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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Re!chswirtschaftsrat und Reichstag

Es möchte eine dankbare Aufgabe für eine souverän über den Gegensätzen
stehende Bismarck-Natur sein, auf den Instrumenten des hilflosen Reichstags und
des schüchternen Neichswirtschaftsrats zugleich spielend, das Widerstrebende zu¬
sammenzureißen und dadurch mit starker Hand das Ganze mitzureißen. Wir sehen
den überragenden Mann nicht und wüßten nicht, woher er plötzlich kommen sollte.
Hämisch weist die "Note Fahne" dem Reichspräsidenten Ebert die Mission zu,
gestützt auf die militärischen Machtmittel, diese Rolle zu "spielen" und damit
endgültig auszuspielen. Mit ihm soll das Volk abdanken und die Masse auf den
Thron steigen. Wir bescheiden uns und halten nach Männern Umschau, die
innerhalb von Reichswirtschaftsrat und Reichstag als Vindekräfte wirken können-
Wir erinnern daran, daß Männer von wirtschaftlichem Führerruf und starrer persön¬
licher Geltung beiden Körperschaften angehören. Darin liegt ohne Zweifel die Gefahr,
daß parteipolitische Vereinseitigung auch in den Neichswirtschastsrat übergreifen kann,
wo auf autonome wirtschaftliche Sachlichkeit alles ankommt. Wir möchten aber
doch auf die Hoffnung nicht verzichten, daß umgekehrt die Sachlichkeit der wirt¬
schaftspolitischen Einstellung heilsam auf die parteipolitische Zersetzung des Reichs¬
tags zurückwirken kann, zumal es sich teilweise um Männer handelt, die ungleich
sicherer im wirtschaftlichen als im parteipolitischer Sattel sitzen. Die doppelte Bindung
chasse Hemmnisse, aber sie bietet auch ganz neue Möglichkeiten, für die die Vor¬
gänge noch gänzlich fehlen. Da aber liegt der Ansatz zur Überwindung des leer¬
laufenden Mechanismus, der Ansatz zur schöpferischen Tat.

Wir blicken alle auf die entscheidenden Verhandlungen, die unserer neuen
Regierung in Spa bevorstehen. Wir beachten aber kaum, daß "Spa" bereits im
Gange ist. Führende deutsche Wirtschafter verhandeln in der Stille in Paris
mit den dortigen inoffiziellen Kontrahenten der kommenden Wirtschaftsverträge. Das
können die eigentlichen Waffenflillstandsverhandlungen der wirtschaftlichen General-
fiaöe beider Länder sein, unter die nachher die offiziellen Machthaber im wesentlichen
ihr Siegel setzen. Der Vorgang ist bedeutsam. Nicht "Macht" zu "haben", sondern
Macht zu sein: darauf kommt es in kritischen Zeiten in erster Linie an. Aber
auch der beste Generalstab ist nur dann eine Macht, wenn er nicht nur Köpfe in
sich beschließt, sondern auch eine Armee hinter sich hat. Generalstab und Armee
stehen heute auch in der Wirtschaft nicht mehr zueinander, wie vor dem Krieg.
Der Reichswirtschaftsrat hat bereits in der Arbeitsgemeinschaft einen festeren
Unterbau, er ist bereits eine paritätische Vertretung des werktätigen Volkes, Nur
wenn die organische Umwandlung der burgfriedlichen Pariiät, die den Klassen¬
kampf letzten Endes doch nur stündet, zu korporativer Solidarität, zu wahrer
wirtschaftlicher Gemeinverantwortung gelingt: nur dann wird die künftige Kammer
der Arbeit den Parlamentarismus erfolgreich in die Schranken verweisen können,
innerhalb deren er gute und erfolgreiche Arbeit zum Wohle des Volksganzen
leisten kann.




Re!chswirtschaftsrat und Reichstag

Es möchte eine dankbare Aufgabe für eine souverän über den Gegensätzen
stehende Bismarck-Natur sein, auf den Instrumenten des hilflosen Reichstags und
des schüchternen Neichswirtschaftsrats zugleich spielend, das Widerstrebende zu¬
sammenzureißen und dadurch mit starker Hand das Ganze mitzureißen. Wir sehen
den überragenden Mann nicht und wüßten nicht, woher er plötzlich kommen sollte.
Hämisch weist die „Note Fahne" dem Reichspräsidenten Ebert die Mission zu,
gestützt auf die militärischen Machtmittel, diese Rolle zu „spielen" und damit
endgültig auszuspielen. Mit ihm soll das Volk abdanken und die Masse auf den
Thron steigen. Wir bescheiden uns und halten nach Männern Umschau, die
innerhalb von Reichswirtschaftsrat und Reichstag als Vindekräfte wirken können-
Wir erinnern daran, daß Männer von wirtschaftlichem Führerruf und starrer persön¬
licher Geltung beiden Körperschaften angehören. Darin liegt ohne Zweifel die Gefahr,
daß parteipolitische Vereinseitigung auch in den Neichswirtschastsrat übergreifen kann,
wo auf autonome wirtschaftliche Sachlichkeit alles ankommt. Wir möchten aber
doch auf die Hoffnung nicht verzichten, daß umgekehrt die Sachlichkeit der wirt¬
schaftspolitischen Einstellung heilsam auf die parteipolitische Zersetzung des Reichs¬
tags zurückwirken kann, zumal es sich teilweise um Männer handelt, die ungleich
sicherer im wirtschaftlichen als im parteipolitischer Sattel sitzen. Die doppelte Bindung
chasse Hemmnisse, aber sie bietet auch ganz neue Möglichkeiten, für die die Vor¬
gänge noch gänzlich fehlen. Da aber liegt der Ansatz zur Überwindung des leer¬
laufenden Mechanismus, der Ansatz zur schöpferischen Tat.

Wir blicken alle auf die entscheidenden Verhandlungen, die unserer neuen
Regierung in Spa bevorstehen. Wir beachten aber kaum, daß „Spa" bereits im
Gange ist. Führende deutsche Wirtschafter verhandeln in der Stille in Paris
mit den dortigen inoffiziellen Kontrahenten der kommenden Wirtschaftsverträge. Das
können die eigentlichen Waffenflillstandsverhandlungen der wirtschaftlichen General-
fiaöe beider Länder sein, unter die nachher die offiziellen Machthaber im wesentlichen
ihr Siegel setzen. Der Vorgang ist bedeutsam. Nicht „Macht" zu „haben", sondern
Macht zu sein: darauf kommt es in kritischen Zeiten in erster Linie an. Aber
auch der beste Generalstab ist nur dann eine Macht, wenn er nicht nur Köpfe in
sich beschließt, sondern auch eine Armee hinter sich hat. Generalstab und Armee
stehen heute auch in der Wirtschaft nicht mehr zueinander, wie vor dem Krieg.
Der Reichswirtschaftsrat hat bereits in der Arbeitsgemeinschaft einen festeren
Unterbau, er ist bereits eine paritätische Vertretung des werktätigen Volkes, Nur
wenn die organische Umwandlung der burgfriedlichen Pariiät, die den Klassen¬
kampf letzten Endes doch nur stündet, zu korporativer Solidarität, zu wahrer
wirtschaftlicher Gemeinverantwortung gelingt: nur dann wird die künftige Kammer
der Arbeit den Parlamentarismus erfolgreich in die Schranken verweisen können,
innerhalb deren er gute und erfolgreiche Arbeit zum Wohle des Volksganzen
leisten kann.




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[0292] Re!chswirtschaftsrat und Reichstag Es möchte eine dankbare Aufgabe für eine souverän über den Gegensätzen stehende Bismarck-Natur sein, auf den Instrumenten des hilflosen Reichstags und des schüchternen Neichswirtschaftsrats zugleich spielend, das Widerstrebende zu¬ sammenzureißen und dadurch mit starker Hand das Ganze mitzureißen. Wir sehen den überragenden Mann nicht und wüßten nicht, woher er plötzlich kommen sollte. Hämisch weist die „Note Fahne" dem Reichspräsidenten Ebert die Mission zu, gestützt auf die militärischen Machtmittel, diese Rolle zu „spielen" und damit endgültig auszuspielen. Mit ihm soll das Volk abdanken und die Masse auf den Thron steigen. Wir bescheiden uns und halten nach Männern Umschau, die innerhalb von Reichswirtschaftsrat und Reichstag als Vindekräfte wirken können- Wir erinnern daran, daß Männer von wirtschaftlichem Führerruf und starrer persön¬ licher Geltung beiden Körperschaften angehören. Darin liegt ohne Zweifel die Gefahr, daß parteipolitische Vereinseitigung auch in den Neichswirtschastsrat übergreifen kann, wo auf autonome wirtschaftliche Sachlichkeit alles ankommt. Wir möchten aber doch auf die Hoffnung nicht verzichten, daß umgekehrt die Sachlichkeit der wirt¬ schaftspolitischen Einstellung heilsam auf die parteipolitische Zersetzung des Reichs¬ tags zurückwirken kann, zumal es sich teilweise um Männer handelt, die ungleich sicherer im wirtschaftlichen als im parteipolitischer Sattel sitzen. Die doppelte Bindung chasse Hemmnisse, aber sie bietet auch ganz neue Möglichkeiten, für die die Vor¬ gänge noch gänzlich fehlen. Da aber liegt der Ansatz zur Überwindung des leer¬ laufenden Mechanismus, der Ansatz zur schöpferischen Tat. Wir blicken alle auf die entscheidenden Verhandlungen, die unserer neuen Regierung in Spa bevorstehen. Wir beachten aber kaum, daß „Spa" bereits im Gange ist. Führende deutsche Wirtschafter verhandeln in der Stille in Paris mit den dortigen inoffiziellen Kontrahenten der kommenden Wirtschaftsverträge. Das können die eigentlichen Waffenflillstandsverhandlungen der wirtschaftlichen General- fiaöe beider Länder sein, unter die nachher die offiziellen Machthaber im wesentlichen ihr Siegel setzen. Der Vorgang ist bedeutsam. Nicht „Macht" zu „haben", sondern Macht zu sein: darauf kommt es in kritischen Zeiten in erster Linie an. Aber auch der beste Generalstab ist nur dann eine Macht, wenn er nicht nur Köpfe in sich beschließt, sondern auch eine Armee hinter sich hat. Generalstab und Armee stehen heute auch in der Wirtschaft nicht mehr zueinander, wie vor dem Krieg. Der Reichswirtschaftsrat hat bereits in der Arbeitsgemeinschaft einen festeren Unterbau, er ist bereits eine paritätische Vertretung des werktätigen Volkes, Nur wenn die organische Umwandlung der burgfriedlichen Pariiät, die den Klassen¬ kampf letzten Endes doch nur stündet, zu korporativer Solidarität, zu wahrer wirtschaftlicher Gemeinverantwortung gelingt: nur dann wird die künftige Kammer der Arbeit den Parlamentarismus erfolgreich in die Schranken verweisen können, innerhalb deren er gute und erfolgreiche Arbeit zum Wohle des Volksganzen leisten kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/292>, abgerufen am 22.07.2024.