Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg Krieges den Gedanken nicht aufgeben wollen, unbesiegt mit England zur Ver¬ Mancher Laie in Deutschland war während des Krieges geneigt, die Tätig¬ Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg Krieges den Gedanken nicht aufgeben wollen, unbesiegt mit England zur Ver¬ Mancher Laie in Deutschland war während des Krieges geneigt, die Tätig¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337562"/> <fw type="header" place="top"> Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1118" prev="#ID_1117"> Krieges den Gedanken nicht aufgeben wollen, unbesiegt mit England zur Ver¬<lb/> ständigung zu gelangen. Dieses Streben war von vornherein auf ein totes Gleis<lb/> geschoben. England, die ausgesprochenste Seemacht, die die Geschichte kennt, hat<lb/> lediglich deshalb zu den Waffen gegriffen, um den gefährlich werdenden Neben¬<lb/> buhler Deutschland zu vernichten. Es hatte mit klugem Vorbedacht einen Ring<lb/> von Bundesgenossen zusammengeschmiedet, so stark, wie er ihm nie wieder ge¬<lb/> lungen wäre. Nun sollte es mitten im Kampf zur Verständigung bereit sein?<lb/> Selbst als ihm im Jahre 1917 das Wasser bis an die Kehle drang, hat es solch<lb/> ein Ansinnen hochmütig zurückgewiesen. Nur zu Boden geworfen hätte England<lb/> nachgegeben. Und zu diesem letzten Schlage haben wir uns nicht aufzuraffen<lb/> vermocht. Man hat sich während des Krieges oft darüber gewundert, daß keiner<lb/> der Neutralen England die Zähne gezeigt hat, während man uns Schwierigkeiten<lb/> über Schwierigkeiten bereitete. Der Grund liegt auf der Platten Hand. Die<lb/> ganze Welt wußte es: Gewinne Deutschland den Krieg, so schließt es mit England<lb/> einen billigen Frieden, einen Frieden, der Großbritanniens Macht nicht schmälert.<lb/> Bleibt hingegen England Sieger, dann wird dem «armen deutschen Volk der letzte<lb/> Knochen im Leibe zerbrochen und der letzte Tropfen Blut aus den Adern gesogen.<lb/> So oder so, die neutrale Welt mußte mit England gehen, weil sie dort unter<lb/> allen Umstände« ihren Vorteil gesichert sah!</p><lb/> <p xml:id="ID_1119" next="#ID_1120"> Mancher Laie in Deutschland war während des Krieges geneigt, die Tätig¬<lb/> keit der Hochseeflotte gering einzuschätzen, weil man nur selten von ihr etwas zu<lb/> hören bekam. Jeden Tag erschienen Heeresberichte, aber die Marine schwieg sich<lb/> oft wochenlang aus. Solchen Skeptikern sei das Lesen des Scheerschen Buches<lb/> warm empfohlen. Sie gewinnen einen klaren Einblick in bisher verschleierte<lb/> Dinge und erfahren vor allem, mit welchen Schwierigkeiten die Marine zu<lb/> kämpfen gehabt, und wie sich auch bei ihr die Fäden der Operationen weiter-<lb/> spcnmeu, so daß auch der Seekrieg von einem planmäßigen Aufbau seiner Ma߬<lb/> nahmen sprechen darf. Nicht zutreffend ist dies nur beim Ubootkricg. Hier hat<lb/> die Entscheidung in tiefbedanerlicher Weise hin und her geschwankt wie ein vom<lb/> Sturmwind geschütteltes Rohr. Es ist über diese Frage schon unendlich viel<lb/> geschrieben worden. Die Ausfassung aller derer, die der Meinung sind, daß der<lb/> Ubootkrieg in seiner Wirkung nicht zum vollen Ausreifen hat gelangen können,<lb/> weil er mehr oder minder zaghaft und in seinen Formen unsicher und wechselnd<lb/> geführt wordeu ist, wird von Admiral Scheers Ausführungen — und er ist doch<lb/> wahrlich ein Wissender! — sehr stark gestützt. Im selben Augenblick, wo wir in<lb/> der Führung des Ubootkrieges, der als neues Kampfmittel neue Rechtsgrund¬<lb/> sätze für sich beanspruchen durfte, Zugeständnisse machten, drückten wir dem Gegner<lb/> die Beweismittel förmlich in die Hand, daß wir uns unsicher fühlten und uns<lb/> scheuten, eine Rechtsverletzung zu begehen, die in Wirklichkeit gar nicht bestand.<lb/> Durch unsere ziellose Haltung brachten wir ferner die Neutralen gegen uns auf.<lb/> Daß ihre Interessen gegen den Ubootkrieg standen, war selbstverständlich. Hätten<lb/> wir unverrückt an unserem Rcchtsstandpunkt festgehalten, dann hätten sie ihren<lb/> Einspruch aufgegeben und sich gefügt. Dadurch aber, daß wir selbst hin und her<lb/> tasteten, haben wir ihnen bei ihren Forderungen das Rückgrat gesteift und sie<lb/> zwangsläufig in das Lager unserer Feinde gedrängt. Politische Schwachheit und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg
Krieges den Gedanken nicht aufgeben wollen, unbesiegt mit England zur Ver¬
ständigung zu gelangen. Dieses Streben war von vornherein auf ein totes Gleis
geschoben. England, die ausgesprochenste Seemacht, die die Geschichte kennt, hat
lediglich deshalb zu den Waffen gegriffen, um den gefährlich werdenden Neben¬
buhler Deutschland zu vernichten. Es hatte mit klugem Vorbedacht einen Ring
von Bundesgenossen zusammengeschmiedet, so stark, wie er ihm nie wieder ge¬
lungen wäre. Nun sollte es mitten im Kampf zur Verständigung bereit sein?
Selbst als ihm im Jahre 1917 das Wasser bis an die Kehle drang, hat es solch
ein Ansinnen hochmütig zurückgewiesen. Nur zu Boden geworfen hätte England
nachgegeben. Und zu diesem letzten Schlage haben wir uns nicht aufzuraffen
vermocht. Man hat sich während des Krieges oft darüber gewundert, daß keiner
der Neutralen England die Zähne gezeigt hat, während man uns Schwierigkeiten
über Schwierigkeiten bereitete. Der Grund liegt auf der Platten Hand. Die
ganze Welt wußte es: Gewinne Deutschland den Krieg, so schließt es mit England
einen billigen Frieden, einen Frieden, der Großbritanniens Macht nicht schmälert.
Bleibt hingegen England Sieger, dann wird dem «armen deutschen Volk der letzte
Knochen im Leibe zerbrochen und der letzte Tropfen Blut aus den Adern gesogen.
So oder so, die neutrale Welt mußte mit England gehen, weil sie dort unter
allen Umstände« ihren Vorteil gesichert sah!
Mancher Laie in Deutschland war während des Krieges geneigt, die Tätig¬
keit der Hochseeflotte gering einzuschätzen, weil man nur selten von ihr etwas zu
hören bekam. Jeden Tag erschienen Heeresberichte, aber die Marine schwieg sich
oft wochenlang aus. Solchen Skeptikern sei das Lesen des Scheerschen Buches
warm empfohlen. Sie gewinnen einen klaren Einblick in bisher verschleierte
Dinge und erfahren vor allem, mit welchen Schwierigkeiten die Marine zu
kämpfen gehabt, und wie sich auch bei ihr die Fäden der Operationen weiter-
spcnmeu, so daß auch der Seekrieg von einem planmäßigen Aufbau seiner Ma߬
nahmen sprechen darf. Nicht zutreffend ist dies nur beim Ubootkricg. Hier hat
die Entscheidung in tiefbedanerlicher Weise hin und her geschwankt wie ein vom
Sturmwind geschütteltes Rohr. Es ist über diese Frage schon unendlich viel
geschrieben worden. Die Ausfassung aller derer, die der Meinung sind, daß der
Ubootkrieg in seiner Wirkung nicht zum vollen Ausreifen hat gelangen können,
weil er mehr oder minder zaghaft und in seinen Formen unsicher und wechselnd
geführt wordeu ist, wird von Admiral Scheers Ausführungen — und er ist doch
wahrlich ein Wissender! — sehr stark gestützt. Im selben Augenblick, wo wir in
der Führung des Ubootkrieges, der als neues Kampfmittel neue Rechtsgrund¬
sätze für sich beanspruchen durfte, Zugeständnisse machten, drückten wir dem Gegner
die Beweismittel förmlich in die Hand, daß wir uns unsicher fühlten und uns
scheuten, eine Rechtsverletzung zu begehen, die in Wirklichkeit gar nicht bestand.
Durch unsere ziellose Haltung brachten wir ferner die Neutralen gegen uns auf.
Daß ihre Interessen gegen den Ubootkrieg standen, war selbstverständlich. Hätten
wir unverrückt an unserem Rcchtsstandpunkt festgehalten, dann hätten sie ihren
Einspruch aufgegeben und sich gefügt. Dadurch aber, daß wir selbst hin und her
tasteten, haben wir ihnen bei ihren Forderungen das Rückgrat gesteift und sie
zwangsläufig in das Lager unserer Feinde gedrängt. Politische Schwachheit und
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