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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Grcnzdeutschtum

stümmelten Mutterlande künden Schrumpfungen, Blutstockungen und schwere
organische Störungen des nationalen Lebens die beginnende Auflösung an.
Im Grenzlande wird die Hand nach dem Pulsschlag fühlen müssen. Dort
wird sich zeigen, ob die Gesundung des ganzen Volksleibes fortschreitet oder,
ob alle Genesungshoffnungen zu begraben sind.

Und noch eine Aufgabe ist dem Grenzdeutschtum vorbehalten, und damit
zugleich auch den Boten, die deutschen Geist über die Grenze des Reiches
hinaustragen wollen. Durch Stärkung guter deutscher Art, deren Bild in den
Zersetzungserscheinungen des Kriegsausganges verdunkelt ist, wird gerade das
Grenzdeutschtum unserem ganzen Volke wieder die Achtung in der Welt zurück¬
gewinnen können, die es bei aller Verketzerung und Verleumdung bis tief in
den Krieg hinein eben doch genossen hat. Langsamer und stetiger Wiederaufbau
gegenseitiger Achtung in loyaler Zusammenarbeit mit den fremden Nationen
wird mehr zu einer inneren Befriedung Europas beitragen, als würdelose Ver¬
suche der Anbiederung aus dem Sumpfe unserer gegenwärtigen Korruption
und dem Elend unserer Ohnmacht. Männlich-kühle und abstandwahrende Be¬
reitschaft zu sachlicher Zusammenarbeit wird unseren Gegnern am besten die
Beweislast dafür zuschieben, ob Friede ihnen mehr als ein Wort, ob Friede
ihnen ein Problem und ein Ziel ist. Durch Wahrung ihres nationalen Stolzes
und durch ehrliche Bereitstellung ihrer Fähigkeiten und Kräfte werden gerade
die Grenzdeutschen ein Verhältnis der Völker anbahnen können, das von
pazifistischer Einebnung und von chauvinistischer Verengung gleich weit entfernt
ist und das als erste Wirkung eine auch von den bislang feindlichen Völkern
gewallte Revision des Versailler Versklavungsvertrages zutage fördern müßte,
um dadurch erst einmal die unumgängliche Voraussetzung wirklicher Völker¬
gemeinschaft zu schaffen.

Grenzdeutschtum und Binnendeutschtum: dieser neue Gegensatz birgt heute
nicht sowohl eine politische, als eine seelische Aufgabe. Den Weg zum leuchtenden
Ziele der Leibwerdung eines tief gedemütigten, geschwächten und erkrankten
Volkes weist die schlichte Forderung:

Treue um Treue!




Grcnzdeutschtum

stümmelten Mutterlande künden Schrumpfungen, Blutstockungen und schwere
organische Störungen des nationalen Lebens die beginnende Auflösung an.
Im Grenzlande wird die Hand nach dem Pulsschlag fühlen müssen. Dort
wird sich zeigen, ob die Gesundung des ganzen Volksleibes fortschreitet oder,
ob alle Genesungshoffnungen zu begraben sind.

Und noch eine Aufgabe ist dem Grenzdeutschtum vorbehalten, und damit
zugleich auch den Boten, die deutschen Geist über die Grenze des Reiches
hinaustragen wollen. Durch Stärkung guter deutscher Art, deren Bild in den
Zersetzungserscheinungen des Kriegsausganges verdunkelt ist, wird gerade das
Grenzdeutschtum unserem ganzen Volke wieder die Achtung in der Welt zurück¬
gewinnen können, die es bei aller Verketzerung und Verleumdung bis tief in
den Krieg hinein eben doch genossen hat. Langsamer und stetiger Wiederaufbau
gegenseitiger Achtung in loyaler Zusammenarbeit mit den fremden Nationen
wird mehr zu einer inneren Befriedung Europas beitragen, als würdelose Ver¬
suche der Anbiederung aus dem Sumpfe unserer gegenwärtigen Korruption
und dem Elend unserer Ohnmacht. Männlich-kühle und abstandwahrende Be¬
reitschaft zu sachlicher Zusammenarbeit wird unseren Gegnern am besten die
Beweislast dafür zuschieben, ob Friede ihnen mehr als ein Wort, ob Friede
ihnen ein Problem und ein Ziel ist. Durch Wahrung ihres nationalen Stolzes
und durch ehrliche Bereitstellung ihrer Fähigkeiten und Kräfte werden gerade
die Grenzdeutschen ein Verhältnis der Völker anbahnen können, das von
pazifistischer Einebnung und von chauvinistischer Verengung gleich weit entfernt
ist und das als erste Wirkung eine auch von den bislang feindlichen Völkern
gewallte Revision des Versailler Versklavungsvertrages zutage fördern müßte,
um dadurch erst einmal die unumgängliche Voraussetzung wirklicher Völker¬
gemeinschaft zu schaffen.

Grenzdeutschtum und Binnendeutschtum: dieser neue Gegensatz birgt heute
nicht sowohl eine politische, als eine seelische Aufgabe. Den Weg zum leuchtenden
Ziele der Leibwerdung eines tief gedemütigten, geschwächten und erkrankten
Volkes weist die schlichte Forderung:

Treue um Treue!




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[0036] Grcnzdeutschtum stümmelten Mutterlande künden Schrumpfungen, Blutstockungen und schwere organische Störungen des nationalen Lebens die beginnende Auflösung an. Im Grenzlande wird die Hand nach dem Pulsschlag fühlen müssen. Dort wird sich zeigen, ob die Gesundung des ganzen Volksleibes fortschreitet oder, ob alle Genesungshoffnungen zu begraben sind. Und noch eine Aufgabe ist dem Grenzdeutschtum vorbehalten, und damit zugleich auch den Boten, die deutschen Geist über die Grenze des Reiches hinaustragen wollen. Durch Stärkung guter deutscher Art, deren Bild in den Zersetzungserscheinungen des Kriegsausganges verdunkelt ist, wird gerade das Grenzdeutschtum unserem ganzen Volke wieder die Achtung in der Welt zurück¬ gewinnen können, die es bei aller Verketzerung und Verleumdung bis tief in den Krieg hinein eben doch genossen hat. Langsamer und stetiger Wiederaufbau gegenseitiger Achtung in loyaler Zusammenarbeit mit den fremden Nationen wird mehr zu einer inneren Befriedung Europas beitragen, als würdelose Ver¬ suche der Anbiederung aus dem Sumpfe unserer gegenwärtigen Korruption und dem Elend unserer Ohnmacht. Männlich-kühle und abstandwahrende Be¬ reitschaft zu sachlicher Zusammenarbeit wird unseren Gegnern am besten die Beweislast dafür zuschieben, ob Friede ihnen mehr als ein Wort, ob Friede ihnen ein Problem und ein Ziel ist. Durch Wahrung ihres nationalen Stolzes und durch ehrliche Bereitstellung ihrer Fähigkeiten und Kräfte werden gerade die Grenzdeutschen ein Verhältnis der Völker anbahnen können, das von pazifistischer Einebnung und von chauvinistischer Verengung gleich weit entfernt ist und das als erste Wirkung eine auch von den bislang feindlichen Völkern gewallte Revision des Versailler Versklavungsvertrages zutage fördern müßte, um dadurch erst einmal die unumgängliche Voraussetzung wirklicher Völker¬ gemeinschaft zu schaffen. Grenzdeutschtum und Binnendeutschtum: dieser neue Gegensatz birgt heute nicht sowohl eine politische, als eine seelische Aufgabe. Den Weg zum leuchtenden Ziele der Leibwerdung eines tief gedemütigten, geschwächten und erkrankten Volkes weist die schlichte Forderung: Treue um Treue!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/36>, abgerufen am 01.09.2024.