Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensv ertrag

Die finanzielle Belastung Deutschlands
durch den Friedensvertrag
Dr. jur. u. phil. Rudolf Dalberg von

le durch den Friedensvertrag festgestellte finanzielle Belastung
Deutschlands geht weit über das Maß hinaus, welches durch die
deutsche Annahme des Friedens- und des Waffenstillstandsangebots
der Alliierten vom 5. Oktober 1918 VertragNgrundlage geworden
war. Hiernach waren maßgebend die 14 Punkte. Wilsons, wie sie
in der Kongreßbolschaft des Präsidenten vom 8. Januar 1913 formuliert worden
waren. Es war darin für die siegende Partei der Verzicht auf Erstattung der
eigentlichen Kriegskosten ausgesprochen worden und nur eine begrenzte Entschädi¬
gungspflicht aufgestellt, nämlich die Wiederherstellung von Belgien, Nordfrankreich,
Serbien, Montenegro und Rumänien; hierzu kam lediglich noch auf Grund der
Note Lansings vom 5. November 1918 der Ersatz von Schäden, welche die Zivil¬
bevölkerung der Alliierten erlitten hatte. Diese feste Rechtsgrundlage ist durch den
Artikel 231 des FriedensvertrageZ vollständig umgestoßen worden. Deutschland
wird für alle Verluste und Schäden grundsätzlich verantwortlich gemacht, welche
die feindlichen Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges
erlitten habend) Diese Schadensersatzforderungen werden auch auf die Angreifer
Italien und Rumänien sowie auf Nußland ausgedehnt. Zwar wird im Artikel 232
anerkannt, daß die Hilfsmittel Deutschlands nicht ausreichen, um die völlige
Wiedergutmachung zu gewährleisten; dennoch wird nicht nur der Ersatz aller der
Zivilbevölkerung der Alliierten entstandenen Schäden verlangt, was den Wilsonschen
Punkten entsprechen würde, sondern darüber hinaus wird auch Ersatz verlangt in
Höhe der kapitalisierten Pensionen und Entschädigungsleistungen für militärische
Opfer des Krieges und deren Angehörige.^ Weiter werden erstattet verlangt
die Kosten der Unterstützungen an Kriegsgefangene, deren Familien und an die
Familien der Mobilisierten"), ferner die Schäden durch Heranziehung zur Zwangs¬
arbeit ohne entsprechende Vergütung.") Dazu kommen als Hauptpunkte die Kosten
des Wiederaufbaues in Belgien, Nordfrankreich, Serbien usw. sowie der Ersatz
der versenkten Schiffe, Ersatz auch für Schäden an jeglichem nicht militärischen
Staatseigentum; und schließlich sollen auch alle erhobenen Kontributionen und
Geldstrafen rückvergütet werden, selbst soweit sie dem Völkerrecht entsprechend
auferlegt wurden.

Hierzu kommt noch gesondert -- über die von Wilson geforderte Wieder¬
herstellung Belgiens hinausgehend -- die Erstattung aller Summen, nebst
6 Prozent jährlichen Zinsen, welche Belgien von den Entente-Regierungen bis
zum 11. November 1918 entliehen hat. Sie sind in besonderen Schatzscheinen,
zahlbar in Gold, spätestens am 1. Mai 1926 zu entrichten. Dieser Betrag, der
die gesamten Kriegskosten Belgiens darstellt, wird auf annähernd 5 Milliarden
Toldmark anzunehmen sein.






Vgl. Teil VIII Art. 1 des Friedensverträge" 1a Art. 116.
^) Vgl. Teil Viti Art. 1 Ur. 5.
°) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. g und 7.
4) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. 8.
Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensv ertrag

Die finanzielle Belastung Deutschlands
durch den Friedensvertrag
Dr. jur. u. phil. Rudolf Dalberg von

le durch den Friedensvertrag festgestellte finanzielle Belastung
Deutschlands geht weit über das Maß hinaus, welches durch die
deutsche Annahme des Friedens- und des Waffenstillstandsangebots
der Alliierten vom 5. Oktober 1918 VertragNgrundlage geworden
war. Hiernach waren maßgebend die 14 Punkte. Wilsons, wie sie
in der Kongreßbolschaft des Präsidenten vom 8. Januar 1913 formuliert worden
waren. Es war darin für die siegende Partei der Verzicht auf Erstattung der
eigentlichen Kriegskosten ausgesprochen worden und nur eine begrenzte Entschädi¬
gungspflicht aufgestellt, nämlich die Wiederherstellung von Belgien, Nordfrankreich,
Serbien, Montenegro und Rumänien; hierzu kam lediglich noch auf Grund der
Note Lansings vom 5. November 1918 der Ersatz von Schäden, welche die Zivil¬
bevölkerung der Alliierten erlitten hatte. Diese feste Rechtsgrundlage ist durch den
Artikel 231 des FriedensvertrageZ vollständig umgestoßen worden. Deutschland
wird für alle Verluste und Schäden grundsätzlich verantwortlich gemacht, welche
die feindlichen Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges
erlitten habend) Diese Schadensersatzforderungen werden auch auf die Angreifer
Italien und Rumänien sowie auf Nußland ausgedehnt. Zwar wird im Artikel 232
anerkannt, daß die Hilfsmittel Deutschlands nicht ausreichen, um die völlige
Wiedergutmachung zu gewährleisten; dennoch wird nicht nur der Ersatz aller der
Zivilbevölkerung der Alliierten entstandenen Schäden verlangt, was den Wilsonschen
Punkten entsprechen würde, sondern darüber hinaus wird auch Ersatz verlangt in
Höhe der kapitalisierten Pensionen und Entschädigungsleistungen für militärische
Opfer des Krieges und deren Angehörige.^ Weiter werden erstattet verlangt
die Kosten der Unterstützungen an Kriegsgefangene, deren Familien und an die
Familien der Mobilisierten"), ferner die Schäden durch Heranziehung zur Zwangs¬
arbeit ohne entsprechende Vergütung.«) Dazu kommen als Hauptpunkte die Kosten
des Wiederaufbaues in Belgien, Nordfrankreich, Serbien usw. sowie der Ersatz
der versenkten Schiffe, Ersatz auch für Schäden an jeglichem nicht militärischen
Staatseigentum; und schließlich sollen auch alle erhobenen Kontributionen und
Geldstrafen rückvergütet werden, selbst soweit sie dem Völkerrecht entsprechend
auferlegt wurden.

Hierzu kommt noch gesondert — über die von Wilson geforderte Wieder¬
herstellung Belgiens hinausgehend — die Erstattung aller Summen, nebst
6 Prozent jährlichen Zinsen, welche Belgien von den Entente-Regierungen bis
zum 11. November 1918 entliehen hat. Sie sind in besonderen Schatzscheinen,
zahlbar in Gold, spätestens am 1. Mai 1926 zu entrichten. Dieser Betrag, der
die gesamten Kriegskosten Belgiens darstellt, wird auf annähernd 5 Milliarden
Toldmark anzunehmen sein.






Vgl. Teil VIII Art. 1 des Friedensverträge» 1a Art. 116.
^) Vgl. Teil Viti Art. 1 Ur. 5.
°) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. g und 7.
4) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. 8.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337538"/>
          <fw type="header" place="top"> Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensv ertrag</fw><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die finanzielle Belastung Deutschlands<lb/>
durch den Friedensvertrag<lb/><note type="byline"> Dr. jur. u. phil. Rudolf Dalberg</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1009"> le durch den Friedensvertrag festgestellte finanzielle Belastung<lb/>
Deutschlands geht weit über das Maß hinaus, welches durch die<lb/>
deutsche Annahme des Friedens- und des Waffenstillstandsangebots<lb/>
der Alliierten vom 5. Oktober 1918 VertragNgrundlage geworden<lb/>
war. Hiernach waren maßgebend die 14 Punkte. Wilsons, wie sie<lb/>
in der Kongreßbolschaft des Präsidenten vom 8. Januar 1913 formuliert worden<lb/>
waren. Es war darin für die siegende Partei der Verzicht auf Erstattung der<lb/>
eigentlichen Kriegskosten ausgesprochen worden und nur eine begrenzte Entschädi¬<lb/>
gungspflicht aufgestellt, nämlich die Wiederherstellung von Belgien, Nordfrankreich,<lb/>
Serbien, Montenegro und Rumänien; hierzu kam lediglich noch auf Grund der<lb/>
Note Lansings vom 5. November 1918 der Ersatz von Schäden, welche die Zivil¬<lb/>
bevölkerung der Alliierten erlitten hatte. Diese feste Rechtsgrundlage ist durch den<lb/>
Artikel 231 des FriedensvertrageZ vollständig umgestoßen worden. Deutschland<lb/>
wird für alle Verluste und Schäden grundsätzlich verantwortlich gemacht, welche<lb/>
die feindlichen Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges<lb/>
erlitten habend) Diese Schadensersatzforderungen werden auch auf die Angreifer<lb/>
Italien und Rumänien sowie auf Nußland ausgedehnt. Zwar wird im Artikel 232<lb/>
anerkannt, daß die Hilfsmittel Deutschlands nicht ausreichen, um die völlige<lb/>
Wiedergutmachung zu gewährleisten; dennoch wird nicht nur der Ersatz aller der<lb/>
Zivilbevölkerung der Alliierten entstandenen Schäden verlangt, was den Wilsonschen<lb/>
Punkten entsprechen würde, sondern darüber hinaus wird auch Ersatz verlangt in<lb/>
Höhe der kapitalisierten Pensionen und Entschädigungsleistungen für militärische<lb/>
Opfer des Krieges und deren Angehörige.^ Weiter werden erstattet verlangt<lb/>
die Kosten der Unterstützungen an Kriegsgefangene, deren Familien und an die<lb/>
Familien der Mobilisierten"), ferner die Schäden durch Heranziehung zur Zwangs¬<lb/>
arbeit ohne entsprechende Vergütung.«) Dazu kommen als Hauptpunkte die Kosten<lb/>
des Wiederaufbaues in Belgien, Nordfrankreich, Serbien usw. sowie der Ersatz<lb/>
der versenkten Schiffe, Ersatz auch für Schäden an jeglichem nicht militärischen<lb/>
Staatseigentum; und schließlich sollen auch alle erhobenen Kontributionen und<lb/>
Geldstrafen rückvergütet werden, selbst soweit sie dem Völkerrecht entsprechend<lb/>
auferlegt wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1010"> Hierzu kommt noch gesondert &#x2014; über die von Wilson geforderte Wieder¬<lb/>
herstellung Belgiens hinausgehend &#x2014; die Erstattung aller Summen, nebst<lb/>
6 Prozent jährlichen Zinsen, welche Belgien von den Entente-Regierungen bis<lb/>
zum 11. November 1918 entliehen hat. Sie sind in besonderen Schatzscheinen,<lb/>
zahlbar in Gold, spätestens am 1. Mai 1926 zu entrichten. Dieser Betrag, der<lb/>
die gesamten Kriegskosten Belgiens darstellt, wird auf annähernd 5 Milliarden<lb/>
Toldmark anzunehmen sein.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_26" place="foot"> Vgl. Teil VIII Art. 1 des Friedensverträge» 1a Art. 116.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_27" place="foot"> ^) Vgl. Teil Viti Art. 1 Ur. 5.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_28" place="foot"> °) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. g und 7.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_29" place="foot"> 4) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. 8.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0301] Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensv ertrag Die finanzielle Belastung Deutschlands durch den Friedensvertrag Dr. jur. u. phil. Rudolf Dalberg von le durch den Friedensvertrag festgestellte finanzielle Belastung Deutschlands geht weit über das Maß hinaus, welches durch die deutsche Annahme des Friedens- und des Waffenstillstandsangebots der Alliierten vom 5. Oktober 1918 VertragNgrundlage geworden war. Hiernach waren maßgebend die 14 Punkte. Wilsons, wie sie in der Kongreßbolschaft des Präsidenten vom 8. Januar 1913 formuliert worden waren. Es war darin für die siegende Partei der Verzicht auf Erstattung der eigentlichen Kriegskosten ausgesprochen worden und nur eine begrenzte Entschädi¬ gungspflicht aufgestellt, nämlich die Wiederherstellung von Belgien, Nordfrankreich, Serbien, Montenegro und Rumänien; hierzu kam lediglich noch auf Grund der Note Lansings vom 5. November 1918 der Ersatz von Schäden, welche die Zivil¬ bevölkerung der Alliierten erlitten hatte. Diese feste Rechtsgrundlage ist durch den Artikel 231 des FriedensvertrageZ vollständig umgestoßen worden. Deutschland wird für alle Verluste und Schäden grundsätzlich verantwortlich gemacht, welche die feindlichen Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges erlitten habend) Diese Schadensersatzforderungen werden auch auf die Angreifer Italien und Rumänien sowie auf Nußland ausgedehnt. Zwar wird im Artikel 232 anerkannt, daß die Hilfsmittel Deutschlands nicht ausreichen, um die völlige Wiedergutmachung zu gewährleisten; dennoch wird nicht nur der Ersatz aller der Zivilbevölkerung der Alliierten entstandenen Schäden verlangt, was den Wilsonschen Punkten entsprechen würde, sondern darüber hinaus wird auch Ersatz verlangt in Höhe der kapitalisierten Pensionen und Entschädigungsleistungen für militärische Opfer des Krieges und deren Angehörige.^ Weiter werden erstattet verlangt die Kosten der Unterstützungen an Kriegsgefangene, deren Familien und an die Familien der Mobilisierten"), ferner die Schäden durch Heranziehung zur Zwangs¬ arbeit ohne entsprechende Vergütung.«) Dazu kommen als Hauptpunkte die Kosten des Wiederaufbaues in Belgien, Nordfrankreich, Serbien usw. sowie der Ersatz der versenkten Schiffe, Ersatz auch für Schäden an jeglichem nicht militärischen Staatseigentum; und schließlich sollen auch alle erhobenen Kontributionen und Geldstrafen rückvergütet werden, selbst soweit sie dem Völkerrecht entsprechend auferlegt wurden. Hierzu kommt noch gesondert — über die von Wilson geforderte Wieder¬ herstellung Belgiens hinausgehend — die Erstattung aller Summen, nebst 6 Prozent jährlichen Zinsen, welche Belgien von den Entente-Regierungen bis zum 11. November 1918 entliehen hat. Sie sind in besonderen Schatzscheinen, zahlbar in Gold, spätestens am 1. Mai 1926 zu entrichten. Dieser Betrag, der die gesamten Kriegskosten Belgiens darstellt, wird auf annähernd 5 Milliarden Toldmark anzunehmen sein. Vgl. Teil VIII Art. 1 des Friedensverträge» 1a Art. 116. ^) Vgl. Teil Viti Art. 1 Ur. 5. °) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. g und 7. 4) Vgl. Teil VIII Art. 1 Ur. 8.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/301
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/301>, abgerufen am 25.08.2024.