Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Bismarcks LnUaffnng lehnend gegenüber gestanden hatte, war Wilhelm der Zweite unter dem Eindruck der Das alles stand in diametralem Gegensatz zu Bismarcks Ansichten. Der Aber schon war seine Stellung erschüttert. Es war Bismarcks Leistung, Bereits unter der Einwirkung des offenen Zwiespalts zwischen Wilhelm Bismarcks LnUaffnng lehnend gegenüber gestanden hatte, war Wilhelm der Zweite unter dem Eindruck der Das alles stand in diametralem Gegensatz zu Bismarcks Ansichten. Der Aber schon war seine Stellung erschüttert. Es war Bismarcks Leistung, Bereits unter der Einwirkung des offenen Zwiespalts zwischen Wilhelm <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0008" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337245"/> <fw type="header" place="top"> Bismarcks LnUaffnng</fw><lb/> <p xml:id="ID_9" prev="#ID_8"> lehnend gegenüber gestanden hatte, war Wilhelm der Zweite unter dem Eindruck der<lb/> Erfolge Bismarcks groß geworden und zählte zu der Jugend der achtziger Jahre,<lb/> die für Bismarck, sowohl für seine Macht- wie für seine Sozialpolitik, eintrat.<lb/> Aber der Unterschied der Zeiten und der Persönlichkeiten ließ sich auf die Dauer<lb/> doch nicht ausschalten. Gerade gegenüber der Autorität, die Bismarck durch das<lb/> Schwergewicht seiner Erfolge innewohnte, empfand Wilhelm der Zweitedas Bedürfnis,<lb/> die eigene Persönlichkeit in unruhiger Vielgeschäftigkeit, reisend und redend, zur<lb/> Geltung zu bringen. Dazu kamen bald sachliche Meinungsverschiedenheiten über<lb/> die Sozialpolitik. Schon im Juni 1889 sah der Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts<lb/> von Lucanus „darin die Quelle von Schwierigkeiten pro iuturo". Im Winter<lb/> 1889/90 wurde die Frage akut. Unter dem Einfluß seiner nichtamtlichen Berater,<lb/> seines alten Erziehers Hinzpeter, eines Professors Heyden, des Oberpräsidenten<lb/> von Berlepsch wollte der Kaiser die Sozialpolitik über die Grenzen, die ihr<lb/> Bismarck gezogen hatte, hinausführen; er sah darin die soziale Aufgabe deS<lb/> preußischen Königtums, sah darin ein Mittel zur Beschwörung der sozialen Re¬<lb/> volution, die man ihm anscheinend als nahe bevorstehend geschildert hatte, sah<lb/> endlich wohl auch hier die Gelegenheit, selbständig die Richtung der Politik zu<lb/> bestimmen. Im Kronrat vom 24. Januar 1890 trug er sein Programm vor,<lb/> forderte das Staatsministerium zur Mitarbeit auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_10"> Das alles stand in diametralem Gegensatz zu Bismarcks Ansichten. Der<lb/> Revolution wollte er mit Energie, wenn es sein müsse, mit den Waffen entgegen¬<lb/> treten. Und im erweiterten Arbeiterschutz, in Sonntagsruhe und Beschränkung<lb/> der Arbeitszeit sah er lediglich unzulässige Einengungen der persönlichen Freiheit.<lb/> Um an der Ausführung des kaiserlichen Programms nicht verantwortlich mit¬<lb/> wirken zu müssen, legte er am 31. Januar das preußische Handelsministerium<lb/> nieder; Berlepsch wurde sein Nachfolger. Auch die Erlasse, in denen Wilhelm<lb/> der Zweite am 4. Februar seine Absichten verkündete, zeichnete er nicht mit. Er<lb/> erwog in diesen Tagen, sich ganz aus der inneren Verwaltung herauszuziehen<lb/> und nur die Leitung der auswärtigen Politik zu behalten, gab dann aber diesen<lb/> Gedanken als undurchführbar wieder auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_11"> Aber schon war seine Stellung erschüttert. Es war Bismarcks Leistung,<lb/> daß der Monarch in Deutschland und in Preußen, mehr zu sagen hatte als in<lb/> den Ländern des westeuropäischen Parlamentarismus, daß die Minister nicht nur<lb/> dem Namen nach, sondern in Wirklichkeit Diener der Krone waren. Um so<lb/> schmerzlicher war für ihn die Erkenntnis, daß die Minister in seinem Konflikt<lb/> mit der Krone nicht zu ihm, sondern zum Monarchen standen, auch Bötticher,<lb/> der langjährige vertraute Mitarbeiter. Daß Bötticher am 8. März den Schwarzen<lb/> Adlerorden erhielt, mußte unter diesen Umständen als beabsichtigte Kränkung<lb/> Bismarcks erscheinen. Der unmittelbare Verkehr zwischen Wilhelm dem Zweiten<lb/> und den Ministern war für Bismarck Anlaß, die Kabinettsorder von 1862 wieder<lb/> hervorzuholen, die dem Ministerpräsidenten im Interesse der Einheitlichkeit der<lb/> Negierungspolitik das Recht gab, den Vorträgen der Minister beim König beizu¬<lb/> wohnen. Aber diese Kontrolle wollte der Kaiser nicht dulden? er befahl die Auf¬<lb/> hebung der Order, Bismarck verweigerte sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_12" next="#ID_13"> Bereits unter der Einwirkung des offenen Zwiespalts zwischen Wilhelm<lb/> dem Zweiten und Bismarck hatten unterdessen am 20. Februar die Reichstags-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
Bismarcks LnUaffnng
lehnend gegenüber gestanden hatte, war Wilhelm der Zweite unter dem Eindruck der
Erfolge Bismarcks groß geworden und zählte zu der Jugend der achtziger Jahre,
die für Bismarck, sowohl für seine Macht- wie für seine Sozialpolitik, eintrat.
Aber der Unterschied der Zeiten und der Persönlichkeiten ließ sich auf die Dauer
doch nicht ausschalten. Gerade gegenüber der Autorität, die Bismarck durch das
Schwergewicht seiner Erfolge innewohnte, empfand Wilhelm der Zweitedas Bedürfnis,
die eigene Persönlichkeit in unruhiger Vielgeschäftigkeit, reisend und redend, zur
Geltung zu bringen. Dazu kamen bald sachliche Meinungsverschiedenheiten über
die Sozialpolitik. Schon im Juni 1889 sah der Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts
von Lucanus „darin die Quelle von Schwierigkeiten pro iuturo". Im Winter
1889/90 wurde die Frage akut. Unter dem Einfluß seiner nichtamtlichen Berater,
seines alten Erziehers Hinzpeter, eines Professors Heyden, des Oberpräsidenten
von Berlepsch wollte der Kaiser die Sozialpolitik über die Grenzen, die ihr
Bismarck gezogen hatte, hinausführen; er sah darin die soziale Aufgabe deS
preußischen Königtums, sah darin ein Mittel zur Beschwörung der sozialen Re¬
volution, die man ihm anscheinend als nahe bevorstehend geschildert hatte, sah
endlich wohl auch hier die Gelegenheit, selbständig die Richtung der Politik zu
bestimmen. Im Kronrat vom 24. Januar 1890 trug er sein Programm vor,
forderte das Staatsministerium zur Mitarbeit auf.
Das alles stand in diametralem Gegensatz zu Bismarcks Ansichten. Der
Revolution wollte er mit Energie, wenn es sein müsse, mit den Waffen entgegen¬
treten. Und im erweiterten Arbeiterschutz, in Sonntagsruhe und Beschränkung
der Arbeitszeit sah er lediglich unzulässige Einengungen der persönlichen Freiheit.
Um an der Ausführung des kaiserlichen Programms nicht verantwortlich mit¬
wirken zu müssen, legte er am 31. Januar das preußische Handelsministerium
nieder; Berlepsch wurde sein Nachfolger. Auch die Erlasse, in denen Wilhelm
der Zweite am 4. Februar seine Absichten verkündete, zeichnete er nicht mit. Er
erwog in diesen Tagen, sich ganz aus der inneren Verwaltung herauszuziehen
und nur die Leitung der auswärtigen Politik zu behalten, gab dann aber diesen
Gedanken als undurchführbar wieder auf.
Aber schon war seine Stellung erschüttert. Es war Bismarcks Leistung,
daß der Monarch in Deutschland und in Preußen, mehr zu sagen hatte als in
den Ländern des westeuropäischen Parlamentarismus, daß die Minister nicht nur
dem Namen nach, sondern in Wirklichkeit Diener der Krone waren. Um so
schmerzlicher war für ihn die Erkenntnis, daß die Minister in seinem Konflikt
mit der Krone nicht zu ihm, sondern zum Monarchen standen, auch Bötticher,
der langjährige vertraute Mitarbeiter. Daß Bötticher am 8. März den Schwarzen
Adlerorden erhielt, mußte unter diesen Umständen als beabsichtigte Kränkung
Bismarcks erscheinen. Der unmittelbare Verkehr zwischen Wilhelm dem Zweiten
und den Ministern war für Bismarck Anlaß, die Kabinettsorder von 1862 wieder
hervorzuholen, die dem Ministerpräsidenten im Interesse der Einheitlichkeit der
Negierungspolitik das Recht gab, den Vorträgen der Minister beim König beizu¬
wohnen. Aber diese Kontrolle wollte der Kaiser nicht dulden? er befahl die Auf¬
hebung der Order, Bismarck verweigerte sie.
Bereits unter der Einwirkung des offenen Zwiespalts zwischen Wilhelm
dem Zweiten und Bismarck hatten unterdessen am 20. Februar die Reichstags-
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