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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling

Geistlichkeit einen gewissen Einfluß hat, eine ausgerechnet mit lauter Protestanten
besetzte Botschaft nicht gerade den wünschenswerten Zustund darstellt.




Lugano, den 17. Februar 1917.

Ich darf vertraulich melden, daß ich neulich Gelegenheit hatte, mich über
die in engstem Kreise ausgesprochene Hausmeinung eines angesehenen öster¬
reichisch-ungarischen Diplomaten zur Lage der Donaumonarchie zu informieren.
Die Anschauung dieses Herrn stellt die formelle Bekräftigung der uns auch
schon von anderer Seite zugegangenen Nachricht dar, daß das junge Kaiserpaar
den Frieden geradezu ersehnt und daß bis in diese allerhöchsten Sphären hinauf
der Gedanke mehr und mehr Platz greift: "Wir, Österreich-Ungarn, sind bereit,
Opfer zu bringen, um den Frieden zu ermöglichen: es müssen aber auch die
anderen, die Deutschen, Opfer bringen", wobei unverhohlen Elsaß-Lothringen
genannt wird.

Diese Stimmungsberichte mehren sich in zu auffälliger Weise, als daß
man achtlos an ihnen vorübergehen dürfte.

Die weitere Entwicklung unseres Verhältnisses zu Amerika wird in politi¬
schen und diplomatischen Kreisen von Bern, von wo ich komme, ziemlich pessimi¬
stisch beurteilt, wobei nicht verhehlt wird, daß unser verunglückter Versuch,
hintenherum wieder anzubandeln, nicht gerade den Anschein von Stärke er¬
weckt hat. Was helfen Deutschland alle Opfer, was alle Leistungen unserer
Armee, was alle Wundertäter unserer Marine, wenn unser politisches Prestige
derart verkrümelt wird. Daß der Gesandte der Eidgenossenschaft in Washington
auf eigene Faust den vsus <zx laaekina habe spielen und die Vermittlung zwischen
vor dem Kriege stehenden Großmächten habe in die Hand nehmen wollen, das
glaubt im Auslande, auf dessen Urteil in Prestigefragen es schließlich doch auch
ankommt, niemand und auch in Deutschland nur der durch weitere Nachrichten
nicht beschwerte Spießbürger.




Zürich, den 23. Februar 1917

Die Euer Exzellenz in meinem gehorsamsten Bericht vom 15. Januar 1917
unterbreitete Meldung, daß in politischen Kreisen Beruf das voraussichtliche
Ergebnis der englischen Anleihe auf 50 Milliarden Franken geschätzt wird, hat
durch das inzwischen bekanntgegebene Resultat der Anleihe ihre volle Bestätigung
gefunden. Diese an sich gewaltige Leistung hat jedoch in Paris immerhin eine
gewisse Enttäuschung hervorgerufen. Die bisherigen Äußerungen der Presse
lassen erkennen, daß man in den Kreisen der Hochfinanz mehr Neugeld und
Weniger Konversionstitel erwartet hatte. Immerhin bleibt bestehen, daß das
englische Volk binnen vier Wochen 50 Milliarden Franken aus den Taschen
gezogen hat, eine Tatsache, die der Prophetengabe deutscher Finanzautoritäten,
die im Jahre 1915 unwidersprochen für den Sommer 1916 den finanziellen und
wirtschaftlichen Zusammenbruch Englands proklamierten, ein nicht gerade glänzendes
Z



Luzern, den 20. März 1917

Ober die politische Gesamtlage ist in diesen Tagen sich überstürzender
Ereignisse nichts zu melden, was nicht aus den Mitteilungen der Presse ersichtlich


Grenzboten III 1920 12
Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling

Geistlichkeit einen gewissen Einfluß hat, eine ausgerechnet mit lauter Protestanten
besetzte Botschaft nicht gerade den wünschenswerten Zustund darstellt.




Lugano, den 17. Februar 1917.

Ich darf vertraulich melden, daß ich neulich Gelegenheit hatte, mich über
die in engstem Kreise ausgesprochene Hausmeinung eines angesehenen öster¬
reichisch-ungarischen Diplomaten zur Lage der Donaumonarchie zu informieren.
Die Anschauung dieses Herrn stellt die formelle Bekräftigung der uns auch
schon von anderer Seite zugegangenen Nachricht dar, daß das junge Kaiserpaar
den Frieden geradezu ersehnt und daß bis in diese allerhöchsten Sphären hinauf
der Gedanke mehr und mehr Platz greift: „Wir, Österreich-Ungarn, sind bereit,
Opfer zu bringen, um den Frieden zu ermöglichen: es müssen aber auch die
anderen, die Deutschen, Opfer bringen", wobei unverhohlen Elsaß-Lothringen
genannt wird.

Diese Stimmungsberichte mehren sich in zu auffälliger Weise, als daß
man achtlos an ihnen vorübergehen dürfte.

Die weitere Entwicklung unseres Verhältnisses zu Amerika wird in politi¬
schen und diplomatischen Kreisen von Bern, von wo ich komme, ziemlich pessimi¬
stisch beurteilt, wobei nicht verhehlt wird, daß unser verunglückter Versuch,
hintenherum wieder anzubandeln, nicht gerade den Anschein von Stärke er¬
weckt hat. Was helfen Deutschland alle Opfer, was alle Leistungen unserer
Armee, was alle Wundertäter unserer Marine, wenn unser politisches Prestige
derart verkrümelt wird. Daß der Gesandte der Eidgenossenschaft in Washington
auf eigene Faust den vsus <zx laaekina habe spielen und die Vermittlung zwischen
vor dem Kriege stehenden Großmächten habe in die Hand nehmen wollen, das
glaubt im Auslande, auf dessen Urteil in Prestigefragen es schließlich doch auch
ankommt, niemand und auch in Deutschland nur der durch weitere Nachrichten
nicht beschwerte Spießbürger.




Zürich, den 23. Februar 1917

Die Euer Exzellenz in meinem gehorsamsten Bericht vom 15. Januar 1917
unterbreitete Meldung, daß in politischen Kreisen Beruf das voraussichtliche
Ergebnis der englischen Anleihe auf 50 Milliarden Franken geschätzt wird, hat
durch das inzwischen bekanntgegebene Resultat der Anleihe ihre volle Bestätigung
gefunden. Diese an sich gewaltige Leistung hat jedoch in Paris immerhin eine
gewisse Enttäuschung hervorgerufen. Die bisherigen Äußerungen der Presse
lassen erkennen, daß man in den Kreisen der Hochfinanz mehr Neugeld und
Weniger Konversionstitel erwartet hatte. Immerhin bleibt bestehen, daß das
englische Volk binnen vier Wochen 50 Milliarden Franken aus den Taschen
gezogen hat, eine Tatsache, die der Prophetengabe deutscher Finanzautoritäten,
die im Jahre 1915 unwidersprochen für den Sommer 1916 den finanziellen und
wirtschaftlichen Zusammenbruch Englands proklamierten, ein nicht gerade glänzendes
Z



Luzern, den 20. März 1917

Ober die politische Gesamtlage ist in diesen Tagen sich überstürzender
Ereignisse nichts zu melden, was nicht aus den Mitteilungen der Presse ersichtlich


Grenzboten III 1920 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/189>, abgerufen am 24.08.2024.