Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensvertraz gegenwärtige Ausnutzung dieser Preisvorschriften durch Frankreich insbesondere Eine weitere unerhörte Ausbeutung der Zwangslage Deutschlands bietet Unerhört belastend ist auch die Bestimmung, wonach die Kosten der Die Verpflichtungen aus dem Vertrag von Versailles müssen Deutschland Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensvertraz gegenwärtige Ausnutzung dieser Preisvorschriften durch Frankreich insbesondere Eine weitere unerhörte Ausbeutung der Zwangslage Deutschlands bietet Unerhört belastend ist auch die Bestimmung, wonach die Kosten der Die Verpflichtungen aus dem Vertrag von Versailles müssen Deutschland <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337546"/> <fw type="header" place="top"> Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensvertraz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1035" prev="#ID_1034"> gegenwärtige Ausnutzung dieser Preisvorschriften durch Frankreich insbesondere<lb/> bedeutet eine ganz grobe Ausbeutung Deutschlands.</p><lb/> <p xml:id="ID_1036"> Eine weitere unerhörte Ausbeutung der Zwangslage Deutschlands bietet<lb/> die Bestimmung, daß die Erlöse der in Deutschland durchgeführten Liqui¬<lb/> dationen zum Friedenskurse in die Auslandswährung umzurechnen sind-<lb/> Da wegen des seit Kriegsbeginn bereits sinkenden Wertes der Mark diese Erlöse<lb/> in Mark höher ausfallen mühten, als bei stabil gebliebener Währung und da gegenüber<lb/> diesen höheren Erlösen ein niedrigerer deutscher Valutastand nur die natürliche<lb/> Ausgleichung ist, liegt darin eine ganz unberechtigte Mehrbelastung, die nicht als<lb/> „Wiedergutmachung", sondern als Beraubung angesehen werden muh. Eine<lb/> besondere Entrechtung der Deutschen liegt darin, dasz die Liquidatoren deutschen<lb/> Gutes lediglich strafrechtlich verantwortlich sind, aber nicht zivilrcchtlich haftbar,<lb/> während umgekehrt die deuischcn Liquidatoren voll verantwortlich gemacht werden<lb/> können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1037"> Unerhört belastend ist auch die Bestimmung, wonach die Kosten der<lb/> Besetzung des Rheinlandes durch Deutschland zu tragen sind. Dlkse in<lb/> Auslandswährungen entstehenden Kosten, für die keine Höchstziffern festgelegt sind,<lb/> bieten bei dem gegenwärtigen Valntastaud eine ganz ungewisse Belastung. Sie<lb/> gewähren Frankreich und England die Möglichkeit, einen wesentlichen Teil der<lb/> Kosten ihres ersten Friedensjahres auf Deutschland abzuwälzen. Das ist lerne<lb/> Wiedergutmachung mehr, sondern eine nackte Kriegsentschädigung. Hierzu kommen<lb/> die Kosten des Wiedergutmachungsausschusses, welche allein für 1920 auf S00<lb/> Millionen Mark veranschlagt werden. Mit den hier aufgezeigten wichtigen<lb/> Belastungen des Deutschen Reiches aus dein Friedensvertrag ist die Summe der<lb/> Ungerechtigkeit und Unmöglichkeiten, die sich in finanzieller Hinsicht aus dem<lb/> Fnedensvertrage ergeben, noch nicht erschöpft. Es würde zu weit führen, alle<lb/> Einzelheiten hier darzulegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1038" next="#ID_1039"> Die Verpflichtungen aus dem Vertrag von Versailles müssen Deutschland<lb/> eine Wiedergutmachung unmöglich machen. Die Zahlungs- und Lieferungs-<lb/> Pflichten wirken derart, das; das Arbeitsergebnis des deutschen Volkes auf Jahr¬<lb/> sehnte zu einem wesentlichen Teil ins Ausland flicht. Ein Gegenwert wird nicht<lb/> geleistet; nur eine Gutschrift, noch dazu in meist unzureichender Hohe erfolgt auf<lb/> dem Konto der Wiedergutmachung, das aber so hoch ist. daß praktisch keine Ab-<lb/> bürdung in Aussicht steht; es fehlt dein deutschen Volk die Aussicht, durch noch<lb/> so angestrengte Arbeit seine Lage bessern zu können. Dem arbeitenden Witschen<lb/> Bürger muß aber die Negierung den Gegenwert für die hergestellten Produkt<lb/> geben. Sie kann das nur in Papier, in Banknoten oder Schuldverpflichtungen.<lb/> Die Inflation im Inland wird so immer weiter getrieben. Der Gutervorrat<lb/> der deutschen Wirtschaft vermag nicht entsprechend der geleisteten Arbeit zu<lb/> wachsen, während die nominelle Kaufkraft der einzelnen Wirtschaftssubjekte sich<lb/> aus dem Papierentgelt dauernd vergrößern muß. Eine immer weiter fort-<lb/> scheitende Entwertung des deutschen Geldes muß die notwendige Folg« sein.<lb/> Solange die wesentlichsten Vertragspflichten bestehen bleiben, ist kein Ende diese?<lb/> Prozesses abzusehen. Wenn schließlich der Geldverkehr versagt, wenn mexmnd<lb/> mehr Geld, oder gar Schuldscheine, die sich dauernd entwerten, für seine realen<lb/> Gut« annehmen will, muß der Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft folgen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensvertraz
gegenwärtige Ausnutzung dieser Preisvorschriften durch Frankreich insbesondere
bedeutet eine ganz grobe Ausbeutung Deutschlands.
Eine weitere unerhörte Ausbeutung der Zwangslage Deutschlands bietet
die Bestimmung, daß die Erlöse der in Deutschland durchgeführten Liqui¬
dationen zum Friedenskurse in die Auslandswährung umzurechnen sind-
Da wegen des seit Kriegsbeginn bereits sinkenden Wertes der Mark diese Erlöse
in Mark höher ausfallen mühten, als bei stabil gebliebener Währung und da gegenüber
diesen höheren Erlösen ein niedrigerer deutscher Valutastand nur die natürliche
Ausgleichung ist, liegt darin eine ganz unberechtigte Mehrbelastung, die nicht als
„Wiedergutmachung", sondern als Beraubung angesehen werden muh. Eine
besondere Entrechtung der Deutschen liegt darin, dasz die Liquidatoren deutschen
Gutes lediglich strafrechtlich verantwortlich sind, aber nicht zivilrcchtlich haftbar,
während umgekehrt die deuischcn Liquidatoren voll verantwortlich gemacht werden
können.
Unerhört belastend ist auch die Bestimmung, wonach die Kosten der
Besetzung des Rheinlandes durch Deutschland zu tragen sind. Dlkse in
Auslandswährungen entstehenden Kosten, für die keine Höchstziffern festgelegt sind,
bieten bei dem gegenwärtigen Valntastaud eine ganz ungewisse Belastung. Sie
gewähren Frankreich und England die Möglichkeit, einen wesentlichen Teil der
Kosten ihres ersten Friedensjahres auf Deutschland abzuwälzen. Das ist lerne
Wiedergutmachung mehr, sondern eine nackte Kriegsentschädigung. Hierzu kommen
die Kosten des Wiedergutmachungsausschusses, welche allein für 1920 auf S00
Millionen Mark veranschlagt werden. Mit den hier aufgezeigten wichtigen
Belastungen des Deutschen Reiches aus dein Friedensvertrag ist die Summe der
Ungerechtigkeit und Unmöglichkeiten, die sich in finanzieller Hinsicht aus dem
Fnedensvertrage ergeben, noch nicht erschöpft. Es würde zu weit führen, alle
Einzelheiten hier darzulegen.
Die Verpflichtungen aus dem Vertrag von Versailles müssen Deutschland
eine Wiedergutmachung unmöglich machen. Die Zahlungs- und Lieferungs-
Pflichten wirken derart, das; das Arbeitsergebnis des deutschen Volkes auf Jahr¬
sehnte zu einem wesentlichen Teil ins Ausland flicht. Ein Gegenwert wird nicht
geleistet; nur eine Gutschrift, noch dazu in meist unzureichender Hohe erfolgt auf
dem Konto der Wiedergutmachung, das aber so hoch ist. daß praktisch keine Ab-
bürdung in Aussicht steht; es fehlt dein deutschen Volk die Aussicht, durch noch
so angestrengte Arbeit seine Lage bessern zu können. Dem arbeitenden Witschen
Bürger muß aber die Negierung den Gegenwert für die hergestellten Produkt
geben. Sie kann das nur in Papier, in Banknoten oder Schuldverpflichtungen.
Die Inflation im Inland wird so immer weiter getrieben. Der Gutervorrat
der deutschen Wirtschaft vermag nicht entsprechend der geleisteten Arbeit zu
wachsen, während die nominelle Kaufkraft der einzelnen Wirtschaftssubjekte sich
aus dem Papierentgelt dauernd vergrößern muß. Eine immer weiter fort-
scheitende Entwertung des deutschen Geldes muß die notwendige Folg« sein.
Solange die wesentlichsten Vertragspflichten bestehen bleiben, ist kein Ende diese?
Prozesses abzusehen. Wenn schließlich der Geldverkehr versagt, wenn mexmnd
mehr Geld, oder gar Schuldscheine, die sich dauernd entwerten, für seine realen
Gut« annehmen will, muß der Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft folgen.
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