Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Spekulation mit Immobilien

erst in sehr langsamer, mühevoller Arbeit, die Minderwertigkeit des Beamten¬
personals erst durch Verallgemeinerung des Interesses für die Kolonie in Belgien
Mieder gut machen. Belgien wird lernen müssen, Opfer für feine Kolonie zu
bringen, um aus ihr ernten zu können. Die Zeit des kostenlosen Raubbaues ist
auch für den Kongo endgültig vorbei. Mochte sich Belgien zu einem solchen
Wandel seiner Kolonialpolitik aufraffen, möchte eine neue und glücklichere Ära
für den trotz allem zukunftsreichen Kongo beginnen, das Land und seine Bewohner
-- darin stimme ich vollkommen mit Delcommune überein -- verdienen es nicht
nur, sie haben ein Recht darauf.




Die Spekulation mit Immobilien
in den Städten Rußlands und der Ukraine
Dr. s. Rutschcroff von

!as Wirtschaftliche Leben der ganzen Welt hat während des Krieges
gewaltige Erschütterungen durchgemacht. Diese Erschütterungen
> waren so tiefgreifend, daß ihre Folgen noch lange Zeit zu spüren
sein werden; das erschütterte Gleichgewicht auf allen Gebieten der
! Staatswirtschaft dürfte Wohl nicht so bald behoben sein. Nirgends
jedoch hat die Zerrüttung der Volkswirtschaft solch einen Umfang erreicht, wie
in Nußland und in der Ukraine. Diese unermeßlichen, ungemein reichen, äußerst
lebensfähigen Gebiete haben lange dem wirtschaftlichen Niedergang Widerstand
entgegengesetzt, bis endlich das Unwetter der politischen Ereignisse, welches den
Geschützdonner an Gewalt noch übertraf und alles niederriß, die ehemaligen
Grundlagen des Wirtschaftslebens völlig vernichtete und, ohne neue Lebens¬
bedingungen zu schaffen, das Land einem vollständigen Chaos preisgab.

Alle Zweige der Volkswirtschaft, alle Gebiete des Wirtschaftslebens der
einzelnen Staaten wie der ganzen Welt sind streng koordiniert und absolut von
einander abhängig. Jede scheinbar noch so unbedeutende Ursache übt ihre
Wirkung aus. Es ist zum Beispiel bekannt, daß jede Brotverteuerung sich in der
Zahl der Eheschließungen bei den Arbeitern bemerkbar macht. Der überaus
empfindliche wirtschaftliche Apparat arbeitet gleichmäßig und erfolgreich, solange
nicht irgendwelche außergewöhnliche Ereignisse politischen oder anderen Charak¬
ters, wie zum Beispiel eine Mißernte, durch ihre schädliche Beeinflussung des
einen bestimmten Wirtschaftszweiges das gesamte System mehr oder weniger aus
dem Gleichgewicht bringen.

Der ganze Prozeß der allmählichen Zerrüttung des Wirtschaftslebens Ru߬
lands und der Ukraine, welcher durch den Krieg verursacht war, ließe sich mit
einem Satz kurz charakterisieren: ein unaufhaltsamer Niedergang des Geldwertes
bei gleichzeitiger andauernder Verteuerung der Waren. Ich werde hier die
Gründe dieser Erscheinung nicht eingehend untersuchen. Sie liegen übrigens
recht klar zutage. Es sind dies die ungeheuren unproduktiven Ausgaben, welche


Die Spekulation mit Immobilien

erst in sehr langsamer, mühevoller Arbeit, die Minderwertigkeit des Beamten¬
personals erst durch Verallgemeinerung des Interesses für die Kolonie in Belgien
Mieder gut machen. Belgien wird lernen müssen, Opfer für feine Kolonie zu
bringen, um aus ihr ernten zu können. Die Zeit des kostenlosen Raubbaues ist
auch für den Kongo endgültig vorbei. Mochte sich Belgien zu einem solchen
Wandel seiner Kolonialpolitik aufraffen, möchte eine neue und glücklichere Ära
für den trotz allem zukunftsreichen Kongo beginnen, das Land und seine Bewohner
— darin stimme ich vollkommen mit Delcommune überein — verdienen es nicht
nur, sie haben ein Recht darauf.




Die Spekulation mit Immobilien
in den Städten Rußlands und der Ukraine
Dr. s. Rutschcroff von

!as Wirtschaftliche Leben der ganzen Welt hat während des Krieges
gewaltige Erschütterungen durchgemacht. Diese Erschütterungen
> waren so tiefgreifend, daß ihre Folgen noch lange Zeit zu spüren
sein werden; das erschütterte Gleichgewicht auf allen Gebieten der
! Staatswirtschaft dürfte Wohl nicht so bald behoben sein. Nirgends
jedoch hat die Zerrüttung der Volkswirtschaft solch einen Umfang erreicht, wie
in Nußland und in der Ukraine. Diese unermeßlichen, ungemein reichen, äußerst
lebensfähigen Gebiete haben lange dem wirtschaftlichen Niedergang Widerstand
entgegengesetzt, bis endlich das Unwetter der politischen Ereignisse, welches den
Geschützdonner an Gewalt noch übertraf und alles niederriß, die ehemaligen
Grundlagen des Wirtschaftslebens völlig vernichtete und, ohne neue Lebens¬
bedingungen zu schaffen, das Land einem vollständigen Chaos preisgab.

Alle Zweige der Volkswirtschaft, alle Gebiete des Wirtschaftslebens der
einzelnen Staaten wie der ganzen Welt sind streng koordiniert und absolut von
einander abhängig. Jede scheinbar noch so unbedeutende Ursache übt ihre
Wirkung aus. Es ist zum Beispiel bekannt, daß jede Brotverteuerung sich in der
Zahl der Eheschließungen bei den Arbeitern bemerkbar macht. Der überaus
empfindliche wirtschaftliche Apparat arbeitet gleichmäßig und erfolgreich, solange
nicht irgendwelche außergewöhnliche Ereignisse politischen oder anderen Charak¬
ters, wie zum Beispiel eine Mißernte, durch ihre schädliche Beeinflussung des
einen bestimmten Wirtschaftszweiges das gesamte System mehr oder weniger aus
dem Gleichgewicht bringen.

Der ganze Prozeß der allmählichen Zerrüttung des Wirtschaftslebens Ru߬
lands und der Ukraine, welcher durch den Krieg verursacht war, ließe sich mit
einem Satz kurz charakterisieren: ein unaufhaltsamer Niedergang des Geldwertes
bei gleichzeitiger andauernder Verteuerung der Waren. Ich werde hier die
Gründe dieser Erscheinung nicht eingehend untersuchen. Sie liegen übrigens
recht klar zutage. Es sind dies die ungeheuren unproduktiven Ausgaben, welche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337463"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Spekulation mit Immobilien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_778" prev="#ID_777"> erst in sehr langsamer, mühevoller Arbeit, die Minderwertigkeit des Beamten¬<lb/>
personals erst durch Verallgemeinerung des Interesses für die Kolonie in Belgien<lb/>
Mieder gut machen. Belgien wird lernen müssen, Opfer für feine Kolonie zu<lb/>
bringen, um aus ihr ernten zu können. Die Zeit des kostenlosen Raubbaues ist<lb/>
auch für den Kongo endgültig vorbei. Mochte sich Belgien zu einem solchen<lb/>
Wandel seiner Kolonialpolitik aufraffen, möchte eine neue und glücklichere Ära<lb/>
für den trotz allem zukunftsreichen Kongo beginnen, das Land und seine Bewohner<lb/>
&#x2014; darin stimme ich vollkommen mit Delcommune überein &#x2014; verdienen es nicht<lb/>
nur, sie haben ein Recht darauf.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Spekulation mit Immobilien<lb/>
in den Städten Rußlands und der Ukraine<lb/><note type="byline"> Dr. s. Rutschcroff</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_779"> !as Wirtschaftliche Leben der ganzen Welt hat während des Krieges<lb/>
gewaltige Erschütterungen durchgemacht. Diese Erschütterungen<lb/>
&gt; waren so tiefgreifend, daß ihre Folgen noch lange Zeit zu spüren<lb/>
sein werden; das erschütterte Gleichgewicht auf allen Gebieten der<lb/>
! Staatswirtschaft dürfte Wohl nicht so bald behoben sein. Nirgends<lb/>
jedoch hat die Zerrüttung der Volkswirtschaft solch einen Umfang erreicht, wie<lb/>
in Nußland und in der Ukraine. Diese unermeßlichen, ungemein reichen, äußerst<lb/>
lebensfähigen Gebiete haben lange dem wirtschaftlichen Niedergang Widerstand<lb/>
entgegengesetzt, bis endlich das Unwetter der politischen Ereignisse, welches den<lb/>
Geschützdonner an Gewalt noch übertraf und alles niederriß, die ehemaligen<lb/>
Grundlagen des Wirtschaftslebens völlig vernichtete und, ohne neue Lebens¬<lb/>
bedingungen zu schaffen, das Land einem vollständigen Chaos preisgab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_780"> Alle Zweige der Volkswirtschaft, alle Gebiete des Wirtschaftslebens der<lb/>
einzelnen Staaten wie der ganzen Welt sind streng koordiniert und absolut von<lb/>
einander abhängig. Jede scheinbar noch so unbedeutende Ursache übt ihre<lb/>
Wirkung aus. Es ist zum Beispiel bekannt, daß jede Brotverteuerung sich in der<lb/>
Zahl der Eheschließungen bei den Arbeitern bemerkbar macht. Der überaus<lb/>
empfindliche wirtschaftliche Apparat arbeitet gleichmäßig und erfolgreich, solange<lb/>
nicht irgendwelche außergewöhnliche Ereignisse politischen oder anderen Charak¬<lb/>
ters, wie zum Beispiel eine Mißernte, durch ihre schädliche Beeinflussung des<lb/>
einen bestimmten Wirtschaftszweiges das gesamte System mehr oder weniger aus<lb/>
dem Gleichgewicht bringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_781" next="#ID_782"> Der ganze Prozeß der allmählichen Zerrüttung des Wirtschaftslebens Ru߬<lb/>
lands und der Ukraine, welcher durch den Krieg verursacht war, ließe sich mit<lb/>
einem Satz kurz charakterisieren: ein unaufhaltsamer Niedergang des Geldwertes<lb/>
bei gleichzeitiger andauernder Verteuerung der Waren. Ich werde hier die<lb/>
Gründe dieser Erscheinung nicht eingehend untersuchen. Sie liegen übrigens<lb/>
recht klar zutage. Es sind dies die ungeheuren unproduktiven Ausgaben, welche</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] Die Spekulation mit Immobilien erst in sehr langsamer, mühevoller Arbeit, die Minderwertigkeit des Beamten¬ personals erst durch Verallgemeinerung des Interesses für die Kolonie in Belgien Mieder gut machen. Belgien wird lernen müssen, Opfer für feine Kolonie zu bringen, um aus ihr ernten zu können. Die Zeit des kostenlosen Raubbaues ist auch für den Kongo endgültig vorbei. Mochte sich Belgien zu einem solchen Wandel seiner Kolonialpolitik aufraffen, möchte eine neue und glücklichere Ära für den trotz allem zukunftsreichen Kongo beginnen, das Land und seine Bewohner — darin stimme ich vollkommen mit Delcommune überein — verdienen es nicht nur, sie haben ein Recht darauf. Die Spekulation mit Immobilien in den Städten Rußlands und der Ukraine Dr. s. Rutschcroff von !as Wirtschaftliche Leben der ganzen Welt hat während des Krieges gewaltige Erschütterungen durchgemacht. Diese Erschütterungen > waren so tiefgreifend, daß ihre Folgen noch lange Zeit zu spüren sein werden; das erschütterte Gleichgewicht auf allen Gebieten der ! Staatswirtschaft dürfte Wohl nicht so bald behoben sein. Nirgends jedoch hat die Zerrüttung der Volkswirtschaft solch einen Umfang erreicht, wie in Nußland und in der Ukraine. Diese unermeßlichen, ungemein reichen, äußerst lebensfähigen Gebiete haben lange dem wirtschaftlichen Niedergang Widerstand entgegengesetzt, bis endlich das Unwetter der politischen Ereignisse, welches den Geschützdonner an Gewalt noch übertraf und alles niederriß, die ehemaligen Grundlagen des Wirtschaftslebens völlig vernichtete und, ohne neue Lebens¬ bedingungen zu schaffen, das Land einem vollständigen Chaos preisgab. Alle Zweige der Volkswirtschaft, alle Gebiete des Wirtschaftslebens der einzelnen Staaten wie der ganzen Welt sind streng koordiniert und absolut von einander abhängig. Jede scheinbar noch so unbedeutende Ursache übt ihre Wirkung aus. Es ist zum Beispiel bekannt, daß jede Brotverteuerung sich in der Zahl der Eheschließungen bei den Arbeitern bemerkbar macht. Der überaus empfindliche wirtschaftliche Apparat arbeitet gleichmäßig und erfolgreich, solange nicht irgendwelche außergewöhnliche Ereignisse politischen oder anderen Charak¬ ters, wie zum Beispiel eine Mißernte, durch ihre schädliche Beeinflussung des einen bestimmten Wirtschaftszweiges das gesamte System mehr oder weniger aus dem Gleichgewicht bringen. Der ganze Prozeß der allmählichen Zerrüttung des Wirtschaftslebens Ru߬ lands und der Ukraine, welcher durch den Krieg verursacht war, ließe sich mit einem Satz kurz charakterisieren: ein unaufhaltsamer Niedergang des Geldwertes bei gleichzeitiger andauernder Verteuerung der Waren. Ich werde hier die Gründe dieser Erscheinung nicht eingehend untersuchen. Sie liegen übrigens recht klar zutage. Es sind dies die ungeheuren unproduktiven Ausgaben, welche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/226>, abgerufen am 03.07.2024.