Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Drinnen und draußen waldige Verwirrung, in der tatsächlich fünf oder sechs Regierungen nebeneinander Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] Bayern und der Vatikan. Die Ver¬ Die letztere Absicht, der durch Bayerns Ver¬ Drinnen und draußen waldige Verwirrung, in der tatsächlich fünf oder sechs Regierungen nebeneinander Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] Bayern und der Vatikan. Die Ver¬ Die letztere Absicht, der durch Bayerns Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336918"/> <fw type="header" place="top"> Drinnen und draußen</fw><lb/> <p xml:id="ID_200" prev="#ID_199"> waldige Verwirrung, in der tatsächlich fünf oder sechs Regierungen nebeneinander<lb/> her regieren, unmöglich länger geduldet werden kann. Datz Frankreich nachgeben<lb/> wird, ist schon deshalb wahrscheinlich, weil England durch die Verlegung seiner<lb/> Uotieumcmöver, die trotz Kohlennot die Anwesenheit der gesamten Mittelmeer-<lb/> und Atlanticslotte im Mittelmeer erfordern, und sicher nur angeblich keinerlei<lb/> Politische Ziele verfolgen, beweist, das; es zum äußersten entschlossen ist Ob die<lb/> Engländer dieses Vorteils auf die Dauer froh weiden, hängt von der künftigen<lb/> Entwicklung in Rußland ab. das sich eben jetzt anschickt, den am Bosporus zu<lb/> erleidender Verlust in Mittelasien wiederauszugleichen. Jedenfalls ..gewinnt<lb/> England mit Konstantinopel den maßgebenden Einfluß sowohl in der Wirker wie<lb/> auf dem Balkan. Bei den starken Verstimmungen, die während des ganzen<lb/> Jahres zwischen Frankreich und Italien bestanden haben und jetzt augenscheinlich<lb/> durch die Veröffentlichung der Gelb- und Grünbücher, die außer Deutschland im<lb/> Grunde niemanden mehr interessieren, nach Möglichkeit verwischt werden sollen,<lb/> ist es nicht einmal wahrscheinlich, daß England eine starke Mittelmeerkoalition<lb/> aus Frankreich. Italien und Griechenland gegen sich haben wird. Ans diesem<lb/> Grunde kann man schließen, daß auch der Fiume-Konflikt seiner Lösung entgegen¬<lb/> geht. Gewinne England, das es nach wie vor versteht, sich hinter amerikanische<lb/> Wideistände zu verschanzen, Konstantinopel, so kann es sich erlauben, den Konflikt,<lb/> allerdings gegen die Anschauungen und Wünsche französischer Politiker, in einem<lb/> für Italien wenn nicht unbedingt günstigen, so doch annehmbaren Sinne zu lösen,<lb/> da es ja keinerlei Interesse daran hat, auf dem Balkan die Vorherrschaft eines<lb/> starken Südslawenstaatcs zu sichern. In diesem Falle würde es Italien gegen-<lb/> über wieder eine Rolle des Menschheitsbeglückers übernehmen können und in<lb/> Zukunft Italien und Frankreich zur Entlastung seiner Flotte gegeneinander<lb/> ausspiel<note type="byline"> Menenius</note> en können. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Drinnen und draußen</head><lb/> <cb type="start"/> <div n="2"> <head> Bayern und der Vatikan.</head> <p xml:id="ID_201" next="#ID_202"> Die Ver¬<lb/> handlungen, die Nuntius Pcicelli kürzlich in<lb/> Berlin über die Frage der Regelung der<lb/> künftigen diplomatischen Beziehungen Dentsch-<lb/> lanos zum Hi. Stuhl geführt hat, haben,<lb/> wie uns unser Münchener Mitarbeiter be¬<lb/> richtet, zunächst das Positive Ergebnis ge¬<lb/> habt, daß Bayern auf seine Gesandtschaft<lb/> beim Vatikan zugunsten des Reichs ver¬<lb/> zichtet. Der derzeitige Inhaber des Postens,<lb/> Baron Ritter, der dieser Tage vom Papst<lb/> empfangen worden ist, wird nach Abschluß<lb/> der Verhandlungen in den diplomatischen<lb/> Dienst des Reiches übernommen werden,<lb/> und einen gleichartigen Gesandtenposten er¬<lb/> halten. Über das Schicksal der Münchener<lb/> päpstlichen Vertretung ist noch nichts be¬<lb/> stimmt. Die Kurie scheint geneigt, vorerst<lb/> ihre dortige Vertretung noch zu belassen.</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_202" prev="#ID_201"> Die letztere Absicht, der durch Bayerns Ver¬<lb/> halten jeder Rechtsgrund entzogen wird, er¬<lb/> fährt eine besondere Beleuchtung durch die<lb/> in Ur. 52 von uns gebrachte, bisher amtlich<lb/> unwidersprochen gebliebene Mitteilung über<lb/> Bestrebungen der Entente, in den süd¬<lb/> deutschen Landeshauptstädten Gesandtschaften<lb/> einzurichten und dadurch die Einheits-<lb/> bestrebungen der neuen Reichsverfassung zu<lb/> durchkreuzen. Um so erfreulicher berührt<lb/> das loyale Verhalten Bayerns, von dem<lb/> wir heute berichten können. Und auch in<lb/> der Weiterverwendung des bisherigen bayri¬<lb/> schen Gesandten im Dienste des Reiches<lb/> sehen wir ein erfreuliches Symptom dafür,<lb/> daß der neue Unitarismus keinerlei Neigung<lb/> zu einer illoyalen „Verpreußung" des Reichs¬<lb/> organismus zeigt, die im deutschen Süden<lb/> noch immer als Schreckgespenst umgeht.</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
Drinnen und draußen
waldige Verwirrung, in der tatsächlich fünf oder sechs Regierungen nebeneinander
her regieren, unmöglich länger geduldet werden kann. Datz Frankreich nachgeben
wird, ist schon deshalb wahrscheinlich, weil England durch die Verlegung seiner
Uotieumcmöver, die trotz Kohlennot die Anwesenheit der gesamten Mittelmeer-
und Atlanticslotte im Mittelmeer erfordern, und sicher nur angeblich keinerlei
Politische Ziele verfolgen, beweist, das; es zum äußersten entschlossen ist Ob die
Engländer dieses Vorteils auf die Dauer froh weiden, hängt von der künftigen
Entwicklung in Rußland ab. das sich eben jetzt anschickt, den am Bosporus zu
erleidender Verlust in Mittelasien wiederauszugleichen. Jedenfalls ..gewinnt
England mit Konstantinopel den maßgebenden Einfluß sowohl in der Wirker wie
auf dem Balkan. Bei den starken Verstimmungen, die während des ganzen
Jahres zwischen Frankreich und Italien bestanden haben und jetzt augenscheinlich
durch die Veröffentlichung der Gelb- und Grünbücher, die außer Deutschland im
Grunde niemanden mehr interessieren, nach Möglichkeit verwischt werden sollen,
ist es nicht einmal wahrscheinlich, daß England eine starke Mittelmeerkoalition
aus Frankreich. Italien und Griechenland gegen sich haben wird. Ans diesem
Grunde kann man schließen, daß auch der Fiume-Konflikt seiner Lösung entgegen¬
geht. Gewinne England, das es nach wie vor versteht, sich hinter amerikanische
Wideistände zu verschanzen, Konstantinopel, so kann es sich erlauben, den Konflikt,
allerdings gegen die Anschauungen und Wünsche französischer Politiker, in einem
für Italien wenn nicht unbedingt günstigen, so doch annehmbaren Sinne zu lösen,
da es ja keinerlei Interesse daran hat, auf dem Balkan die Vorherrschaft eines
starken Südslawenstaatcs zu sichern. In diesem Falle würde es Italien gegen-
über wieder eine Rolle des Menschheitsbeglückers übernehmen können und in
Zukunft Italien und Frankreich zur Entlastung seiner Flotte gegeneinander
ausspiel Menenius en können.
Drinnen und draußen
Bayern und der Vatikan. Die Ver¬
handlungen, die Nuntius Pcicelli kürzlich in
Berlin über die Frage der Regelung der
künftigen diplomatischen Beziehungen Dentsch-
lanos zum Hi. Stuhl geführt hat, haben,
wie uns unser Münchener Mitarbeiter be¬
richtet, zunächst das Positive Ergebnis ge¬
habt, daß Bayern auf seine Gesandtschaft
beim Vatikan zugunsten des Reichs ver¬
zichtet. Der derzeitige Inhaber des Postens,
Baron Ritter, der dieser Tage vom Papst
empfangen worden ist, wird nach Abschluß
der Verhandlungen in den diplomatischen
Dienst des Reiches übernommen werden,
und einen gleichartigen Gesandtenposten er¬
halten. Über das Schicksal der Münchener
päpstlichen Vertretung ist noch nichts be¬
stimmt. Die Kurie scheint geneigt, vorerst
ihre dortige Vertretung noch zu belassen.
Die letztere Absicht, der durch Bayerns Ver¬
halten jeder Rechtsgrund entzogen wird, er¬
fährt eine besondere Beleuchtung durch die
in Ur. 52 von uns gebrachte, bisher amtlich
unwidersprochen gebliebene Mitteilung über
Bestrebungen der Entente, in den süd¬
deutschen Landeshauptstädten Gesandtschaften
einzurichten und dadurch die Einheits-
bestrebungen der neuen Reichsverfassung zu
durchkreuzen. Um so erfreulicher berührt
das loyale Verhalten Bayerns, von dem
wir heute berichten können. Und auch in
der Weiterverwendung des bisherigen bayri¬
schen Gesandten im Dienste des Reiches
sehen wir ein erfreuliches Symptom dafür,
daß der neue Unitarismus keinerlei Neigung
zu einer illoyalen „Verpreußung" des Reichs¬
organismus zeigt, die im deutschen Süden
noch immer als Schreckgespenst umgeht.
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