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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Weltspiegel

Unter der Regierung Vaida Woevods wurde in Altrumänien wie in Sieben-
Kürgen und Bebarabien die Demobilisierung der Truppen nicht durchgeführt, wo¬
durch viele Bauern ihrer Arbeit entzogen wurden. Hier wie dort hat der Staat
die landwirtschaftlichen Erzeugnisse vielfach ohne ausreichende Entschädigung re¬
quiriert. Hier wie dort sind die Rechts- und Besitzverhältnisse auf dem Lande
ungeklärt. Eine Agrarreform ist zwar mit geringen Abweichungen für alle Ge¬
biete votiere. Der Widerstand der Bojaren hat jedoch ihre Durchführung unter
der Regierung Vaida Woevods verhindert. Sogar ihr Inhalt stand in Frage.
Abänderungen waren geplant. So kann man verstehen, daß der bisher geknechtete
halbfreie Bauer Altrumänisns seine Arbeit liegen IM. Der alte Druck der
Großgrundbesitzer ist beseitigt, die Freude an der eigenen Scholle kann nicht auf¬
kommen, denn keiner weiß, ob und wann das Land ihm gehört, das er bisher
unter Knntenhieben bestellt hat. Das Mißtrauen des Altrumänen ist wohl berechtigt.
Die bisherigen Regierungsparteien haben ihm gegenüber sich große Fehler zu
schulden kommen lassen. Die Agrarreform wurde jahrzehntelang im Wcihlkmnpf
verheißen, nach den Wahlen vergessen.

Die Bevölkerung Siebenbürgens setzte mehr Vertrauen in die Negierung
Vaidas, der ja ihr Vertrauensmann war. In Veßarcibicn ist die Durchführung
der Agrarreform ebenfalls erleichtert, da die Großgrundbesitzer hier nicht den Ein.
fluß auf die rumänische Verwaltung ausüben wie in Altrumänien. So geht in
den neuen Provinzen die Landarbeit ruhig weiter.

Die traurige innerpolitische Lage hat ihren Eindruck auf das kulturell
höher stehende Siebenbürgen nicht verfehlt. Die Unzufriedenheit der Siebcnbürger-
Rumänen mit der Bukarester Verwaltung, die Gegensätzlichkeiten gegen die Ru¬
mänen des Königreiches haben zugenommen. Autonomistische Wünsche und Pläne
tauchen in Siebenbürgen auf. Ungarische Nachrichten wollen hieraus den Wunsch
Siebenbürgens nach Wiedervereinigung mit Ungarn herauskonstruieren. Dies ist
vollkommen irrig. Es müßte schon sehr weit kommen, wenn die Maßnahmen
Bukarests die Rumänen Siebenbürgens in die Arme Ungarns zurück trieben.

Vaida Woevoo ist diesen Schwierigkeiten schließlich zum Opfer gefallen.
Er vermochte die Zersetzung nicht einzudämmen. Immerhin hat er einige positive
Erfolge während seiner Ministerpräsidentschaft auszuweisen. In Paris und London
hatte er die Anerkennung der Zugehörigkeit Beszarabiens zum großrumänischen
Reiche durchgesetzt. Die Weflmächte haben sich nicht länger der Erkenntnis ver¬
schließen können, daß durch ihre bisherige Haltung die Stellung Rumäniens
gegenüber dem Bolschewismus bedeutend erschwert würde. Vaida Woevoo ist eS
ferner gelungen, die Votschaftcrkonsercnz dahin zu bringen, die anmaßenden
ungarischen Gegenvorschläge zum Frieden von Neuilly für haltlos und unberechtigt
?.u halten- Es scheint ihm ferner gelungen zu sein, für die ungarischen Ersatz¬
ansprüche für die rumänischen Requisitionen in Ungarn eine befriedigende Losung
zu finden. Er hat auch die bolschewistische Gefahr für den Augenblick gebannt.
Er hat Friedensverhandlungen mit Moskau aufgenommen, die allerdings noch zu
keinem Abschluß gekommen sind. Damit hat er den Bolschcmistenfreunden rü
Rumänien ein gutes AgitationSmittcl entzogen. Er hat erreicht, daß die Be¬
unruhigung der veßarabischen Grenze durch rote Truppen aufgehört hat. Dies
ist um so wichtiger, als das rumänische Heer immer unzuverlässiger wird. Die
Soldaten, die zum Teil schon über sechs Jahre ihrem Beruf entzogen sind, wollen
entlassen werden. Die Disziplin laßt nach, viele Offiziere haben ihre Autorität
verloren.

An Vaida Woevods Stelle ist General Averescu getreten. Er scheint der
beliebteste Politiker im heutigen Rumänien zu sein. Seine Berufung hat be¬
geisterte Zustimmung besonders bei den kleinen Bauern gefunden. Er ist der
Führer der erst vor kurzem gegründeten Volksliga. Sein proviforisches
Kabinett besteht aus Männern seiner Partei. Sein Programm ist demokratisch.
Er erkannte die Novemberwahlen und damit das bisherige Parlament nicht
an. Seine erste Regierungstat war deshalb die Auflösung des Parlament.


Weltspiegel

Unter der Regierung Vaida Woevods wurde in Altrumänien wie in Sieben-
Kürgen und Bebarabien die Demobilisierung der Truppen nicht durchgeführt, wo¬
durch viele Bauern ihrer Arbeit entzogen wurden. Hier wie dort hat der Staat
die landwirtschaftlichen Erzeugnisse vielfach ohne ausreichende Entschädigung re¬
quiriert. Hier wie dort sind die Rechts- und Besitzverhältnisse auf dem Lande
ungeklärt. Eine Agrarreform ist zwar mit geringen Abweichungen für alle Ge¬
biete votiere. Der Widerstand der Bojaren hat jedoch ihre Durchführung unter
der Regierung Vaida Woevods verhindert. Sogar ihr Inhalt stand in Frage.
Abänderungen waren geplant. So kann man verstehen, daß der bisher geknechtete
halbfreie Bauer Altrumänisns seine Arbeit liegen IM. Der alte Druck der
Großgrundbesitzer ist beseitigt, die Freude an der eigenen Scholle kann nicht auf¬
kommen, denn keiner weiß, ob und wann das Land ihm gehört, das er bisher
unter Knntenhieben bestellt hat. Das Mißtrauen des Altrumänen ist wohl berechtigt.
Die bisherigen Regierungsparteien haben ihm gegenüber sich große Fehler zu
schulden kommen lassen. Die Agrarreform wurde jahrzehntelang im Wcihlkmnpf
verheißen, nach den Wahlen vergessen.

Die Bevölkerung Siebenbürgens setzte mehr Vertrauen in die Negierung
Vaidas, der ja ihr Vertrauensmann war. In Veßarcibicn ist die Durchführung
der Agrarreform ebenfalls erleichtert, da die Großgrundbesitzer hier nicht den Ein.
fluß auf die rumänische Verwaltung ausüben wie in Altrumänien. So geht in
den neuen Provinzen die Landarbeit ruhig weiter.

Die traurige innerpolitische Lage hat ihren Eindruck auf das kulturell
höher stehende Siebenbürgen nicht verfehlt. Die Unzufriedenheit der Siebcnbürger-
Rumänen mit der Bukarester Verwaltung, die Gegensätzlichkeiten gegen die Ru¬
mänen des Königreiches haben zugenommen. Autonomistische Wünsche und Pläne
tauchen in Siebenbürgen auf. Ungarische Nachrichten wollen hieraus den Wunsch
Siebenbürgens nach Wiedervereinigung mit Ungarn herauskonstruieren. Dies ist
vollkommen irrig. Es müßte schon sehr weit kommen, wenn die Maßnahmen
Bukarests die Rumänen Siebenbürgens in die Arme Ungarns zurück trieben.

Vaida Woevoo ist diesen Schwierigkeiten schließlich zum Opfer gefallen.
Er vermochte die Zersetzung nicht einzudämmen. Immerhin hat er einige positive
Erfolge während seiner Ministerpräsidentschaft auszuweisen. In Paris und London
hatte er die Anerkennung der Zugehörigkeit Beszarabiens zum großrumänischen
Reiche durchgesetzt. Die Weflmächte haben sich nicht länger der Erkenntnis ver¬
schließen können, daß durch ihre bisherige Haltung die Stellung Rumäniens
gegenüber dem Bolschewismus bedeutend erschwert würde. Vaida Woevoo ist eS
ferner gelungen, die Votschaftcrkonsercnz dahin zu bringen, die anmaßenden
ungarischen Gegenvorschläge zum Frieden von Neuilly für haltlos und unberechtigt
?.u halten- Es scheint ihm ferner gelungen zu sein, für die ungarischen Ersatz¬
ansprüche für die rumänischen Requisitionen in Ungarn eine befriedigende Losung
zu finden. Er hat auch die bolschewistische Gefahr für den Augenblick gebannt.
Er hat Friedensverhandlungen mit Moskau aufgenommen, die allerdings noch zu
keinem Abschluß gekommen sind. Damit hat er den Bolschcmistenfreunden rü
Rumänien ein gutes AgitationSmittcl entzogen. Er hat erreicht, daß die Be¬
unruhigung der veßarabischen Grenze durch rote Truppen aufgehört hat. Dies
ist um so wichtiger, als das rumänische Heer immer unzuverlässiger wird. Die
Soldaten, die zum Teil schon über sechs Jahre ihrem Beruf entzogen sind, wollen
entlassen werden. Die Disziplin laßt nach, viele Offiziere haben ihre Autorität
verloren.

An Vaida Woevods Stelle ist General Averescu getreten. Er scheint der
beliebteste Politiker im heutigen Rumänien zu sein. Seine Berufung hat be¬
geisterte Zustimmung besonders bei den kleinen Bauern gefunden. Er ist der
Führer der erst vor kurzem gegründeten Volksliga. Sein proviforisches
Kabinett besteht aus Männern seiner Partei. Sein Programm ist demokratisch.
Er erkannte die Novemberwahlen und damit das bisherige Parlament nicht
an. Seine erste Regierungstat war deshalb die Auflösung des Parlament.


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[0113] Weltspiegel Unter der Regierung Vaida Woevods wurde in Altrumänien wie in Sieben- Kürgen und Bebarabien die Demobilisierung der Truppen nicht durchgeführt, wo¬ durch viele Bauern ihrer Arbeit entzogen wurden. Hier wie dort hat der Staat die landwirtschaftlichen Erzeugnisse vielfach ohne ausreichende Entschädigung re¬ quiriert. Hier wie dort sind die Rechts- und Besitzverhältnisse auf dem Lande ungeklärt. Eine Agrarreform ist zwar mit geringen Abweichungen für alle Ge¬ biete votiere. Der Widerstand der Bojaren hat jedoch ihre Durchführung unter der Regierung Vaida Woevods verhindert. Sogar ihr Inhalt stand in Frage. Abänderungen waren geplant. So kann man verstehen, daß der bisher geknechtete halbfreie Bauer Altrumänisns seine Arbeit liegen IM. Der alte Druck der Großgrundbesitzer ist beseitigt, die Freude an der eigenen Scholle kann nicht auf¬ kommen, denn keiner weiß, ob und wann das Land ihm gehört, das er bisher unter Knntenhieben bestellt hat. Das Mißtrauen des Altrumänen ist wohl berechtigt. Die bisherigen Regierungsparteien haben ihm gegenüber sich große Fehler zu schulden kommen lassen. Die Agrarreform wurde jahrzehntelang im Wcihlkmnpf verheißen, nach den Wahlen vergessen. Die Bevölkerung Siebenbürgens setzte mehr Vertrauen in die Negierung Vaidas, der ja ihr Vertrauensmann war. In Veßarcibicn ist die Durchführung der Agrarreform ebenfalls erleichtert, da die Großgrundbesitzer hier nicht den Ein. fluß auf die rumänische Verwaltung ausüben wie in Altrumänien. So geht in den neuen Provinzen die Landarbeit ruhig weiter. Die traurige innerpolitische Lage hat ihren Eindruck auf das kulturell höher stehende Siebenbürgen nicht verfehlt. Die Unzufriedenheit der Siebcnbürger- Rumänen mit der Bukarester Verwaltung, die Gegensätzlichkeiten gegen die Ru¬ mänen des Königreiches haben zugenommen. Autonomistische Wünsche und Pläne tauchen in Siebenbürgen auf. Ungarische Nachrichten wollen hieraus den Wunsch Siebenbürgens nach Wiedervereinigung mit Ungarn herauskonstruieren. Dies ist vollkommen irrig. Es müßte schon sehr weit kommen, wenn die Maßnahmen Bukarests die Rumänen Siebenbürgens in die Arme Ungarns zurück trieben. Vaida Woevoo ist diesen Schwierigkeiten schließlich zum Opfer gefallen. Er vermochte die Zersetzung nicht einzudämmen. Immerhin hat er einige positive Erfolge während seiner Ministerpräsidentschaft auszuweisen. In Paris und London hatte er die Anerkennung der Zugehörigkeit Beszarabiens zum großrumänischen Reiche durchgesetzt. Die Weflmächte haben sich nicht länger der Erkenntnis ver¬ schließen können, daß durch ihre bisherige Haltung die Stellung Rumäniens gegenüber dem Bolschewismus bedeutend erschwert würde. Vaida Woevoo ist eS ferner gelungen, die Votschaftcrkonsercnz dahin zu bringen, die anmaßenden ungarischen Gegenvorschläge zum Frieden von Neuilly für haltlos und unberechtigt ?.u halten- Es scheint ihm ferner gelungen zu sein, für die ungarischen Ersatz¬ ansprüche für die rumänischen Requisitionen in Ungarn eine befriedigende Losung zu finden. Er hat auch die bolschewistische Gefahr für den Augenblick gebannt. Er hat Friedensverhandlungen mit Moskau aufgenommen, die allerdings noch zu keinem Abschluß gekommen sind. Damit hat er den Bolschcmistenfreunden rü Rumänien ein gutes AgitationSmittcl entzogen. Er hat erreicht, daß die Be¬ unruhigung der veßarabischen Grenze durch rote Truppen aufgehört hat. Dies ist um so wichtiger, als das rumänische Heer immer unzuverlässiger wird. Die Soldaten, die zum Teil schon über sechs Jahre ihrem Beruf entzogen sind, wollen entlassen werden. Die Disziplin laßt nach, viele Offiziere haben ihre Autorität verloren. An Vaida Woevods Stelle ist General Averescu getreten. Er scheint der beliebteste Politiker im heutigen Rumänien zu sein. Seine Berufung hat be¬ geisterte Zustimmung besonders bei den kleinen Bauern gefunden. Er ist der Führer der erst vor kurzem gegründeten Volksliga. Sein proviforisches Kabinett besteht aus Männern seiner Partei. Sein Programm ist demokratisch. Er erkannte die Novemberwahlen und damit das bisherige Parlament nicht an. Seine erste Regierungstat war deshalb die Auflösung des Parlament.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/113>, abgerufen am 22.07.2024.