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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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In dieser Hoffnung auf Einigkeit der Wehrmacht hatten sich die Ver¬
schwörer schwer getäuscht. Gerade von Offizieren sind der alten Regierung die
für ihr unversöhnliches Durchhalten bis zum Erfolg, der bedingungslosen Kapi-
wlation Lüttmitz', entscheidenden Ratschläge und Ermutigungen gegeben worden.
Rostes Persönlichkeit war es geglückt, den weitaus überwiegenden Teil der Reichs¬
wehr an die von ihm vertretene Sache zu fesseln. Nur durch ihn ist die Be¬
wegung so rasch zum Ende gekommen; er hatte die leitenden Offiziere aus dem
kameradschaftlichen Zusammenhang von Lüttwitz usw. gelöst und dazu gebracht,
zur Demokratie zu halten, obwohl diese überlieferungsmäßig dem Offiziersstand
geringes Verständnis entgegenbrachte. Damit hatten Pabst und Bauer nicht
gerechnet.

An diesem Sonntag hat Kapp Stunden der Schwäche erlebt, als ihm
die Unmöglichkeit einer Regierungsbildung und die Feindlichkeit der hohen
Beamtenschaft völlig klar wurde. Die Hauptsache freilich, der Überblick über
die Lage im Reich, scheint ihm gefehlt zu haben. Die Herren seiner Umgebung
waren eifrig bemüht, die Stunde für eine leidliche Liquidation, falls solche noch
möglich war, zu versäumen. Am Sonntag vormittag überbrachten die Minister
Südekum und Öser Kapp ein Ultimatum der Gewerkschaften: ^) wenn er nicht
bis 3 Uhr nachmittags zurücktrete, werde der Generalstreik offiziell ausgerufen
werden, der seine Negierung erledigen würde. Aus dieser ergebnislosen Unter¬
redung zog der Lüttwitzstab das unsinnige Gerücht, mit Öser und den Gewerk-
schaften würde über ihren Eintritt in die Kappregierung verhandelt. Ähnliche
stimmungbelebende Legenden wurden über Verhandlungen mit dem unabhängigen
Sozialisten Däumig ausgestreut. Man hatte tatsächlich mit einigen Unabhängigen
und Kommunisten unterhandelt, die aber entweder nicht viel Macht repräsen¬
tierten oder nicht viel Geneigtheit zu einem Bündnis zeigten.

Jedenfalls waren die einsichtigeren unter den Verschwörern noch innerhalb
ihres Kreises zu schwach, um die Folgerungen aus der unhaltbaren Lage zu
K'ehen. Pabst und Bauer wünschten sich selbst zu belügen, nach dem System
optimistisch gefärbter Meldungen. Es bildete sich das Schlagwort, man
'Nüsse durch "Nervenbehalten" aus dem einmal Geschehenen soviel wie moguch
"herausholen". Die Aufgeblasenheit, die der Deutsche aller Parteinchtungen
w der Politik zeigt, während z. B. der Romane doch immer eine leise Skepsis
°in eigenen Standpunkt behält, spielte diesen schlechten Psychologen einen bösen
Streich. Was glaubten sie nicht alles hinter sich zu haben!

Die begeisterte Zustimmung der ganzen Provinz Ostpreußen zur Kapp.
Regierung, sowie die'Sympathien in Schlesien und Teilen der Mark und
Pommerns bildeten den Stimmungsrückhalt sür die Desperados, die im Neichs-
kanzlerpalais ihre improvisierte Herrschaft aufgeschlagen hatten. Daß Ostpreußen
in dem Glauben, die Kappregierung hätte sich in ganz Deutschland durchgesetzt.



Anderer Darstellung nach: der Eisenbahner.
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In dieser Hoffnung auf Einigkeit der Wehrmacht hatten sich die Ver¬
schwörer schwer getäuscht. Gerade von Offizieren sind der alten Regierung die
für ihr unversöhnliches Durchhalten bis zum Erfolg, der bedingungslosen Kapi-
wlation Lüttmitz', entscheidenden Ratschläge und Ermutigungen gegeben worden.
Rostes Persönlichkeit war es geglückt, den weitaus überwiegenden Teil der Reichs¬
wehr an die von ihm vertretene Sache zu fesseln. Nur durch ihn ist die Be¬
wegung so rasch zum Ende gekommen; er hatte die leitenden Offiziere aus dem
kameradschaftlichen Zusammenhang von Lüttwitz usw. gelöst und dazu gebracht,
zur Demokratie zu halten, obwohl diese überlieferungsmäßig dem Offiziersstand
geringes Verständnis entgegenbrachte. Damit hatten Pabst und Bauer nicht
gerechnet.

An diesem Sonntag hat Kapp Stunden der Schwäche erlebt, als ihm
die Unmöglichkeit einer Regierungsbildung und die Feindlichkeit der hohen
Beamtenschaft völlig klar wurde. Die Hauptsache freilich, der Überblick über
die Lage im Reich, scheint ihm gefehlt zu haben. Die Herren seiner Umgebung
waren eifrig bemüht, die Stunde für eine leidliche Liquidation, falls solche noch
möglich war, zu versäumen. Am Sonntag vormittag überbrachten die Minister
Südekum und Öser Kapp ein Ultimatum der Gewerkschaften: ^) wenn er nicht
bis 3 Uhr nachmittags zurücktrete, werde der Generalstreik offiziell ausgerufen
werden, der seine Negierung erledigen würde. Aus dieser ergebnislosen Unter¬
redung zog der Lüttwitzstab das unsinnige Gerücht, mit Öser und den Gewerk-
schaften würde über ihren Eintritt in die Kappregierung verhandelt. Ähnliche
stimmungbelebende Legenden wurden über Verhandlungen mit dem unabhängigen
Sozialisten Däumig ausgestreut. Man hatte tatsächlich mit einigen Unabhängigen
und Kommunisten unterhandelt, die aber entweder nicht viel Macht repräsen¬
tierten oder nicht viel Geneigtheit zu einem Bündnis zeigten.

Jedenfalls waren die einsichtigeren unter den Verschwörern noch innerhalb
ihres Kreises zu schwach, um die Folgerungen aus der unhaltbaren Lage zu
K'ehen. Pabst und Bauer wünschten sich selbst zu belügen, nach dem System
optimistisch gefärbter Meldungen. Es bildete sich das Schlagwort, man
'Nüsse durch „Nervenbehalten" aus dem einmal Geschehenen soviel wie moguch
"herausholen". Die Aufgeblasenheit, die der Deutsche aller Parteinchtungen
w der Politik zeigt, während z. B. der Romane doch immer eine leise Skepsis
°in eigenen Standpunkt behält, spielte diesen schlechten Psychologen einen bösen
Streich. Was glaubten sie nicht alles hinter sich zu haben!

Die begeisterte Zustimmung der ganzen Provinz Ostpreußen zur Kapp.
Regierung, sowie die'Sympathien in Schlesien und Teilen der Mark und
Pommerns bildeten den Stimmungsrückhalt sür die Desperados, die im Neichs-
kanzlerpalais ihre improvisierte Herrschaft aufgeschlagen hatten. Daß Ostpreußen
in dem Glauben, die Kappregierung hätte sich in ganz Deutschland durchgesetzt.



Anderer Darstellung nach: der Eisenbahner.
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[0347] Z?c>5 Rappsche Abenteuer In dieser Hoffnung auf Einigkeit der Wehrmacht hatten sich die Ver¬ schwörer schwer getäuscht. Gerade von Offizieren sind der alten Regierung die für ihr unversöhnliches Durchhalten bis zum Erfolg, der bedingungslosen Kapi- wlation Lüttmitz', entscheidenden Ratschläge und Ermutigungen gegeben worden. Rostes Persönlichkeit war es geglückt, den weitaus überwiegenden Teil der Reichs¬ wehr an die von ihm vertretene Sache zu fesseln. Nur durch ihn ist die Be¬ wegung so rasch zum Ende gekommen; er hatte die leitenden Offiziere aus dem kameradschaftlichen Zusammenhang von Lüttwitz usw. gelöst und dazu gebracht, zur Demokratie zu halten, obwohl diese überlieferungsmäßig dem Offiziersstand geringes Verständnis entgegenbrachte. Damit hatten Pabst und Bauer nicht gerechnet. An diesem Sonntag hat Kapp Stunden der Schwäche erlebt, als ihm die Unmöglichkeit einer Regierungsbildung und die Feindlichkeit der hohen Beamtenschaft völlig klar wurde. Die Hauptsache freilich, der Überblick über die Lage im Reich, scheint ihm gefehlt zu haben. Die Herren seiner Umgebung waren eifrig bemüht, die Stunde für eine leidliche Liquidation, falls solche noch möglich war, zu versäumen. Am Sonntag vormittag überbrachten die Minister Südekum und Öser Kapp ein Ultimatum der Gewerkschaften: ^) wenn er nicht bis 3 Uhr nachmittags zurücktrete, werde der Generalstreik offiziell ausgerufen werden, der seine Negierung erledigen würde. Aus dieser ergebnislosen Unter¬ redung zog der Lüttwitzstab das unsinnige Gerücht, mit Öser und den Gewerk- schaften würde über ihren Eintritt in die Kappregierung verhandelt. Ähnliche stimmungbelebende Legenden wurden über Verhandlungen mit dem unabhängigen Sozialisten Däumig ausgestreut. Man hatte tatsächlich mit einigen Unabhängigen und Kommunisten unterhandelt, die aber entweder nicht viel Macht repräsen¬ tierten oder nicht viel Geneigtheit zu einem Bündnis zeigten. Jedenfalls waren die einsichtigeren unter den Verschwörern noch innerhalb ihres Kreises zu schwach, um die Folgerungen aus der unhaltbaren Lage zu K'ehen. Pabst und Bauer wünschten sich selbst zu belügen, nach dem System optimistisch gefärbter Meldungen. Es bildete sich das Schlagwort, man 'Nüsse durch „Nervenbehalten" aus dem einmal Geschehenen soviel wie moguch "herausholen". Die Aufgeblasenheit, die der Deutsche aller Parteinchtungen w der Politik zeigt, während z. B. der Romane doch immer eine leise Skepsis °in eigenen Standpunkt behält, spielte diesen schlechten Psychologen einen bösen Streich. Was glaubten sie nicht alles hinter sich zu haben! Die begeisterte Zustimmung der ganzen Provinz Ostpreußen zur Kapp. Regierung, sowie die'Sympathien in Schlesien und Teilen der Mark und Pommerns bildeten den Stimmungsrückhalt sür die Desperados, die im Neichs- kanzlerpalais ihre improvisierte Herrschaft aufgeschlagen hatten. Daß Ostpreußen in dem Glauben, die Kappregierung hätte sich in ganz Deutschland durchgesetzt. Anderer Darstellung nach: der Eisenbahner.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/347>, abgerufen am 27.07.2024.