldig wie die Arbeiter Englands, Frankreichs oder
irgend eines anderen Landes.
. Angesichts dieser klaren und festen Stellungnahme der deutschen Mehrheits¬
sozialdemokratie durfte erwartet werden, daß sie ihre volle Selbstbehauptung auch
gegenüber neuen Zumutungen aufrecht zu halten wissen würde, die für den Zu¬
sammentritt des jüngsten Genfer Internationalen Sozialistenkongresses vorher¬
zusehen waren. Mit Fug hätten ihre Delegierten diesmal eine neue Erörterung
der Schuldfrage, für die namentlich die Engländer jedes Interesse verloren hatten,
ablehnen können; und sie würden auch den französischen Sozialisten gegenüber damit
um so mehr durchgedrungen sein, als in Genf nur ein Grüppchen französischer
rationalistischer Sozialisten vertreten war, deren Anerkennung durch den Kongreß
zweifelhaft genug schien. Diesen Pseudosozialisten gegenüber, die in einer eigens
mitgebrachten Anklageschrift von der „niederträchtigen Politik" der deutschen Sozial-
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