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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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wo sie jetzt noch nicht vollkommen verstanden
werden, -- "Die Worte hoc ich Wohl, allein
nur fehlt der Glaube." Die bisherigen Er¬
fahrungen haben gelehrt, das; gerade in den
Ententestaaten, auf die es beim Wieder¬
aufbau der Internationale dort in erster
Linie ankommt, ein großer Prozentsatz des
sozialistischen Proletariats abseits der Zu¬
sammenschlußbestrebungen stehen blieb und
schärfer denn je das "nationale" Moment
betont.'. Die Gründung eines "nationalen
Arbeiterverbandes" in Frankreich ist hierfür
ein typisches Beispiel. Frankreich baut in
Elsaß-Lothringen die ruhmlos erbeuteten
Festungen aus, richtet überall Flughafer ein
und bekundet ungebrochene Kriegsbereit¬
schaft. Der Gedanke der internationalen
Völkerverbrüderung im Sinne Karl Marx'
wird hiev und Leichtigkeit unterdrückt. Ähnlich
liegen die Verhältnisse bei den rechnenden
Engländern und Amerikanern. "Proletarier
aller Länder vereinigt euch"; dieser Ruf er¬
schallt nur in den schwindsüchtiger mittel¬
europäischen Staaten, in dem halbtot-
gewirtschaftetsn Rußland und in den dnrch
den Weltkrieg ebenfalls schwer heinigesuchten
Kleinstaaten. Im Herrscherboreiche des Im¬
perialismus verhallt dieser Ruf jedoch un-
gehört. Aus dieser Situation können die
deutschen Sozialisten die Lehre ziehen, daß
nicht "Internationale" in, marxistischen
Sinne sie aus ihrer Stellung als "Heim¬
arbeiter der Welt" retten kann, sondern
allein ein starkes Nationalbewußtsein, kraft
dessen die weltwirtschaftlichen Beziehungen
eher angeknüpft werden können als mit der
internationalistischen Schwarmgeisterei. Haben
wir uns erst mal alle auf unsere eigene,
geistige und ethische Kraft wieder besonnen
und Mes die Körperkräfte nicht schamlos
vergeudet, so wird das Vertrauen des Aus¬
landes in unsere Wirtschaft zurückkehren,
wird ein Aufwürisstreben möglich sein. Des¬
halb möge es dem deutschen Arbeiter noch
einmal zugerufen sein: Setzen wir Deutsch¬
land wieder recht in den Sattel, was nur
von der Grundlage eines ausgeprägten
Nationalbewußtseins geschehen kann reiten
Wi ,
G. L. rd es schon können I

Die Kokjlenverforgung Europas von In¬
genieur A. H. Goldreich, Wien. Verlag
[Spaltenumbruch]
Urban u. Schwarzenberg, Berlin N.,
Friedrichstraße 105 b.

Das Buch ist bereits 1018 erschienen;
mit besonderem Interesse verfolgt man jedoch
gerade heute die durchaus noch aktuellen
Ausführungen zu dem großen Problem der
Kohlenversorgung. Als das vorzügliche
Werk geschrieben wurde, gestalteten sich die
Produktionsverhältnisse im Kohlenbergbau
immer schwieriger; der Praktiker sowohl wie
jeder WirtschastSke.mer setzen voraus, daß
die Minderförderungen in Verbindung mit
der Transportnot Europa einem unheilvollen
Zustande entgegenführen mußte. Zur Lösung
des schwierigen Problems fordern die einen
noch heute erhöhte Bslätignng des Staates
als Unternehmer; die anderen verlangen die
freie zwanglose wirtschaftliche Entwicklung;
eine dritte Kategorie endlich verlangt eine
neue Wirtschaftsform. Der Verfasser wirft
die Frage auf: Sollen wir die neue Friedens¬
wirtschaft tatsächlich verwerfen, die gebundene
staatssozialistische Zwangswirtschaft an ihre
Stelle setzen und dem ehemals zügellosen
Erwerbsoeirieb ein jähes Ende bereiten?
Die Antwort, die er hierauf gibt, laulsl:
Der Staat wird uns die Richtung geben,
er wird der Hüter unserer Wirtschaft sein,
doch frei und auf gesetzlich vorgeschriebenen
Bahnen soll jedermann schaffen helfen, um
aus der Not zu kommen. Das Individuum
soll sich entwickeln könne", es wird der
Träger alles Fortschritts sein.

Nach demi furchtbaren Zusammenbruch im
November 1918 ist alles anders gekommen.
Der Individualismus wurde als "Sünden¬
bock der Kriegsschuld" durch deu Kollektivis¬
mus zurückgedrängt. Überall ertönte der
Ruf nach Sozialisierung, wobei man immer
wieder auf die russischen WirtschaftsverlM-
nisse hinwies. Das Problem der Soziali¬
sierung des Bergbaues steht allem voran in
Europa sowohl wie in den angelsächsischen
Ländern auf der Tagesordnung. In Deutsch¬
land haben die StaatSgruben -- Saarland
-- schon in Friedenszeit den Beweis er¬
bracht, daß sie hinter der Leistungsfähigkeit
der Privatgruben zurückblieben und auch die
Lohnverhältnisse, wie überhaupt die ganzen
Arbeitsverhälinisse lagen ungünstiger in den
Staatsbetrieben. Geblendet durch das Er¬
furter Programm stellte man diese Faktoren

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werden, — „Die Worte hoc ich Wohl, allein
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aufbau der Internationale dort in erster
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sozialistischen Proletariats abseits der Zu¬
sammenschlußbestrebungen stehen blieb und
schärfer denn je das „nationale" Moment
betont.'. Die Gründung eines „nationalen
Arbeiterverbandes" in Frankreich ist hierfür
ein typisches Beispiel. Frankreich baut in
Elsaß-Lothringen die ruhmlos erbeuteten
Festungen aus, richtet überall Flughafer ein
und bekundet ungebrochene Kriegsbereit¬
schaft. Der Gedanke der internationalen
Völkerverbrüderung im Sinne Karl Marx'
wird hiev und Leichtigkeit unterdrückt. Ähnlich
liegen die Verhältnisse bei den rechnenden
Engländern und Amerikanern. „Proletarier
aller Länder vereinigt euch"; dieser Ruf er¬
schallt nur in den schwindsüchtiger mittel¬
europäischen Staaten, in dem halbtot-
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Kleinstaaten. Im Herrscherboreiche des Im¬
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gehört. Aus dieser Situation können die
deutschen Sozialisten die Lehre ziehen, daß
nicht „Internationale" in, marxistischen
Sinne sie aus ihrer Stellung als „Heim¬
arbeiter der Welt" retten kann, sondern
allein ein starkes Nationalbewußtsein, kraft
dessen die weltwirtschaftlichen Beziehungen
eher angeknüpft werden können als mit der
internationalistischen Schwarmgeisterei. Haben
wir uns erst mal alle auf unsere eigene,
geistige und ethische Kraft wieder besonnen
und Mes die Körperkräfte nicht schamlos
vergeudet, so wird das Vertrauen des Aus¬
landes in unsere Wirtschaft zurückkehren,
wird ein Aufwürisstreben möglich sein. Des¬
halb möge es dem deutschen Arbeiter noch
einmal zugerufen sein: Setzen wir Deutsch¬
land wieder recht in den Sattel, was nur
von der Grundlage eines ausgeprägten
Nationalbewußtseins geschehen kann reiten
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Die Kokjlenverforgung Europas von In¬
genieur A. H. Goldreich, Wien. Verlag
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Urban u. Schwarzenberg, Berlin N.,
Friedrichstraße 105 b.

Das Buch ist bereits 1018 erschienen;
mit besonderem Interesse verfolgt man jedoch
gerade heute die durchaus noch aktuellen
Ausführungen zu dem großen Problem der
Kohlenversorgung. Als das vorzügliche
Werk geschrieben wurde, gestalteten sich die
Produktionsverhältnisse im Kohlenbergbau
immer schwieriger; der Praktiker sowohl wie
jeder WirtschastSke.mer setzen voraus, daß
die Minderförderungen in Verbindung mit
der Transportnot Europa einem unheilvollen
Zustande entgegenführen mußte. Zur Lösung
des schwierigen Problems fordern die einen
noch heute erhöhte Bslätignng des Staates
als Unternehmer; die anderen verlangen die
freie zwanglose wirtschaftliche Entwicklung;
eine dritte Kategorie endlich verlangt eine
neue Wirtschaftsform. Der Verfasser wirft
die Frage auf: Sollen wir die neue Friedens¬
wirtschaft tatsächlich verwerfen, die gebundene
staatssozialistische Zwangswirtschaft an ihre
Stelle setzen und dem ehemals zügellosen
Erwerbsoeirieb ein jähes Ende bereiten?
Die Antwort, die er hierauf gibt, laulsl:
Der Staat wird uns die Richtung geben,
er wird der Hüter unserer Wirtschaft sein,
doch frei und auf gesetzlich vorgeschriebenen
Bahnen soll jedermann schaffen helfen, um
aus der Not zu kommen. Das Individuum
soll sich entwickeln könne», es wird der
Träger alles Fortschritts sein.

Nach demi furchtbaren Zusammenbruch im
November 1918 ist alles anders gekommen.
Der Individualismus wurde als „Sünden¬
bock der Kriegsschuld" durch deu Kollektivis¬
mus zurückgedrängt. Überall ertönte der
Ruf nach Sozialisierung, wobei man immer
wieder auf die russischen WirtschaftsverlM-
nisse hinwies. Das Problem der Soziali¬
sierung des Bergbaues steht allem voran in
Europa sowohl wie in den angelsächsischen
Ländern auf der Tagesordnung. In Deutsch¬
land haben die StaatSgruben — Saarland
— schon in Friedenszeit den Beweis er¬
bracht, daß sie hinter der Leistungsfähigkeit
der Privatgruben zurückblieben und auch die
Lohnverhältnisse, wie überhaupt die ganzen
Arbeitsverhälinisse lagen ungünstiger in den
Staatsbetrieben. Geblendet durch das Er¬
furter Programm stellte man diese Faktoren

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[0077] Bücherschau wo sie jetzt noch nicht vollkommen verstanden werden, — „Die Worte hoc ich Wohl, allein nur fehlt der Glaube." Die bisherigen Er¬ fahrungen haben gelehrt, das; gerade in den Ententestaaten, auf die es beim Wieder¬ aufbau der Internationale dort in erster Linie ankommt, ein großer Prozentsatz des sozialistischen Proletariats abseits der Zu¬ sammenschlußbestrebungen stehen blieb und schärfer denn je das „nationale" Moment betont.'. Die Gründung eines „nationalen Arbeiterverbandes" in Frankreich ist hierfür ein typisches Beispiel. Frankreich baut in Elsaß-Lothringen die ruhmlos erbeuteten Festungen aus, richtet überall Flughafer ein und bekundet ungebrochene Kriegsbereit¬ schaft. Der Gedanke der internationalen Völkerverbrüderung im Sinne Karl Marx' wird hiev und Leichtigkeit unterdrückt. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den rechnenden Engländern und Amerikanern. „Proletarier aller Länder vereinigt euch"; dieser Ruf er¬ schallt nur in den schwindsüchtiger mittel¬ europäischen Staaten, in dem halbtot- gewirtschaftetsn Rußland und in den dnrch den Weltkrieg ebenfalls schwer heinigesuchten Kleinstaaten. Im Herrscherboreiche des Im¬ perialismus verhallt dieser Ruf jedoch un- gehört. Aus dieser Situation können die deutschen Sozialisten die Lehre ziehen, daß nicht „Internationale" in, marxistischen Sinne sie aus ihrer Stellung als „Heim¬ arbeiter der Welt" retten kann, sondern allein ein starkes Nationalbewußtsein, kraft dessen die weltwirtschaftlichen Beziehungen eher angeknüpft werden können als mit der internationalistischen Schwarmgeisterei. Haben wir uns erst mal alle auf unsere eigene, geistige und ethische Kraft wieder besonnen und Mes die Körperkräfte nicht schamlos vergeudet, so wird das Vertrauen des Aus¬ landes in unsere Wirtschaft zurückkehren, wird ein Aufwürisstreben möglich sein. Des¬ halb möge es dem deutschen Arbeiter noch einmal zugerufen sein: Setzen wir Deutsch¬ land wieder recht in den Sattel, was nur von der Grundlage eines ausgeprägten Nationalbewußtseins geschehen kann reiten Wi , G. L. rd es schon können I Die Kokjlenverforgung Europas von In¬ genieur A. H. Goldreich, Wien. Verlag Urban u. Schwarzenberg, Berlin N., Friedrichstraße 105 b. Das Buch ist bereits 1018 erschienen; mit besonderem Interesse verfolgt man jedoch gerade heute die durchaus noch aktuellen Ausführungen zu dem großen Problem der Kohlenversorgung. Als das vorzügliche Werk geschrieben wurde, gestalteten sich die Produktionsverhältnisse im Kohlenbergbau immer schwieriger; der Praktiker sowohl wie jeder WirtschastSke.mer setzen voraus, daß die Minderförderungen in Verbindung mit der Transportnot Europa einem unheilvollen Zustande entgegenführen mußte. Zur Lösung des schwierigen Problems fordern die einen noch heute erhöhte Bslätignng des Staates als Unternehmer; die anderen verlangen die freie zwanglose wirtschaftliche Entwicklung; eine dritte Kategorie endlich verlangt eine neue Wirtschaftsform. Der Verfasser wirft die Frage auf: Sollen wir die neue Friedens¬ wirtschaft tatsächlich verwerfen, die gebundene staatssozialistische Zwangswirtschaft an ihre Stelle setzen und dem ehemals zügellosen Erwerbsoeirieb ein jähes Ende bereiten? Die Antwort, die er hierauf gibt, laulsl: Der Staat wird uns die Richtung geben, er wird der Hüter unserer Wirtschaft sein, doch frei und auf gesetzlich vorgeschriebenen Bahnen soll jedermann schaffen helfen, um aus der Not zu kommen. Das Individuum soll sich entwickeln könne», es wird der Träger alles Fortschritts sein. Nach demi furchtbaren Zusammenbruch im November 1918 ist alles anders gekommen. Der Individualismus wurde als „Sünden¬ bock der Kriegsschuld" durch deu Kollektivis¬ mus zurückgedrängt. Überall ertönte der Ruf nach Sozialisierung, wobei man immer wieder auf die russischen WirtschaftsverlM- nisse hinwies. Das Problem der Soziali¬ sierung des Bergbaues steht allem voran in Europa sowohl wie in den angelsächsischen Ländern auf der Tagesordnung. In Deutsch¬ land haben die StaatSgruben — Saarland — schon in Friedenszeit den Beweis er¬ bracht, daß sie hinter der Leistungsfähigkeit der Privatgruben zurückblieben und auch die Lohnverhältnisse, wie überhaupt die ganzen Arbeitsverhälinisse lagen ungünstiger in den Staatsbetrieben. Geblendet durch das Er¬ furter Programm stellte man diese Faktoren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/77>, abgerufen am 28.07.2024.