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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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[Beginn Spaltensatz]

Lage aller russischen Wirtschaftszweige im
letzten Jahre bietet, sondern vor allem in
der ausführlichen Schilderung der Ent¬
wicklung, die seit Beginn des Weltkrieges
zum schließlich völligen Zusammenbruch des
gesamten russischen Wirischastsorganismus
geführt hat.

Der erste Teil der Abhandlung beschäftigt
sich mit den Einwirkungen des Krieges bis
zur Märzrevolution im Jahre 1917; im
zweiten Teil wird der weitere Verlauf der
Dinge unter der acht Monate langen Herr¬
schaft KerenM geschildert, "i" auf die
mißlichen Folgen der schlecht organisierten
Mobilmachung und des allzu plötzlichen all¬
gemeinen Moholverbots Wird zurück¬
gegangen, um von da aus all die Faktoren
aufzuweisen, die am Werte waren, die
kriegerische Katastrophe Rußlands zu einer
noch schlimmeren Politischen und wirtschaft¬
lichen zu machen. Es Würd- zu weit führen,
auf die wichiigen Belege einzugehen, die der
Verfasser zum Beispiel für die erbitterten
Kämpfe zwischen der zaristischen Regierung
und den Selostverwaltungskörpern (dem
Semftwo- und Städtebund und demZentral-
Knegsindustrie-Ausschuß) zitiert. Ebenso¬
wenig kann hier auf die hochinteressanter
politischen Betrachtungen eingegangen werden,
die sich auf die unmittelbare Vorgeschichte
der Märzrevolution beziehen; und auch aus
der eingehenden, durch umfangreiches Zahlen¬
material unterstützten Darstellung der Ke-
rensli-Periode sei nur der sehr wesentliche
Absatz über die gründliche und charakteristische
Zerrüttung des Eisenbahnwesens erwähnt.
Überhaupt spielt die rasche'und völlige Zer-
iriimmerung des gesamten russischen Wer-
iehrsapparates für die Folgezeit eine ver¬
hängnisvolle Rolle, und doch ist sie nur
einer der vielen von Treuenfels angeführten
Faktoren, die unter bolschewistischer Herr¬
schaft die allgemeine Wirtschaftskatastrophe
schließlich den geschilderten Grad erreichen
ließen.

Der bei weitem umfangreichste vierte
und letzte Teil des Buches ist der Beschrei-
schreibung und Begründung der dadurch
hervorgerufenen augenblicklichen wirtschaft¬
lichen Lage der Sowjet-Republik gewidmet.
Eine Fülle neuartiger Gesichtspunkte macht

[Spaltenumbruch]

dieses Kapitel besonders wertvoll. Hervor¬
gehoben sei, daß all das, was in diesem
Teil insbesondere über den Todeskampf der
Industrie in der Sowjet-Republik gesagt ist,
auch dem Deutschen sehr zu denken geben
muß. Stellen, wie der Hinweis auf die
Schuld, die die Schwäche eines großen Teils
der Betriebsleiter an der so schweren Schä¬
digung der meisten industriellen Werke trägt,
sind nicht bloß für die Beurteilung russischer
Verhältnisse von Bedeutung. Dasselbe gilt
von vielen anderen Feststellungen des Ver¬
fassers. Dem SozialisierungSmechanismuS
der Sowjetregisrung (vom Anarcho-Syndi-
kalismns zur Nationalisierung und eigent¬
lichen Sozialisierung), dem Ausbau der Jn-
dustneorganisation ("die gerade dann die
höchste Stufe theoretischer Gerechtigkeit,
Zweckmäßigkeit und Bollendung erreicht haben
wird, wenn daS Substrat der Organisation,
die Industrie selber, völlig verschwunden sein
wird"'), der jetzigen Agonie der Industrie
auch im nichtbolschewistischen Süden gelten
ausführliche Abschnitts. Daneben kommen
die Betrachtungen über Landwirtschaft und
Nodenproblem, Finanz- und Währungsfragen
vielleicht ein bißchen zu kurz, doch ist ja
gerade das Schicksal der Industrie unter
bolschewistischer Herrschaft für Deutschland
von besonderem Interesse. Zudem verfügt
der Verfasser gerade auf diesem Gebiete über
größte Sachkenntnis, da er selbst lange Jahre
in der russischen Montanindustrie an leitender
Stelle stand.

Alle diese Erörterungen sind durchsetzt
von sehr bemerkenswerten Ausblicken in die
Zukunft. Das fachmännische Urteil des
Verfassers über die künftigen Entwicklungs-
möglichkeiten des russischen Wirtschaftslebens
sind von einem "trotz allem" starken Opti¬
mismus getragen. Wenn auch bei der
augenblicklichen Situation' die Gesundung
der russischen Volkswirtschaft erst in ferner
Zukunft erwartet werden kann, so darf man
ihr doch mit sicherer Gewißheit entgegen¬
sehen, denn alle Zerstörung hat die wahren
Reichtumsquellen Rußlands nicht antasten
können; die liegen "in seinem Boden, in
seinen undurchdringlichen Wäldern und in
den reichen Schätzen seines Bodens unter
Tage".

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Lage aller russischen Wirtschaftszweige im
letzten Jahre bietet, sondern vor allem in
der ausführlichen Schilderung der Ent¬
wicklung, die seit Beginn des Weltkrieges
zum schließlich völligen Zusammenbruch des
gesamten russischen Wirischastsorganismus
geführt hat.

Der erste Teil der Abhandlung beschäftigt
sich mit den Einwirkungen des Krieges bis
zur Märzrevolution im Jahre 1917; im
zweiten Teil wird der weitere Verlauf der
Dinge unter der acht Monate langen Herr¬
schaft KerenM geschildert, «i» auf die
mißlichen Folgen der schlecht organisierten
Mobilmachung und des allzu plötzlichen all¬
gemeinen Moholverbots Wird zurück¬
gegangen, um von da aus all die Faktoren
aufzuweisen, die am Werte waren, die
kriegerische Katastrophe Rußlands zu einer
noch schlimmeren Politischen und wirtschaft¬
lichen zu machen. Es Würd- zu weit führen,
auf die wichiigen Belege einzugehen, die der
Verfasser zum Beispiel für die erbitterten
Kämpfe zwischen der zaristischen Regierung
und den Selostverwaltungskörpern (dem
Semftwo- und Städtebund und demZentral-
Knegsindustrie-Ausschuß) zitiert. Ebenso¬
wenig kann hier auf die hochinteressanter
politischen Betrachtungen eingegangen werden,
die sich auf die unmittelbare Vorgeschichte
der Märzrevolution beziehen; und auch aus
der eingehenden, durch umfangreiches Zahlen¬
material unterstützten Darstellung der Ke-
rensli-Periode sei nur der sehr wesentliche
Absatz über die gründliche und charakteristische
Zerrüttung des Eisenbahnwesens erwähnt.
Überhaupt spielt die rasche'und völlige Zer-
iriimmerung des gesamten russischen Wer-
iehrsapparates für die Folgezeit eine ver¬
hängnisvolle Rolle, und doch ist sie nur
einer der vielen von Treuenfels angeführten
Faktoren, die unter bolschewistischer Herr¬
schaft die allgemeine Wirtschaftskatastrophe
schließlich den geschilderten Grad erreichen
ließen.

Der bei weitem umfangreichste vierte
und letzte Teil des Buches ist der Beschrei-
schreibung und Begründung der dadurch
hervorgerufenen augenblicklichen wirtschaft¬
lichen Lage der Sowjet-Republik gewidmet.
Eine Fülle neuartiger Gesichtspunkte macht

[Spaltenumbruch]

dieses Kapitel besonders wertvoll. Hervor¬
gehoben sei, daß all das, was in diesem
Teil insbesondere über den Todeskampf der
Industrie in der Sowjet-Republik gesagt ist,
auch dem Deutschen sehr zu denken geben
muß. Stellen, wie der Hinweis auf die
Schuld, die die Schwäche eines großen Teils
der Betriebsleiter an der so schweren Schä¬
digung der meisten industriellen Werke trägt,
sind nicht bloß für die Beurteilung russischer
Verhältnisse von Bedeutung. Dasselbe gilt
von vielen anderen Feststellungen des Ver¬
fassers. Dem SozialisierungSmechanismuS
der Sowjetregisrung (vom Anarcho-Syndi-
kalismns zur Nationalisierung und eigent¬
lichen Sozialisierung), dem Ausbau der Jn-
dustneorganisation („die gerade dann die
höchste Stufe theoretischer Gerechtigkeit,
Zweckmäßigkeit und Bollendung erreicht haben
wird, wenn daS Substrat der Organisation,
die Industrie selber, völlig verschwunden sein
wird"'), der jetzigen Agonie der Industrie
auch im nichtbolschewistischen Süden gelten
ausführliche Abschnitts. Daneben kommen
die Betrachtungen über Landwirtschaft und
Nodenproblem, Finanz- und Währungsfragen
vielleicht ein bißchen zu kurz, doch ist ja
gerade das Schicksal der Industrie unter
bolschewistischer Herrschaft für Deutschland
von besonderem Interesse. Zudem verfügt
der Verfasser gerade auf diesem Gebiete über
größte Sachkenntnis, da er selbst lange Jahre
in der russischen Montanindustrie an leitender
Stelle stand.

Alle diese Erörterungen sind durchsetzt
von sehr bemerkenswerten Ausblicken in die
Zukunft. Das fachmännische Urteil des
Verfassers über die künftigen Entwicklungs-
möglichkeiten des russischen Wirtschaftslebens
sind von einem „trotz allem" starken Opti¬
mismus getragen. Wenn auch bei der
augenblicklichen Situation' die Gesundung
der russischen Volkswirtschaft erst in ferner
Zukunft erwartet werden kann, so darf man
ihr doch mit sicherer Gewißheit entgegen¬
sehen, denn alle Zerstörung hat die wahren
Reichtumsquellen Rußlands nicht antasten
können; die liegen „in seinem Boden, in
seinen undurchdringlichen Wäldern und in
den reichen Schätzen seines Bodens unter
Tage".

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[0241] Bücherschau Lage aller russischen Wirtschaftszweige im letzten Jahre bietet, sondern vor allem in der ausführlichen Schilderung der Ent¬ wicklung, die seit Beginn des Weltkrieges zum schließlich völligen Zusammenbruch des gesamten russischen Wirischastsorganismus geführt hat. Der erste Teil der Abhandlung beschäftigt sich mit den Einwirkungen des Krieges bis zur Märzrevolution im Jahre 1917; im zweiten Teil wird der weitere Verlauf der Dinge unter der acht Monate langen Herr¬ schaft KerenM geschildert, «i» auf die mißlichen Folgen der schlecht organisierten Mobilmachung und des allzu plötzlichen all¬ gemeinen Moholverbots Wird zurück¬ gegangen, um von da aus all die Faktoren aufzuweisen, die am Werte waren, die kriegerische Katastrophe Rußlands zu einer noch schlimmeren Politischen und wirtschaft¬ lichen zu machen. Es Würd- zu weit führen, auf die wichiigen Belege einzugehen, die der Verfasser zum Beispiel für die erbitterten Kämpfe zwischen der zaristischen Regierung und den Selostverwaltungskörpern (dem Semftwo- und Städtebund und demZentral- Knegsindustrie-Ausschuß) zitiert. Ebenso¬ wenig kann hier auf die hochinteressanter politischen Betrachtungen eingegangen werden, die sich auf die unmittelbare Vorgeschichte der Märzrevolution beziehen; und auch aus der eingehenden, durch umfangreiches Zahlen¬ material unterstützten Darstellung der Ke- rensli-Periode sei nur der sehr wesentliche Absatz über die gründliche und charakteristische Zerrüttung des Eisenbahnwesens erwähnt. Überhaupt spielt die rasche'und völlige Zer- iriimmerung des gesamten russischen Wer- iehrsapparates für die Folgezeit eine ver¬ hängnisvolle Rolle, und doch ist sie nur einer der vielen von Treuenfels angeführten Faktoren, die unter bolschewistischer Herr¬ schaft die allgemeine Wirtschaftskatastrophe schließlich den geschilderten Grad erreichen ließen. Der bei weitem umfangreichste vierte und letzte Teil des Buches ist der Beschrei- schreibung und Begründung der dadurch hervorgerufenen augenblicklichen wirtschaft¬ lichen Lage der Sowjet-Republik gewidmet. Eine Fülle neuartiger Gesichtspunkte macht dieses Kapitel besonders wertvoll. Hervor¬ gehoben sei, daß all das, was in diesem Teil insbesondere über den Todeskampf der Industrie in der Sowjet-Republik gesagt ist, auch dem Deutschen sehr zu denken geben muß. Stellen, wie der Hinweis auf die Schuld, die die Schwäche eines großen Teils der Betriebsleiter an der so schweren Schä¬ digung der meisten industriellen Werke trägt, sind nicht bloß für die Beurteilung russischer Verhältnisse von Bedeutung. Dasselbe gilt von vielen anderen Feststellungen des Ver¬ fassers. Dem SozialisierungSmechanismuS der Sowjetregisrung (vom Anarcho-Syndi- kalismns zur Nationalisierung und eigent¬ lichen Sozialisierung), dem Ausbau der Jn- dustneorganisation („die gerade dann die höchste Stufe theoretischer Gerechtigkeit, Zweckmäßigkeit und Bollendung erreicht haben wird, wenn daS Substrat der Organisation, die Industrie selber, völlig verschwunden sein wird"'), der jetzigen Agonie der Industrie auch im nichtbolschewistischen Süden gelten ausführliche Abschnitts. Daneben kommen die Betrachtungen über Landwirtschaft und Nodenproblem, Finanz- und Währungsfragen vielleicht ein bißchen zu kurz, doch ist ja gerade das Schicksal der Industrie unter bolschewistischer Herrschaft für Deutschland von besonderem Interesse. Zudem verfügt der Verfasser gerade auf diesem Gebiete über größte Sachkenntnis, da er selbst lange Jahre in der russischen Montanindustrie an leitender Stelle stand. Alle diese Erörterungen sind durchsetzt von sehr bemerkenswerten Ausblicken in die Zukunft. Das fachmännische Urteil des Verfassers über die künftigen Entwicklungs- möglichkeiten des russischen Wirtschaftslebens sind von einem „trotz allem" starken Opti¬ mismus getragen. Wenn auch bei der augenblicklichen Situation' die Gesundung der russischen Volkswirtschaft erst in ferner Zukunft erwartet werden kann, so darf man ihr doch mit sicherer Gewißheit entgegen¬ sehen, denn alle Zerstörung hat die wahren Reichtumsquellen Rußlands nicht antasten können; die liegen „in seinem Boden, in seinen undurchdringlichen Wäldern und in den reichen Schätzen seines Bodens unter Tage".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/241>, abgerufen am 22.07.2024.