Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Rapxsche Abenteuer

Herr Schiffer antwortete darauf, er sehe keine andere Möglichkeit, die
Kapp-Leute aus Berlin herauszubringen. Gegenüber dem Einwand, daß der
Generalstreik diese Möglichkeit schaffe, verhielt er sich taub. Er zeigte größte
Besorgnis vor dem Bolschewismus und der "roten Armee", die sich gebildet
haben sollte____

Um drei Uhr morgens erschien ein Lüttwitz-Offizier im Reichsjustiz'
Ministerium und erklärte, man habe in der Reichskanzlei noch keinen Entschluß
gefaßt, vielmehr diesen auf den nächsten Vormittag verschoben. Herr Schiffer
bot darauf die drei Genossen in ein Nebenzimmer und sagte ihnen, jetzt sei
Gelegenheit gegeben, die ganzen Verhandlungen abzubrechen -- aber er halte
um solches Vorgehen doch nicht für richtig. Herr Schiffer begab sich sodann in
das Zimmer zurück, in dem der Offizier wartete, und sagte, wenn in den Ent-
WusM der andern Seite ein? so bedenkliche Verzögern' g entstände, behalte sich
auch die Neichsregiermig ihre Entschlüsse vor/'

Da Oberst Bauer also bis Mittwoch Bedenkzeit erbat, hielt sich Schiffer
an sein Versprechen nicht mehr für gebunden und behielt sein Portefeuille,
bis es ihm freilich bald als einem durch diesen Verkehr mit Kapp Befleckten
von den Linksradikalen abgefordert worden ist. Der Vermittler erntet rin
heutigen Deutschland keinen Dank; auch die vorliegende geschichtliche Darstellung
erwartet keinen Beifall bei Link; und bei Rechts, nur das Verständnis eines
künftigen Deutschlands, das müde dessen geworden ist. sich selbst zu zerfleischen.

In langen Aussprachen zwischen Berliner Vertretern der Mehrheit
Parteien mit der Deutschen Volkspartei kam am Dienstag ferner die Geneigtheit
der Mehrheitsparteien zu baldigen Neuwahlen -- die ja gerade durch den
Pulses sich aus einem Nachteil zu einem großen Vorteil für die MehrbM-
varteien verwandelt hatten -- zum Ausdruck. Auch die stärkere Hinzuziehung
von Fachministern bildete selbstverständlich keinen Grund zum Bürgerkrieg.
Jene Absichten Dr. Schiffers und diese Ansichten der Berliner MehrheitSpartelm
gaben nun Kapp- einen gewissen notdürftigen Schein, um s>me Kap-tulaNon
nach außen hin zu bemänteln. Unter den sieben Bedingungen, welche er an.' Montag gestellt hatte, waren die wesentlichsten baldige Neuwahlen. Einsetzung
von Fachministerien. Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk. Ergänzung
des Parlaments durch eine berufsständisch gegliederte Wirtschaftskainmer. sonne
Amnestie. Nunmehr erklärte Kapp am Mittwoch früh, daß seine Mission erfüllt
wäre, da die alte Negierung von sich aus seine Forderungen im wesentlichen
auszuführen beabsichtige. Eine Verschleierung des Zusammenbruchs der
Kapp.Negierung war vom allgemeinen Standpunkt aus zunächst geboten und
Rücksicht auf die irregeführten Truppen, welche an den Erfolg geglaubt hatten.
Der Lüttwitzstab selbst begann an der ferneren Zuverlässigkeit eines Teils
seiner Truppen zu zweifeln. Unter erneuten Bemühungen des Admirals
von Trotha gelang es somit, in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch Kapp
"um Rücktritt zu bewegen.


Das Rapxsche Abenteuer

Herr Schiffer antwortete darauf, er sehe keine andere Möglichkeit, die
Kapp-Leute aus Berlin herauszubringen. Gegenüber dem Einwand, daß der
Generalstreik diese Möglichkeit schaffe, verhielt er sich taub. Er zeigte größte
Besorgnis vor dem Bolschewismus und der „roten Armee", die sich gebildet
haben sollte____

Um drei Uhr morgens erschien ein Lüttwitz-Offizier im Reichsjustiz'
Ministerium und erklärte, man habe in der Reichskanzlei noch keinen Entschluß
gefaßt, vielmehr diesen auf den nächsten Vormittag verschoben. Herr Schiffer
bot darauf die drei Genossen in ein Nebenzimmer und sagte ihnen, jetzt sei
Gelegenheit gegeben, die ganzen Verhandlungen abzubrechen — aber er halte
um solches Vorgehen doch nicht für richtig. Herr Schiffer begab sich sodann in
das Zimmer zurück, in dem der Offizier wartete, und sagte, wenn in den Ent-
WusM der andern Seite ein? so bedenkliche Verzögern' g entstände, behalte sich
auch die Neichsregiermig ihre Entschlüsse vor/'

Da Oberst Bauer also bis Mittwoch Bedenkzeit erbat, hielt sich Schiffer
an sein Versprechen nicht mehr für gebunden und behielt sein Portefeuille,
bis es ihm freilich bald als einem durch diesen Verkehr mit Kapp Befleckten
von den Linksradikalen abgefordert worden ist. Der Vermittler erntet rin
heutigen Deutschland keinen Dank; auch die vorliegende geschichtliche Darstellung
erwartet keinen Beifall bei Link; und bei Rechts, nur das Verständnis eines
künftigen Deutschlands, das müde dessen geworden ist. sich selbst zu zerfleischen.

In langen Aussprachen zwischen Berliner Vertretern der Mehrheit
Parteien mit der Deutschen Volkspartei kam am Dienstag ferner die Geneigtheit
der Mehrheitsparteien zu baldigen Neuwahlen — die ja gerade durch den
Pulses sich aus einem Nachteil zu einem großen Vorteil für die MehrbM-
varteien verwandelt hatten — zum Ausdruck. Auch die stärkere Hinzuziehung
von Fachministern bildete selbstverständlich keinen Grund zum Bürgerkrieg.
Jene Absichten Dr. Schiffers und diese Ansichten der Berliner MehrheitSpartelm
gaben nun Kapp- einen gewissen notdürftigen Schein, um s>me Kap-tulaNon
nach außen hin zu bemänteln. Unter den sieben Bedingungen, welche er an.' Montag gestellt hatte, waren die wesentlichsten baldige Neuwahlen. Einsetzung
von Fachministerien. Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk. Ergänzung
des Parlaments durch eine berufsständisch gegliederte Wirtschaftskainmer. sonne
Amnestie. Nunmehr erklärte Kapp am Mittwoch früh, daß seine Mission erfüllt
wäre, da die alte Negierung von sich aus seine Forderungen im wesentlichen
auszuführen beabsichtige. Eine Verschleierung des Zusammenbruchs der
Kapp.Negierung war vom allgemeinen Standpunkt aus zunächst geboten und
Rücksicht auf die irregeführten Truppen, welche an den Erfolg geglaubt hatten.
Der Lüttwitzstab selbst begann an der ferneren Zuverlässigkeit eines Teils
seiner Truppen zu zweifeln. Unter erneuten Bemühungen des Admirals
von Trotha gelang es somit, in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch Kapp
»um Rücktritt zu bewegen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0357" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337202"/>
            <fw type="header" place="top"> Das Rapxsche Abenteuer</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2428"> Herr Schiffer antwortete darauf, er sehe keine andere Möglichkeit, die<lb/>
Kapp-Leute aus Berlin herauszubringen. Gegenüber dem Einwand, daß der<lb/>
Generalstreik diese Möglichkeit schaffe, verhielt er sich taub. Er zeigte größte<lb/>
Besorgnis vor dem Bolschewismus und der &#x201E;roten Armee", die sich gebildet<lb/>
haben sollte____</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2429"> Um drei Uhr morgens erschien ein Lüttwitz-Offizier im Reichsjustiz'<lb/>
Ministerium und erklärte, man habe in der Reichskanzlei noch keinen Entschluß<lb/>
gefaßt, vielmehr diesen auf den nächsten Vormittag verschoben. Herr Schiffer<lb/>
bot darauf die drei Genossen in ein Nebenzimmer und sagte ihnen, jetzt sei<lb/>
Gelegenheit gegeben, die ganzen Verhandlungen abzubrechen &#x2014; aber er halte<lb/>
um solches Vorgehen doch nicht für richtig. Herr Schiffer begab sich sodann in<lb/>
das Zimmer zurück, in dem der Offizier wartete, und sagte, wenn in den Ent-<lb/>
WusM der andern Seite ein? so bedenkliche Verzögern' g entstände, behalte sich<lb/>
auch die Neichsregiermig ihre Entschlüsse vor/'</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2430"> Da Oberst Bauer also bis Mittwoch Bedenkzeit erbat, hielt sich Schiffer<lb/>
an sein Versprechen nicht mehr für gebunden und behielt sein Portefeuille,<lb/>
bis es ihm freilich bald als einem durch diesen Verkehr mit Kapp Befleckten<lb/>
von den Linksradikalen abgefordert worden ist. Der Vermittler erntet rin<lb/>
heutigen Deutschland keinen Dank; auch die vorliegende geschichtliche Darstellung<lb/>
erwartet keinen Beifall bei Link; und bei Rechts, nur das Verständnis eines<lb/>
künftigen Deutschlands, das müde dessen geworden ist. sich selbst zu zerfleischen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2431"> In langen Aussprachen zwischen Berliner Vertretern der Mehrheit<lb/>
Parteien mit der Deutschen Volkspartei kam am Dienstag ferner die Geneigtheit<lb/>
der Mehrheitsparteien zu baldigen Neuwahlen &#x2014; die ja gerade durch den<lb/>
Pulses sich aus einem Nachteil zu einem großen Vorteil für die MehrbM-<lb/>
varteien verwandelt hatten &#x2014; zum Ausdruck.  Auch die stärkere Hinzuziehung<lb/>
von Fachministern bildete selbstverständlich keinen Grund zum Bürgerkrieg.<lb/>
Jene Absichten Dr. Schiffers und diese Ansichten der Berliner MehrheitSpartelm<lb/>
gaben nun Kapp- einen gewissen notdürftigen Schein, um s&gt;me Kap-tulaNon<lb/>
nach außen hin zu bemänteln.  Unter den sieben Bedingungen, welche er an.' Montag gestellt hatte, waren die wesentlichsten baldige Neuwahlen. Einsetzung<lb/>
von Fachministerien. Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk. Ergänzung<lb/>
des Parlaments durch eine berufsständisch gegliederte Wirtschaftskainmer. sonne<lb/>
Amnestie.  Nunmehr erklärte Kapp am Mittwoch früh, daß seine Mission erfüllt<lb/>
wäre, da die alte Negierung von sich aus seine Forderungen im wesentlichen<lb/>
auszuführen beabsichtige.  Eine Verschleierung des Zusammenbruchs der<lb/>
Kapp.Negierung war vom allgemeinen Standpunkt aus zunächst geboten und<lb/>
Rücksicht auf die irregeführten Truppen, welche an den Erfolg geglaubt hatten.<lb/>
Der Lüttwitzstab selbst begann an der ferneren Zuverlässigkeit eines Teils<lb/>
seiner Truppen zu zweifeln.  Unter erneuten Bemühungen des Admirals<lb/>
von Trotha gelang es somit, in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch Kapp<lb/>
»um Rücktritt zu bewegen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0357] Das Rapxsche Abenteuer Herr Schiffer antwortete darauf, er sehe keine andere Möglichkeit, die Kapp-Leute aus Berlin herauszubringen. Gegenüber dem Einwand, daß der Generalstreik diese Möglichkeit schaffe, verhielt er sich taub. Er zeigte größte Besorgnis vor dem Bolschewismus und der „roten Armee", die sich gebildet haben sollte____ Um drei Uhr morgens erschien ein Lüttwitz-Offizier im Reichsjustiz' Ministerium und erklärte, man habe in der Reichskanzlei noch keinen Entschluß gefaßt, vielmehr diesen auf den nächsten Vormittag verschoben. Herr Schiffer bot darauf die drei Genossen in ein Nebenzimmer und sagte ihnen, jetzt sei Gelegenheit gegeben, die ganzen Verhandlungen abzubrechen — aber er halte um solches Vorgehen doch nicht für richtig. Herr Schiffer begab sich sodann in das Zimmer zurück, in dem der Offizier wartete, und sagte, wenn in den Ent- WusM der andern Seite ein? so bedenkliche Verzögern' g entstände, behalte sich auch die Neichsregiermig ihre Entschlüsse vor/' Da Oberst Bauer also bis Mittwoch Bedenkzeit erbat, hielt sich Schiffer an sein Versprechen nicht mehr für gebunden und behielt sein Portefeuille, bis es ihm freilich bald als einem durch diesen Verkehr mit Kapp Befleckten von den Linksradikalen abgefordert worden ist. Der Vermittler erntet rin heutigen Deutschland keinen Dank; auch die vorliegende geschichtliche Darstellung erwartet keinen Beifall bei Link; und bei Rechts, nur das Verständnis eines künftigen Deutschlands, das müde dessen geworden ist. sich selbst zu zerfleischen. In langen Aussprachen zwischen Berliner Vertretern der Mehrheit Parteien mit der Deutschen Volkspartei kam am Dienstag ferner die Geneigtheit der Mehrheitsparteien zu baldigen Neuwahlen — die ja gerade durch den Pulses sich aus einem Nachteil zu einem großen Vorteil für die MehrbM- varteien verwandelt hatten — zum Ausdruck. Auch die stärkere Hinzuziehung von Fachministern bildete selbstverständlich keinen Grund zum Bürgerkrieg. Jene Absichten Dr. Schiffers und diese Ansichten der Berliner MehrheitSpartelm gaben nun Kapp- einen gewissen notdürftigen Schein, um s>me Kap-tulaNon nach außen hin zu bemänteln. Unter den sieben Bedingungen, welche er an.' Montag gestellt hatte, waren die wesentlichsten baldige Neuwahlen. Einsetzung von Fachministerien. Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk. Ergänzung des Parlaments durch eine berufsständisch gegliederte Wirtschaftskainmer. sonne Amnestie. Nunmehr erklärte Kapp am Mittwoch früh, daß seine Mission erfüllt wäre, da die alte Negierung von sich aus seine Forderungen im wesentlichen auszuführen beabsichtige. Eine Verschleierung des Zusammenbruchs der Kapp.Negierung war vom allgemeinen Standpunkt aus zunächst geboten und Rücksicht auf die irregeführten Truppen, welche an den Erfolg geglaubt hatten. Der Lüttwitzstab selbst begann an der ferneren Zuverlässigkeit eines Teils seiner Truppen zu zweifeln. Unter erneuten Bemühungen des Admirals von Trotha gelang es somit, in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch Kapp »um Rücktritt zu bewegen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/357
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/357>, abgerufen am 01.09.2024.