Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Die Reichsfincmzrefc'rin ^9^9-20 mung -- für das hin gegebene Pfund Wucherzinsen erhallen. Der alte Satz: In der seitherigen Reichssinanzgeschichte hat aber dieses genossenschaftliche Es ist aufs tiefste zu beklagen, daß das allzustark betonte parteiische Die Reichsfincmzrefc'rin ^9^9-20 mung — für das hin gegebene Pfund Wucherzinsen erhallen. Der alte Satz: In der seitherigen Reichssinanzgeschichte hat aber dieses genossenschaftliche Es ist aufs tiefste zu beklagen, daß das allzustark betonte parteiische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337496"/> <fw type="header" place="top"> Die Reichsfincmzrefc'rin ^9^9-20</fw><lb/> <p xml:id="ID_880" prev="#ID_879"> mung — für das hin gegebene Pfund Wucherzinsen erhallen. Der alte Satz:<lb/> Einigkeit macht stark, gilt auch und ganz besonders auf finanziellem Gebiet. Jeder<lb/> findet seinen Ausgleich und damit sich im Ganzen wieder, selbst wenn scheinbar<lb/> sich der eine auf Kosten des anderen bereichert. Das ist aber nichts anderes als<lb/> das genossenschaftliche Prinzip, das den deutschen Staat der Vergangenheit<lb/> zu dem gemacht hat, was er in der Welt bedeutete, und die Schwäche dieses<lb/> Staates rührte allein daher, daß man die Folgerungen aus diesem Obersatz nicht<lb/> zu ziehen wußte, den man nur für eine inhaltlose Ideologie und nicht für ein wirk¬<lb/> sames Prinzip gehalten hat. Demgegenüber kaun heute gar nicht stark genug<lb/> unterstrichen werdeu, daß allein in dem genossenschaftlichen Gedanken der Gemein¬<lb/> samkeit der Pflicht und des Rechis eine größere und umfassende Gemeinschaft<lb/> erwachsen kann. Es ist ein schöner Traum, der da glaubt, es ließe sich heute<lb/> schlankweg von einer Nationalversammlung eine allmächtige Zentralverwaltung<lb/> einsetzen, die dann munter drauf los dekretieren könne. Die Ereignisse des letzten<lb/> Jahre haben es uns ja nur zu deutlich gezeigt, daß man da leicht gewaltige<lb/> Enttäuschungen erleben kann. Auch dir „starke Mann" bleibt ein Märchen, so<lb/> lange er nicht der erste Diener seines Staates zu sein, das heißt sich dein Staat<lb/> unterzuordnen versteht. Und die von einer Nationalversammlung aufgerichtete<lb/> Verfassung und Staatsgewalt bleibt eine wesenlose juristische Fiktion, wenn sie<lb/> ohne soziales Fundament bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_881"> In der seitherigen Reichssinanzgeschichte hat aber dieses genossenschaftliche<lb/> Prinzip bestimmend gewirkt; von kleinsten Anfängen aus, die recht sozietätsmäßig<lb/> anmuten, ist allmählich Staatsgesinnung und Opferfreudigkeit erwachsen — die<lb/> deutsche Bewegung vom August 1914 bleibt da ein unvergeßlicher Zeuge.<lb/> Wenn aber die Neichsfiucmzreform diesen, nach der angedeuteten Richtung zielenden,<lb/> Gedanken aufgreift und weiterführt, dann geht man wohl kaum mit der Annahme<lb/> fehl, und hier läge Wohl meines Erachtens das größte Verdienst der Reichs-<lb/> finanzreform, daß sie versucht hat, eine solche Fundierung der in<lb/> Weimar aufgerichteten zentralen Reichsgewalt von der sozialen<lb/> Seite her zu ermöglichen — daß sie sich also nicht auf die Fiktion einer<lb/> imaginären allmächtigen Staatsgewalt stützt, sondern, von der Aufbringung des<lb/> Gesamlbedarfs des heute noch immer dreistufigen deutschen Staates ausgehend,<lb/> genossenschaftlich zu konstruieren und vorsichtig abwägend den seitherigen Weg<lb/> weiter zu gehen sucht, der einmal später das völlige Aufgehen der Gliedstaaten<lb/> im Reich ermöglichen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_882" next="#ID_883"> Es ist aufs tiefste zu beklagen, daß das allzustark betonte parteiische<lb/> Sonderinteresse gerade diese wichtigste Seite der Ncichsfinanzreform bisher so<lb/> wenig zu Worte kommen ließ, die es auch verständlich macht, weshalb die<lb/> Ncichsfinanzreform noch von der Nationalversammlung zu verabschieden war.<lb/> Zwar kann man es verstehen, wenn heute dem Verzicht auf seitherige Möglich¬<lb/> keiten örtlicher Natur nachgetrauert wird. Das darf aber doch nicht dazu führen,<lb/> daß man die Dinge auf den Kopf stellt. Man scheint ganz darauf vergessen zu<lb/> haben, daß die Reichsfinanznot der Vergangenheit im Grunde eine FinanznoL<lb/> der Gliedstaaten war, weil sie dem Reiche nicht geben wollten, was des Reiches<lb/> war. Die heutige angebliche Vergewaltigung der Gliedstaaten durch das Reich<lb/> ist doch schon seit fünfzig Jahren im Sinne des Aufgehens der Gliedstaaten im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
Die Reichsfincmzrefc'rin ^9^9-20
mung — für das hin gegebene Pfund Wucherzinsen erhallen. Der alte Satz:
Einigkeit macht stark, gilt auch und ganz besonders auf finanziellem Gebiet. Jeder
findet seinen Ausgleich und damit sich im Ganzen wieder, selbst wenn scheinbar
sich der eine auf Kosten des anderen bereichert. Das ist aber nichts anderes als
das genossenschaftliche Prinzip, das den deutschen Staat der Vergangenheit
zu dem gemacht hat, was er in der Welt bedeutete, und die Schwäche dieses
Staates rührte allein daher, daß man die Folgerungen aus diesem Obersatz nicht
zu ziehen wußte, den man nur für eine inhaltlose Ideologie und nicht für ein wirk¬
sames Prinzip gehalten hat. Demgegenüber kaun heute gar nicht stark genug
unterstrichen werdeu, daß allein in dem genossenschaftlichen Gedanken der Gemein¬
samkeit der Pflicht und des Rechis eine größere und umfassende Gemeinschaft
erwachsen kann. Es ist ein schöner Traum, der da glaubt, es ließe sich heute
schlankweg von einer Nationalversammlung eine allmächtige Zentralverwaltung
einsetzen, die dann munter drauf los dekretieren könne. Die Ereignisse des letzten
Jahre haben es uns ja nur zu deutlich gezeigt, daß man da leicht gewaltige
Enttäuschungen erleben kann. Auch dir „starke Mann" bleibt ein Märchen, so
lange er nicht der erste Diener seines Staates zu sein, das heißt sich dein Staat
unterzuordnen versteht. Und die von einer Nationalversammlung aufgerichtete
Verfassung und Staatsgewalt bleibt eine wesenlose juristische Fiktion, wenn sie
ohne soziales Fundament bleibt.
In der seitherigen Reichssinanzgeschichte hat aber dieses genossenschaftliche
Prinzip bestimmend gewirkt; von kleinsten Anfängen aus, die recht sozietätsmäßig
anmuten, ist allmählich Staatsgesinnung und Opferfreudigkeit erwachsen — die
deutsche Bewegung vom August 1914 bleibt da ein unvergeßlicher Zeuge.
Wenn aber die Neichsfiucmzreform diesen, nach der angedeuteten Richtung zielenden,
Gedanken aufgreift und weiterführt, dann geht man wohl kaum mit der Annahme
fehl, und hier läge Wohl meines Erachtens das größte Verdienst der Reichs-
finanzreform, daß sie versucht hat, eine solche Fundierung der in
Weimar aufgerichteten zentralen Reichsgewalt von der sozialen
Seite her zu ermöglichen — daß sie sich also nicht auf die Fiktion einer
imaginären allmächtigen Staatsgewalt stützt, sondern, von der Aufbringung des
Gesamlbedarfs des heute noch immer dreistufigen deutschen Staates ausgehend,
genossenschaftlich zu konstruieren und vorsichtig abwägend den seitherigen Weg
weiter zu gehen sucht, der einmal später das völlige Aufgehen der Gliedstaaten
im Reich ermöglichen kann.
Es ist aufs tiefste zu beklagen, daß das allzustark betonte parteiische
Sonderinteresse gerade diese wichtigste Seite der Ncichsfinanzreform bisher so
wenig zu Worte kommen ließ, die es auch verständlich macht, weshalb die
Ncichsfinanzreform noch von der Nationalversammlung zu verabschieden war.
Zwar kann man es verstehen, wenn heute dem Verzicht auf seitherige Möglich¬
keiten örtlicher Natur nachgetrauert wird. Das darf aber doch nicht dazu führen,
daß man die Dinge auf den Kopf stellt. Man scheint ganz darauf vergessen zu
haben, daß die Reichsfinanznot der Vergangenheit im Grunde eine FinanznoL
der Gliedstaaten war, weil sie dem Reiche nicht geben wollten, was des Reiches
war. Die heutige angebliche Vergewaltigung der Gliedstaaten durch das Reich
ist doch schon seit fünfzig Jahren im Sinne des Aufgehens der Gliedstaaten im
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