Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Die Proletarisierung der geistigen Arbeit alleiniges Angclsachsentum. Da -- kam der deutsche Zusammenbruch, und pu't Es war ein kurzer Augenblick der Bestürzung. Bald schien sich die Über¬ Die Proletarisierung der geistigen Arbeit Dr. Bruno Rauecker, Archivar im bayr. Ministerium für Soziale Fürsorge von !. Die Entlohnung eispicle sind lehrreich. Erstes Beispiel: Ein außerordentlicher Die Proletarisierung der geistigen Arbeit alleiniges Angclsachsentum. Da — kam der deutsche Zusammenbruch, und pu't Es war ein kurzer Augenblick der Bestürzung. Bald schien sich die Über¬ Die Proletarisierung der geistigen Arbeit Dr. Bruno Rauecker, Archivar im bayr. Ministerium für Soziale Fürsorge von !. Die Entlohnung eispicle sind lehrreich. Erstes Beispiel: Ein außerordentlicher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337287"/> <fw type="header" place="top"> Die Proletarisierung der geistigen Arbeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_180" prev="#ID_179"> alleiniges Angclsachsentum. Da — kam der deutsche Zusammenbruch, und pu't<lb/> der Verachtung, die sich bei einem so stolzen, treu national gesinnten Volk wie<lb/> dem japanischen widerspiegelte gegen unsere Revolutionshelden, unser demokratisches<lb/> Gewimmer, unser Katzenbuckeln vor Herrn Wilsons Richterspruch, vermischte sich<lb/> die Furcht vor der Zukunft, vor den eigenen Freunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_181"> Es war ein kurzer Augenblick der Bestürzung. Bald schien sich die Über¬<lb/> zeugung immer mehr Bahn zu brechen: Deutschland wird und muß sich erholen.<lb/> Wir wollen ihm auf die Beine zu helfen suchen, wie und wo es geht. Und dann<lb/> »vollen wir weiter sehen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Proletarisierung der geistigen Arbeit<lb/><note type="byline"> Dr. Bruno Rauecker, Archivar im bayr. Ministerium für Soziale Fürsorge</note> von</head><lb/> <div n="2"> <head> !. Die Entlohnung</head><lb/> <p xml:id="ID_182"> eispicle sind lehrreich. Erstes Beispiel: Ein außerordentlicher<lb/> Hochschulprofessor, sofern er nicht als Mediziner eins<lb/> seiner Privatpraxis, als Jurist aus gutachtlicher Tätigkeit, als<lb/> Chemiker und Physiker als Patentsachverständiger erhöhte Bezüge<lb/> empfängt, fristet in Preußen wie in Bayern aus etwa 10 000 Mark<lb/> jährlichen Einnahmen sein Leben. Hierin sind das Gehalt, die Kolleggelder,<lb/> die Teuerungszulage einbegriffen. Diese Einnahmen entsprechen den Lohn¬<lb/> bezügen eines Obermonteurs in einem leidlich entwickelten Unternehmen der<lb/> Elektrizitätsindustrie. Der Prokurist, geschweige der Direktor dieses Unter¬<lb/> nehmens, dessen Entwicklung auf Gedeih und Verderb den Forschungen der<lb/> Wissenschaft überantwortet war und ist, würde sich mit 10 000 Mark in jetziger<lb/> Zeit niemals zufrieden geben. — Die Privatdozenten (von den Ordinarien<lb/> wird ihrer zahlenmäßigen Minderbedeutung wegen nicht gesprochen) beziehen an<lb/> Kolleggeldern vielleicht die fabelhafte Summe von L00 Mark im Jahr, wenn sie<lb/> zugkräftige Vorlesungen halten, zumeist weit weniger, gelegentlich auch nichts.<lb/> Sie sind der Sauerteig der Universitäten. Sie haben zu forschen um der Forschung<lb/> willen, die ökonomische Basis ihres Lebens wird als kräftig und tragfähig genug<lb/> vorausgesetzt. Die Glücklichen unter ihnen verdienen als Assistenten in sieben-<lb/> bis achtstündiger Tätigkeit die Norm von 1500 Mark, durch Teuerungszulagen<lb/> je nach der Kopfzahl der Familie das einhalbfache bis doppelte. (Ein Vor¬<lb/> schlag zur Erhöhung der Bezüge dieser Ärmsten wurde von den Demokraten<lb/> im bayerischen Landtag nicht vor dem Oktober 1919 s!j eingebracht.) Das Durch¬<lb/> schnittsalter der Habilitation ist 28 bis 30 Jahre, die Dauer der Privatdozenten¬<lb/> zeit 8 bis 10 Jahre. Voran geht eine Studien- und Vorbereitungsfrist etwa<lb/> vom 19. bis 29. Lebensjahr, von einem Jahrzehnt, in welchem der Durchschnitts¬<lb/> arbeiter das Normale seines Lohnbezugs, der Anwärter auf den Lehrstuhl zumeist<lb/> nichts verdient!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Die Proletarisierung der geistigen Arbeit
alleiniges Angclsachsentum. Da — kam der deutsche Zusammenbruch, und pu't
der Verachtung, die sich bei einem so stolzen, treu national gesinnten Volk wie
dem japanischen widerspiegelte gegen unsere Revolutionshelden, unser demokratisches
Gewimmer, unser Katzenbuckeln vor Herrn Wilsons Richterspruch, vermischte sich
die Furcht vor der Zukunft, vor den eigenen Freunden.
Es war ein kurzer Augenblick der Bestürzung. Bald schien sich die Über¬
zeugung immer mehr Bahn zu brechen: Deutschland wird und muß sich erholen.
Wir wollen ihm auf die Beine zu helfen suchen, wie und wo es geht. Und dann
»vollen wir weiter sehen.
Die Proletarisierung der geistigen Arbeit
Dr. Bruno Rauecker, Archivar im bayr. Ministerium für Soziale Fürsorge von
!. Die Entlohnung
eispicle sind lehrreich. Erstes Beispiel: Ein außerordentlicher
Hochschulprofessor, sofern er nicht als Mediziner eins
seiner Privatpraxis, als Jurist aus gutachtlicher Tätigkeit, als
Chemiker und Physiker als Patentsachverständiger erhöhte Bezüge
empfängt, fristet in Preußen wie in Bayern aus etwa 10 000 Mark
jährlichen Einnahmen sein Leben. Hierin sind das Gehalt, die Kolleggelder,
die Teuerungszulage einbegriffen. Diese Einnahmen entsprechen den Lohn¬
bezügen eines Obermonteurs in einem leidlich entwickelten Unternehmen der
Elektrizitätsindustrie. Der Prokurist, geschweige der Direktor dieses Unter¬
nehmens, dessen Entwicklung auf Gedeih und Verderb den Forschungen der
Wissenschaft überantwortet war und ist, würde sich mit 10 000 Mark in jetziger
Zeit niemals zufrieden geben. — Die Privatdozenten (von den Ordinarien
wird ihrer zahlenmäßigen Minderbedeutung wegen nicht gesprochen) beziehen an
Kolleggeldern vielleicht die fabelhafte Summe von L00 Mark im Jahr, wenn sie
zugkräftige Vorlesungen halten, zumeist weit weniger, gelegentlich auch nichts.
Sie sind der Sauerteig der Universitäten. Sie haben zu forschen um der Forschung
willen, die ökonomische Basis ihres Lebens wird als kräftig und tragfähig genug
vorausgesetzt. Die Glücklichen unter ihnen verdienen als Assistenten in sieben-
bis achtstündiger Tätigkeit die Norm von 1500 Mark, durch Teuerungszulagen
je nach der Kopfzahl der Familie das einhalbfache bis doppelte. (Ein Vor¬
schlag zur Erhöhung der Bezüge dieser Ärmsten wurde von den Demokraten
im bayerischen Landtag nicht vor dem Oktober 1919 s!j eingebracht.) Das Durch¬
schnittsalter der Habilitation ist 28 bis 30 Jahre, die Dauer der Privatdozenten¬
zeit 8 bis 10 Jahre. Voran geht eine Studien- und Vorbereitungsfrist etwa
vom 19. bis 29. Lebensjahr, von einem Jahrzehnt, in welchem der Durchschnitts¬
arbeiter das Normale seines Lohnbezugs, der Anwärter auf den Lehrstuhl zumeist
nichts verdient!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |