Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Die Spekulation mit Immobilien wie für den anderen war die Rentabilität der Immobilien gleichgültig. Hierin Wodurch erklärt es sich jedoch, daß der Hausbesitz keinen Gewinn abwarf Die Gesetze betreffend das Verbot der Steigerung der Wohnungsmieten, die Drei Wohuungsgesetze wurden im Zeitraum von 1916 bis 1918 erlassen. Indem das Gesetz den Hausbesitzer der freien Verfügungsmöglichkeit über Die Spekulation mit Immobilien wie für den anderen war die Rentabilität der Immobilien gleichgültig. Hierin Wodurch erklärt es sich jedoch, daß der Hausbesitz keinen Gewinn abwarf Die Gesetze betreffend das Verbot der Steigerung der Wohnungsmieten, die Drei Wohuungsgesetze wurden im Zeitraum von 1916 bis 1918 erlassen. Indem das Gesetz den Hausbesitzer der freien Verfügungsmöglichkeit über <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337466"/> <fw type="header" place="top"> Die Spekulation mit Immobilien</fw><lb/> <p xml:id="ID_788" prev="#ID_787"> wie für den anderen war die Rentabilität der Immobilien gleichgültig. Hierin<lb/> erblicke ich eine psychologische Eigentümlichkeit: die Immobilien wurden zwecks<lb/> sicherer Kapitalsanlage erworben, unabhängig von den Gewinnchancen des in sie<lb/> investierten Kapitals.</p><lb/> <p xml:id="ID_789"> Wodurch erklärt es sich jedoch, daß der Hausbesitz keinen Gewinn abwarf<lb/> und sogar Verluste brachte? Der Grund liegt einzig in folgendem: in der pro-<lb/> hibitiven Gesetzgebung betreffend die Steigerung der Wohnungsmieten bei gleich¬<lb/> zeitiger ungeheurer Steigerung aller Unkosten.</p><lb/> <p xml:id="ID_790"> Die Gesetze betreffend das Verbot der Steigerung der Wohnungsmieten, die<lb/> sowohl von der zarischen als auch der Kerenski-Regierung erlassen wurden, stellen<lb/> deshalb eine besonders interessante Erscheinung dar, weil die Wohnungsfrage das<lb/> einzige Gebiet war, in welches einzugreifen die Gesetzgebung für nötig befand.<lb/> Das Verbot für die Hausbesitzer, die Mieter zu steigern, war das einzige Verbot<lb/> von Preissteigerungen, welches der Regierung durchzuführen gelungen war. Die<lb/> gesamte Lebenshaltung wurde täglich, ja stündlich teurer, die Preise schnellten<lb/> ungeahnt in die Höhe. Nur die Wohnungsmieten waren, abgesehen von<lb/> unbeträchtlichen Aufschlägen, fast dieselben wie vor dem Kriege? außerdem wußte<lb/> der Wohmmgsmieter sich aus jede Weise vor der Willkür der Hausbesitzer zu<lb/> schützen. Solch eine Fürsorge der Gesetzgeber gegenüber den Wohnungsmietern<lb/> erklärt sich vor allem dadurch, daß es natürlich notwendig war, die Wohnungs¬<lb/> frage zu regeln, welche sich schon seit 1916 äußerst zugespitzt hatte. Die großen<lb/> Städte überfüllten sich mit Flüchtlingen aus den vom Feinde besetzten Gebieten.<lb/> Neue Häuser konnten dagegen nicht gebaut werden. Ferner war es dem Gesetz¬<lb/> geber äußerst leicht, seine prohibitiven Maßnahmen zu verwirklichen. Er fesselte<lb/> den Mieter an die Wohnung (er konnte nämlich nirgends wohin übersiedeln, und<lb/> ihn auszumieten verbot das Gesetz), regulierte die Wohnungsmiete und machte es<lb/> dem Hausbesitzer dadurch völlig unmöglich, in Wohnungen zu spekulieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_791"> Drei Wohuungsgesetze wurden im Zeitraum von 1916 bis 1918 erlassen.<lb/> Das erste Gesetz im September 1916 von der Zarenregierung, dann das Gesetz<lb/> vom 5. August 1917 von der Kerenski-Regierung und endlich das Gesetz vom<lb/> 26. Oktober 1918 von der Hetmans-Regierung in der Ukraine. Ich verzichte aus<lb/> eine genaue Analyse dieser Gesetze und begnüge mich nur mit der Darlegung ihrer<lb/> charakteristischsten Grundzüge. Die Gesetze von 1916 und 1917 waren zur Siche¬<lb/> rung der Interessen der Wohnuugsmieter zum Nachteil der Hausbesitzerinteressen<lb/> erlassen. In beiden Gesetzen wurde eine Staffelung der Mietensteigerung fest¬<lb/> gesetzt, wobei als Normalmiete der am Tage der Kriegserklärung, 19. Juli 1914,<lb/> gültige Preis zugrunde gelegt wurde. Zu diesem Grundpreise wurden je nach<lb/> den in Kategorien eingekeilten Städten (nach ihrer Größe) 19 Prozent (laut Gesetz<lb/> vom Jahre 1916) und 15 Prozent (laut Gesetz vom Jahre 1917) bis 100 Prozent<lb/> zugeschlagen, angefangen mit einer Miete von 1500 Rubeln jährlich. Die Haus¬<lb/> besitzer haben kein Recht, dem Mieter die Wohnung zu kündigen, wenn dieser etwa<lb/> die Miete nicht pünktlich zahlt.</p><lb/> <p xml:id="ID_792" next="#ID_793"> Indem das Gesetz den Hausbesitzer der freien Verfügungsmöglichkeit über<lb/> sein Haus beraubt, hindert es den Wohnungsmieter nicht, mit feiner Wohnung<lb/> zu spekulieren. Das Gesetz gewährte dem Hausbesitzer eine unwesentliche Mieth-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0229]
Die Spekulation mit Immobilien
wie für den anderen war die Rentabilität der Immobilien gleichgültig. Hierin
erblicke ich eine psychologische Eigentümlichkeit: die Immobilien wurden zwecks
sicherer Kapitalsanlage erworben, unabhängig von den Gewinnchancen des in sie
investierten Kapitals.
Wodurch erklärt es sich jedoch, daß der Hausbesitz keinen Gewinn abwarf
und sogar Verluste brachte? Der Grund liegt einzig in folgendem: in der pro-
hibitiven Gesetzgebung betreffend die Steigerung der Wohnungsmieten bei gleich¬
zeitiger ungeheurer Steigerung aller Unkosten.
Die Gesetze betreffend das Verbot der Steigerung der Wohnungsmieten, die
sowohl von der zarischen als auch der Kerenski-Regierung erlassen wurden, stellen
deshalb eine besonders interessante Erscheinung dar, weil die Wohnungsfrage das
einzige Gebiet war, in welches einzugreifen die Gesetzgebung für nötig befand.
Das Verbot für die Hausbesitzer, die Mieter zu steigern, war das einzige Verbot
von Preissteigerungen, welches der Regierung durchzuführen gelungen war. Die
gesamte Lebenshaltung wurde täglich, ja stündlich teurer, die Preise schnellten
ungeahnt in die Höhe. Nur die Wohnungsmieten waren, abgesehen von
unbeträchtlichen Aufschlägen, fast dieselben wie vor dem Kriege? außerdem wußte
der Wohmmgsmieter sich aus jede Weise vor der Willkür der Hausbesitzer zu
schützen. Solch eine Fürsorge der Gesetzgeber gegenüber den Wohnungsmietern
erklärt sich vor allem dadurch, daß es natürlich notwendig war, die Wohnungs¬
frage zu regeln, welche sich schon seit 1916 äußerst zugespitzt hatte. Die großen
Städte überfüllten sich mit Flüchtlingen aus den vom Feinde besetzten Gebieten.
Neue Häuser konnten dagegen nicht gebaut werden. Ferner war es dem Gesetz¬
geber äußerst leicht, seine prohibitiven Maßnahmen zu verwirklichen. Er fesselte
den Mieter an die Wohnung (er konnte nämlich nirgends wohin übersiedeln, und
ihn auszumieten verbot das Gesetz), regulierte die Wohnungsmiete und machte es
dem Hausbesitzer dadurch völlig unmöglich, in Wohnungen zu spekulieren.
Drei Wohuungsgesetze wurden im Zeitraum von 1916 bis 1918 erlassen.
Das erste Gesetz im September 1916 von der Zarenregierung, dann das Gesetz
vom 5. August 1917 von der Kerenski-Regierung und endlich das Gesetz vom
26. Oktober 1918 von der Hetmans-Regierung in der Ukraine. Ich verzichte aus
eine genaue Analyse dieser Gesetze und begnüge mich nur mit der Darlegung ihrer
charakteristischsten Grundzüge. Die Gesetze von 1916 und 1917 waren zur Siche¬
rung der Interessen der Wohnuugsmieter zum Nachteil der Hausbesitzerinteressen
erlassen. In beiden Gesetzen wurde eine Staffelung der Mietensteigerung fest¬
gesetzt, wobei als Normalmiete der am Tage der Kriegserklärung, 19. Juli 1914,
gültige Preis zugrunde gelegt wurde. Zu diesem Grundpreise wurden je nach
den in Kategorien eingekeilten Städten (nach ihrer Größe) 19 Prozent (laut Gesetz
vom Jahre 1916) und 15 Prozent (laut Gesetz vom Jahre 1917) bis 100 Prozent
zugeschlagen, angefangen mit einer Miete von 1500 Rubeln jährlich. Die Haus¬
besitzer haben kein Recht, dem Mieter die Wohnung zu kündigen, wenn dieser etwa
die Miete nicht pünktlich zahlt.
Indem das Gesetz den Hausbesitzer der freien Verfügungsmöglichkeit über
sein Haus beraubt, hindert es den Wohnungsmieter nicht, mit feiner Wohnung
zu spekulieren. Das Gesetz gewährte dem Hausbesitzer eine unwesentliche Mieth-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |