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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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gewurzelte Überlieferungen verbinden sie überdies mit Smyrna, an dessen poli-
tischem Geschick sie allzusehr interessiert ist, vis daß sie sich davon losmachen
könnte. Es ist daher für Italien nicht möglich, dort zu bleiben, wo es jetzt steht,
ohne sich eine sehr schwierig zu schützende und nur unter großen Kosten
aufrechtzuerhaltende Situation zu schaffen. Nur bei Rückführung des anatvlischen
Gebietes unter die staatliche Einheit von Konstantinopel ist es möglich, das Fort-
bestehen des wirtschaftlichen Lebens von Smyrna und die Freiheit seines Verkehrs
Zwischen dem Hinterland und dem Meere zu gewährleisten. So lange die Griechen
in dieser Stadt bleiben werden, wird der erbitterte Kampf mit den Türken sich
derart hinziehen, daß er das bis gestern blühende Leben dieser überaus reichen
Provinz zerstört, indem er einen Dauerzustand vou Zusammenstößen und Ver¬
wicklungen erzeugt. Es liegt demnach im Interesse Italiens, die politische und
wirtschaftliche Einheit jener Gebiete zu erhalten und zu verhindern, daß aus der
Zerstückelung Anatoliens die türkischen Bewohner Kräfte zu einem Rückstoß schöpfen,
dessen Folgen unberechenbar sein würden.




Der staatliche Kehrmittelverlag
Schulrat Or, Wcidemüller von

le Frage der Errichtung eines staatlichen Lehrmittelverlags ist seit
der großen Staatsumwälzung vielfach erörtert worden, zuerst wohl
im preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung,
l Am 28. November vorigen Jahres brachte das "Berliner Tage-
angeblich aus Vuchhändlcrkreisen, die kurze Mitteilung,
damalige preußische Unterrichtsminister Adolf Hoffmann beabsichtige ein
-Monopol für sämtliche Schulbücher zu schaffen: Schulbücher sollten in Zukunft
untor Ausschaltung der Privatverleger und Privatbuchhändler von Staats wegen
verlegt und gedruckt werden. Begreiflicherweise erregte diese Nachricht bei den
Vertretern der beteiligten Industrien und des Buchhandels sowohl, wie auch bei
den Pädagogen und in Elternkreisen das größte Aufsehen, und bald setzte eine
Schafte Aussprache über diesen Gegenstand in Vereinen, in der Presse und im
Parlament ein. Zunächst nahmen die verschiedenen Berufsvereinigungen der
Verleger, Buchhändler, Buchdrucker (Arbeitgeber und Arbeitnehmer!) und einige
Handelskammern Stellung dagegen. Besonders bekannt geworden ist die Denk¬
schrift, die der Verlagsbuchhändler Dr. Ehlermann in Dresden im Auftrage der
Bereinigung der Schulbuchverleger verfaßt hat und die den Stoff sehr ausführlich
behandelt. In der verfassnnggebendm preußischen Landesversammlung besprach
non am 2. Juni des letzten Jahres eine formelle Anfrage der Deutschen Volkspartei
über das Schulbüchermonopol, bei der Redner aller Parteien zum Worte kamen,
^e nach ihrer politischen Richtung war auch ihre Stellungnahme in dieser Frage
verschieden. Einig in der Ablehnung des Planes waren Deutschnationale, Deutsche
Volkspartei, Zentrum und Demokraten. Die mehrheitssozialistischen Redner,


gewurzelte Überlieferungen verbinden sie überdies mit Smyrna, an dessen poli-
tischem Geschick sie allzusehr interessiert ist, vis daß sie sich davon losmachen
könnte. Es ist daher für Italien nicht möglich, dort zu bleiben, wo es jetzt steht,
ohne sich eine sehr schwierig zu schützende und nur unter großen Kosten
aufrechtzuerhaltende Situation zu schaffen. Nur bei Rückführung des anatvlischen
Gebietes unter die staatliche Einheit von Konstantinopel ist es möglich, das Fort-
bestehen des wirtschaftlichen Lebens von Smyrna und die Freiheit seines Verkehrs
Zwischen dem Hinterland und dem Meere zu gewährleisten. So lange die Griechen
in dieser Stadt bleiben werden, wird der erbitterte Kampf mit den Türken sich
derart hinziehen, daß er das bis gestern blühende Leben dieser überaus reichen
Provinz zerstört, indem er einen Dauerzustand vou Zusammenstößen und Ver¬
wicklungen erzeugt. Es liegt demnach im Interesse Italiens, die politische und
wirtschaftliche Einheit jener Gebiete zu erhalten und zu verhindern, daß aus der
Zerstückelung Anatoliens die türkischen Bewohner Kräfte zu einem Rückstoß schöpfen,
dessen Folgen unberechenbar sein würden.




Der staatliche Kehrmittelverlag
Schulrat Or, Wcidemüller von

le Frage der Errichtung eines staatlichen Lehrmittelverlags ist seit
der großen Staatsumwälzung vielfach erörtert worden, zuerst wohl
im preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung,
l Am 28. November vorigen Jahres brachte das „Berliner Tage-
angeblich aus Vuchhändlcrkreisen, die kurze Mitteilung,
damalige preußische Unterrichtsminister Adolf Hoffmann beabsichtige ein
-Monopol für sämtliche Schulbücher zu schaffen: Schulbücher sollten in Zukunft
untor Ausschaltung der Privatverleger und Privatbuchhändler von Staats wegen
verlegt und gedruckt werden. Begreiflicherweise erregte diese Nachricht bei den
Vertretern der beteiligten Industrien und des Buchhandels sowohl, wie auch bei
den Pädagogen und in Elternkreisen das größte Aufsehen, und bald setzte eine
Schafte Aussprache über diesen Gegenstand in Vereinen, in der Presse und im
Parlament ein. Zunächst nahmen die verschiedenen Berufsvereinigungen der
Verleger, Buchhändler, Buchdrucker (Arbeitgeber und Arbeitnehmer!) und einige
Handelskammern Stellung dagegen. Besonders bekannt geworden ist die Denk¬
schrift, die der Verlagsbuchhändler Dr. Ehlermann in Dresden im Auftrage der
Bereinigung der Schulbuchverleger verfaßt hat und die den Stoff sehr ausführlich
behandelt. In der verfassnnggebendm preußischen Landesversammlung besprach
non am 2. Juni des letzten Jahres eine formelle Anfrage der Deutschen Volkspartei
über das Schulbüchermonopol, bei der Redner aller Parteien zum Worte kamen,
^e nach ihrer politischen Richtung war auch ihre Stellungnahme in dieser Frage
verschieden. Einig in der Ablehnung des Planes waren Deutschnationale, Deutsche
Volkspartei, Zentrum und Demokraten. Die mehrheitssozialistischen Redner,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/367>, abgerufen am 27.07.2024.