Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Parteien und Mahlen in Llsaß-Lothungen gegeben haben. Republikanische Volkspartei. Zentrum. Deinokratisch-republikanische Parteien und Mahlen in Llsaß-Lothungen gegeben haben. Republikanische Volkspartei. Zentrum. Deinokratisch-republikanische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336900"/> <fw type="header" place="top"> Parteien und Mahlen in Llsaß-Lothungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_136" prev="#ID_135" next="#ID_137"> gegeben haben. Republikanische Volkspartei. Zentrum. Deinokratisch-republikanische<lb/> Partei. Unabhängig-republikanische Partei und Radikale des Oberelsaß haben sich<lb/> vor den Wahlen auf ein Kompromißprogramm geeinigt, dessen einziger Zweck<lb/> der Mandatsgewinn und dessen haupsächlicher Nutznießer das Zentrum sem sollte.<lb/> Im Unterelsaß und in Lothringen blieben die Radikalen dem Abkommen fern,<lb/> da sie dieses Vorgehen als undemokratisch ansahen. Wenn im Oberelsaß die<lb/> Radikalen troftdem die Kompromißpolitik mitmachten, hö rührt dies daher, daß<lb/> die Sozialdsm'okratie dort viel radikaler auftritt als im Unterelsaß. Die Sozml-<lb/> dcmokratie hatte sich selbst isoliert, da ihr durch den Beschluß des Lyoner Kon-<lb/> gresses der Gesamtpartei ein gemeinsames Vorgehen mit einer andern Parder<lb/> verwehrt war. Der Wahlkampf, in dem sich die Parteien der „Ordnung" denen<lb/> der „Unordnung" (womit in der Hauptsache die Sozialisten gemeint waren), dre<lb/> Bürgerlichen den „Bolschewismen" gegenüberstellten, wurde mit einer Gehässigkeit<lb/> «eführt. die den' bekannten Wahlgepflogenheiten der wiedergewonnenen ?atrie<lb/> nichts nachgab/ Die persönliche Verunglimpfung der Kandidaten schreckte<lb/> vor keinem noch so verwerflichen Mittel zurück. In diesen Rahmen gehört auch<lb/> die von dem Redakteur der Straßburger „Neuen Zeitung". Charles Frey, im<lb/> Wahlkampf gegen Sozialisten und Radikale über Gebühr aufgebauschte neutral.sten-<lb/> affine, von der es nun. nach der erfolgreichen Wahlschlacht, recht still geworden<lb/> ist. Dem Block standen zudem alle Mittel der Organisation und persönlichen<lb/> Beeinflussung zu Gebote, vor allem in der nie versagenden Mithilfe der katho¬<lb/> lischen Geistlichkeit. In den kleineren Orten griffen sogar die Bürgermeister ein.<lb/> Auf dem Lande war es den Sozialisten oft schwer, in vielen Fällen ganz un-<lb/> möglich, auch nur einen Saal für eine Versammlung zu bekommen. Dies alles<lb/> aber hätte nicht hingereicht, um dem Nationalblock zu einem Sieg zu verhelfen,<lb/> wie er vollständiger nicht gedacht werden kann. Die Hauptschuld daran trägt<lb/> das auch in Elsaß-Lothringen geltende französische Wahlsystem, das in seiner<lb/> ungeheuerlichen Vereinigung von Mehrheils- und Verhältniswahl nur ein Zerr¬<lb/> bild des Proportionalwahlsyftems genannt werden kann und von dem letzten<lb/> französischen Parlament kurz vor seiner Auflösung noch beschlossen und so zurecht-<lb/> geschnitten wurde, daß unter Ausnutzung der durch das gute Kriegsende zur<lb/> gangbaren Scheidemünze gewordenen nationalen Phrase, deren sich Clemenceau<lb/> denn auch in seiner Straßburger Wahlrede ausgiebig bediente, ein den Parteien<lb/> der Reaktion und des Nationalismus günstiges Wahlergebnis herauskommen<lb/> mußte. Das Wahlgesetz bestimmt, daß in denjenigen Verhältniswahlbezirken. wo<lb/> eine Liste die absolute Majorität der im ganzen abgegebenen Stimmen erreicht,<lb/> dieser Liste nicht nur die ihrer Stimmenzahl entsprechenden Mandate, sondern<lb/> auch alle übrigen zufallen, so daß die Minderheiten in diesem Fall völlig unver-<lb/> treten bleiben. Darauf gründeten die Parteien des Blocks ihre Rechnung. Ihrem<lb/> vereinten Ansturm gelang es, die Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu erhalten<lb/> und dadurch die Voraussetzung für das Inkrafttreten der genannten ungerechten<lb/> Wahlgesetzklausel zu schaffen. Auf diese Weise errang der Block alle 24 Kammer-<lb/> mandate. Von diesen werden die Demokraten und oberelsässischen Radikalen 7,<lb/> da« Zentrum 17 erhalten. Die Sozialisten gehen also völlig leer aus. Gewählt<lb/> sind: im Oberelsaß Wetterle, der klerikale Parteiführer Dr. Pfleger, der wegen<lb/> Landesverrats im Kriege zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilte Reallehrer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Parteien und Mahlen in Llsaß-Lothungen
gegeben haben. Republikanische Volkspartei. Zentrum. Deinokratisch-republikanische
Partei. Unabhängig-republikanische Partei und Radikale des Oberelsaß haben sich
vor den Wahlen auf ein Kompromißprogramm geeinigt, dessen einziger Zweck
der Mandatsgewinn und dessen haupsächlicher Nutznießer das Zentrum sem sollte.
Im Unterelsaß und in Lothringen blieben die Radikalen dem Abkommen fern,
da sie dieses Vorgehen als undemokratisch ansahen. Wenn im Oberelsaß die
Radikalen troftdem die Kompromißpolitik mitmachten, hö rührt dies daher, daß
die Sozialdsm'okratie dort viel radikaler auftritt als im Unterelsaß. Die Sozml-
dcmokratie hatte sich selbst isoliert, da ihr durch den Beschluß des Lyoner Kon-
gresses der Gesamtpartei ein gemeinsames Vorgehen mit einer andern Parder
verwehrt war. Der Wahlkampf, in dem sich die Parteien der „Ordnung" denen
der „Unordnung" (womit in der Hauptsache die Sozialisten gemeint waren), dre
Bürgerlichen den „Bolschewismen" gegenüberstellten, wurde mit einer Gehässigkeit
«eführt. die den' bekannten Wahlgepflogenheiten der wiedergewonnenen ?atrie
nichts nachgab/ Die persönliche Verunglimpfung der Kandidaten schreckte
vor keinem noch so verwerflichen Mittel zurück. In diesen Rahmen gehört auch
die von dem Redakteur der Straßburger „Neuen Zeitung". Charles Frey, im
Wahlkampf gegen Sozialisten und Radikale über Gebühr aufgebauschte neutral.sten-
affine, von der es nun. nach der erfolgreichen Wahlschlacht, recht still geworden
ist. Dem Block standen zudem alle Mittel der Organisation und persönlichen
Beeinflussung zu Gebote, vor allem in der nie versagenden Mithilfe der katho¬
lischen Geistlichkeit. In den kleineren Orten griffen sogar die Bürgermeister ein.
Auf dem Lande war es den Sozialisten oft schwer, in vielen Fällen ganz un-
möglich, auch nur einen Saal für eine Versammlung zu bekommen. Dies alles
aber hätte nicht hingereicht, um dem Nationalblock zu einem Sieg zu verhelfen,
wie er vollständiger nicht gedacht werden kann. Die Hauptschuld daran trägt
das auch in Elsaß-Lothringen geltende französische Wahlsystem, das in seiner
ungeheuerlichen Vereinigung von Mehrheils- und Verhältniswahl nur ein Zerr¬
bild des Proportionalwahlsyftems genannt werden kann und von dem letzten
französischen Parlament kurz vor seiner Auflösung noch beschlossen und so zurecht-
geschnitten wurde, daß unter Ausnutzung der durch das gute Kriegsende zur
gangbaren Scheidemünze gewordenen nationalen Phrase, deren sich Clemenceau
denn auch in seiner Straßburger Wahlrede ausgiebig bediente, ein den Parteien
der Reaktion und des Nationalismus günstiges Wahlergebnis herauskommen
mußte. Das Wahlgesetz bestimmt, daß in denjenigen Verhältniswahlbezirken. wo
eine Liste die absolute Majorität der im ganzen abgegebenen Stimmen erreicht,
dieser Liste nicht nur die ihrer Stimmenzahl entsprechenden Mandate, sondern
auch alle übrigen zufallen, so daß die Minderheiten in diesem Fall völlig unver-
treten bleiben. Darauf gründeten die Parteien des Blocks ihre Rechnung. Ihrem
vereinten Ansturm gelang es, die Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu erhalten
und dadurch die Voraussetzung für das Inkrafttreten der genannten ungerechten
Wahlgesetzklausel zu schaffen. Auf diese Weise errang der Block alle 24 Kammer-
mandate. Von diesen werden die Demokraten und oberelsässischen Radikalen 7,
da« Zentrum 17 erhalten. Die Sozialisten gehen also völlig leer aus. Gewählt
sind: im Oberelsaß Wetterle, der klerikale Parteiführer Dr. Pfleger, der wegen
Landesverrats im Kriege zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilte Reallehrer
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