Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling Billigung, wenn nicht vielleicht auf Anregung der Zensur hervorhebt, mit den Luzern, den 23. April 1917 Im Vordergrund des Interesses steht hier in der Schweiz die großzügige Art, Bern, den 29. April 1917 Die nachgerade an Nervosität gemahnende Art, in der Österreich-Ungarn sein Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling Billigung, wenn nicht vielleicht auf Anregung der Zensur hervorhebt, mit den Luzern, den 23. April 1917 Im Vordergrund des Interesses steht hier in der Schweiz die großzügige Art, Bern, den 29. April 1917 Die nachgerade an Nervosität gemahnende Art, in der Österreich-Ungarn sein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337871"/> <fw type="header" place="top"> Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling</fw><lb/> <p xml:id="ID_816" prev="#ID_815"> Billigung, wenn nicht vielleicht auf Anregung der Zensur hervorhebt, mit den<lb/> Friedensfragen zusammen. Man gibt sich in Wien gar keine Mühe, sein Friedens¬<lb/> bedürfnis zu verhehlen. Wenn diesem Verhalten positive Ergebnisse bereits<lb/> gepflogener Verhandlungen zugrunde liegen, ist es verständlich. Im anderen<lb/> Falle ist es unverständlich und kann unsere ohnehin nicht sehr starke Position<lb/> nur verschlechtern.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_817"> Luzern, den 23. April 1917</p><lb/> <p xml:id="ID_818"> Im Vordergrund des Interesses steht hier in der Schweiz die großzügige Art,<lb/> in der Amerika, wie schon so manch andere Dinge, nun auch seine Intervention<lb/> anpackt. Ich hatte in den letzten Wochen wiederholt Gelegenheit, die Darlegungen<lb/> eines großen amerikanischen Geschäftsmannes, dessen Deutschfreundlichkeit nach ver¬<lb/> lässiger Auskunft über jedem Zweifel steht, über die Stimmung und Absichten<lb/> Amerikas zu hören. Seine Auffassung deckt sich vollkommen mit dem, was ich von<lb/> einer anderen, der amerikanischen Gesandtschaft Bern nahestehenden Seite, erfahre.<lb/> Der Mann steht zur Hochfinanz aller Ententeländer in geschäftlichen Beziehungen<lb/> und was er ausführt, erweckt den bedauerlichen Eindruck, daß man bei uns, wie<lb/> bisher so ziemlich jedes Land, auch Amerika wieder einmal gründlich unterschätzt<lb/> hat. Es sind nicht nur militärische Sorgen, sondern solche wirtschaftlicher Natur,<lb/> die die Intervention Amerikas uns allem Anschein nach bereiten wird. Abgesehen<lb/> von den bereits beschlagnahmten Schiffen, zu denen als Begleiterscheinung wohl<lb/> auch die gleichen Maßnahmen südamerikanischer Staaten zu rechnen sind, sind starke<lb/> Verluste deswegen zu befürchten, weil Amerika, falls der Krieg eine gewisse Zeit<lb/> noch dauern sollte und falls wir in wachsendem Maße amerikanische Schiffe zer¬<lb/> stören sollten, sich durch Beschlagnahme all der beträchtlichen Mengen von Rohstoffen<lb/> schadlos zu halten gedenkt, die die deutsche Industrie und der deutsche Großhandel<lb/> sich in der leider bereits öfters getäuschten Hoffnung eines baldigen Friedens¬<lb/> schlusses in Amerika gesichert hatten. Hinzu kommt, daß die Entente in ihren dem-<lb/> nächstigen wirtschaftlichen Abmachungen mit Amerika es als erste Bedingung zu<lb/> erklären beabsichtigt, daß Amerika sich verpflichte, nach dem Krieg zuerst an die<lb/> Länder der Entente und dann erst an die Zentralmächte und ihre Verbündeten<lb/> Rohstoffe zu liefern. Die Wirkungen dieser Maßnahme auf unser Wirtschaftsleben<lb/> und auf die Wiederaufnahme unserer industriellen Tätigkeit sind schwer abzusehen;<lb/> immerhin aber ist jetzt schon fraglich, ob sie das Plus an zerstörten Schiffen auf¬<lb/> wiegen, das wir bisher durch die Verschärfung des Unterseebootskrieges erzielen<lb/> haben können.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_819"> Bern, den 29. April 1917</p><lb/> <p xml:id="ID_820" next="#ID_821"> Die nachgerade an Nervosität gemahnende Art, in der Österreich-Ungarn sein<lb/> Friedensbedürfnis der Welt kundgibt, macht auch in dem uns günstig gesinnten<lb/> neutralen Ausland einen schlechten Eindruck. Das Gelöbnis Kaiser Karls, im<lb/> Falle der Erreichung des Friedens eine Kirche zu bauen, wird von unseren Feinden<lb/> nicht vom religiösen, sondern ausschließlich vom politischen Standpunkt aus gewertet<lb/> und als Zeichen äußerster Schwäche gedeutet. Was man an amtlichen und nichtamt¬<lb/> lichen Kundgebungen in der österreichisch-ungarischen Presse zum gleichen Gegen¬<lb/> stand liest, ist nicht dazu angetan, unseren Gegnern einen besseren Begriff von der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling
Billigung, wenn nicht vielleicht auf Anregung der Zensur hervorhebt, mit den
Friedensfragen zusammen. Man gibt sich in Wien gar keine Mühe, sein Friedens¬
bedürfnis zu verhehlen. Wenn diesem Verhalten positive Ergebnisse bereits
gepflogener Verhandlungen zugrunde liegen, ist es verständlich. Im anderen
Falle ist es unverständlich und kann unsere ohnehin nicht sehr starke Position
nur verschlechtern.
Luzern, den 23. April 1917
Im Vordergrund des Interesses steht hier in der Schweiz die großzügige Art,
in der Amerika, wie schon so manch andere Dinge, nun auch seine Intervention
anpackt. Ich hatte in den letzten Wochen wiederholt Gelegenheit, die Darlegungen
eines großen amerikanischen Geschäftsmannes, dessen Deutschfreundlichkeit nach ver¬
lässiger Auskunft über jedem Zweifel steht, über die Stimmung und Absichten
Amerikas zu hören. Seine Auffassung deckt sich vollkommen mit dem, was ich von
einer anderen, der amerikanischen Gesandtschaft Bern nahestehenden Seite, erfahre.
Der Mann steht zur Hochfinanz aller Ententeländer in geschäftlichen Beziehungen
und was er ausführt, erweckt den bedauerlichen Eindruck, daß man bei uns, wie
bisher so ziemlich jedes Land, auch Amerika wieder einmal gründlich unterschätzt
hat. Es sind nicht nur militärische Sorgen, sondern solche wirtschaftlicher Natur,
die die Intervention Amerikas uns allem Anschein nach bereiten wird. Abgesehen
von den bereits beschlagnahmten Schiffen, zu denen als Begleiterscheinung wohl
auch die gleichen Maßnahmen südamerikanischer Staaten zu rechnen sind, sind starke
Verluste deswegen zu befürchten, weil Amerika, falls der Krieg eine gewisse Zeit
noch dauern sollte und falls wir in wachsendem Maße amerikanische Schiffe zer¬
stören sollten, sich durch Beschlagnahme all der beträchtlichen Mengen von Rohstoffen
schadlos zu halten gedenkt, die die deutsche Industrie und der deutsche Großhandel
sich in der leider bereits öfters getäuschten Hoffnung eines baldigen Friedens¬
schlusses in Amerika gesichert hatten. Hinzu kommt, daß die Entente in ihren dem-
nächstigen wirtschaftlichen Abmachungen mit Amerika es als erste Bedingung zu
erklären beabsichtigt, daß Amerika sich verpflichte, nach dem Krieg zuerst an die
Länder der Entente und dann erst an die Zentralmächte und ihre Verbündeten
Rohstoffe zu liefern. Die Wirkungen dieser Maßnahme auf unser Wirtschaftsleben
und auf die Wiederaufnahme unserer industriellen Tätigkeit sind schwer abzusehen;
immerhin aber ist jetzt schon fraglich, ob sie das Plus an zerstörten Schiffen auf¬
wiegen, das wir bisher durch die Verschärfung des Unterseebootskrieges erzielen
haben können.
Bern, den 29. April 1917
Die nachgerade an Nervosität gemahnende Art, in der Österreich-Ungarn sein
Friedensbedürfnis der Welt kundgibt, macht auch in dem uns günstig gesinnten
neutralen Ausland einen schlechten Eindruck. Das Gelöbnis Kaiser Karls, im
Falle der Erreichung des Friedens eine Kirche zu bauen, wird von unseren Feinden
nicht vom religiösen, sondern ausschließlich vom politischen Standpunkt aus gewertet
und als Zeichen äußerster Schwäche gedeutet. Was man an amtlichen und nichtamt¬
lichen Kundgebungen in der österreichisch-ungarischen Presse zum gleichen Gegen¬
stand liest, ist nicht dazu angetan, unseren Gegnern einen besseren Begriff von der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |