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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Rappsche Abenteuer

Kabinett selbstverständlich nicht sein; das liegt im Wesen einer Verschwörung.
Aber die Putschisten waren doch am Sonnabend sehr erstannt, wie sehr sie
unde? sich blieben. Selbst alle namhafterer Politiker der Rechtsparteien, an
welche sie sich wandten, winkten deutlich ab und nun begannen sie zu sühlen,
welche Mächte gegen sie standen. Die unglückliche Auswahl der Personen, die
am Sonnabend in der Pressekonferenz für die neue Regierung in Erscheinung
traten, enthüllte sofort auch der Öffentlichkeit die mangelhafte Vorbereitung.
Der Mangel an Selbstvertrauen und die halbe Entschlossenheit der führenden
Putschisten konnte nicht allzulange verborgen bleiben. Der Pulses, der im
wesentlichen aus persönlichen Notständen der beteiligten Wehrmacht entsprungen
war, konnte zu einem mehr oder weniger glücklichen Abschluß nur de^in ge¬
langen, wenn das Augenmaß der Putschisten nicht durch den äußeren Anschein
der Macht in rein militärischer Kraftentfaltung getrübt wurde. Sie mußten
sich sagen, daß ein Erfolg höchstens auf Bluff beruhen konnte, also in kürzester
Frist zu realisieren war. Deshalb mußten Kapp und Lüttwitz spätestens binnen
24 Stunden wieder abtreten, ohne daß Kapp sich "Reichskanzler" nannte,
und an ihrer Stelle ein aus schleunigst zusammenberufenen Berliner Köiper-
schaften gebildeter Ordnungsausschuß, eine Interimsregierung gebildet werden,
welche, gestützt auf den militärischen Ordnungsdienst, sich sür Amnestierung,
Berücksichtigung der Truppenwünsche, baldige Neuwahlen und anderes der¬
gleichen einsetzte, um durch eine rasche Vereinigung mit der entwichenen Ne¬
gierung die Gegensätze innerhalb der staatlich fühlenden Schichten zu versöhnen.
Warteten Kapp und Lüttwitz hingegen solange, bis die Verblüffung wich und
die innere Hohlheit des Handstreiches fühlbar wurde, so war eine Katastrophe
für ganz Deutschland unabwendbar, das Mißtrauen grub sich immer tiefer ein
und der an sich verdiente Untergang der Putschisten riß ganze Stücke des
Staates mit sich.


III.

Am 13. März lebte man in Berlin allgemein des Glaubens, daß die
gesamte Reichswehr im Reiche einheitlich hinter Kapp stünde. Unter dieser
Voraussetzung bildete sich bei mir, sobald ich von dem Pulses gehört hatte, die
Überzeugung, daß es Sache jedes Bürgers wäre, zu seinem Teil folgenden
Zielen nachzustreben:

1. müßte die Putschregierung sobald wie möglich verschwinden,
2. müßte der irregeführten Wehrmacht, um ihren Geist und ihre Kraft zu
erhalten, eine goldene Rückzugsbrücke gebaut werden,
3. müßte, um den unvermeidlichen Schaden wenigstens einigermaßen durch
positive Ergebnisse auszugleichen, ein Programm in den Vordergrund ge¬
stellt werden, das einen gewissen politischen Zukunftsgehalt umfaßte, nue
z. B. Forderung einer zweiten Kammer, die als berufsständisches Beruf-'
Parlament gegliedert wäre. Derartige Forderungen dürften aber, um die

Das Rappsche Abenteuer

Kabinett selbstverständlich nicht sein; das liegt im Wesen einer Verschwörung.
Aber die Putschisten waren doch am Sonnabend sehr erstannt, wie sehr sie
unde? sich blieben. Selbst alle namhafterer Politiker der Rechtsparteien, an
welche sie sich wandten, winkten deutlich ab und nun begannen sie zu sühlen,
welche Mächte gegen sie standen. Die unglückliche Auswahl der Personen, die
am Sonnabend in der Pressekonferenz für die neue Regierung in Erscheinung
traten, enthüllte sofort auch der Öffentlichkeit die mangelhafte Vorbereitung.
Der Mangel an Selbstvertrauen und die halbe Entschlossenheit der führenden
Putschisten konnte nicht allzulange verborgen bleiben. Der Pulses, der im
wesentlichen aus persönlichen Notständen der beteiligten Wehrmacht entsprungen
war, konnte zu einem mehr oder weniger glücklichen Abschluß nur de^in ge¬
langen, wenn das Augenmaß der Putschisten nicht durch den äußeren Anschein
der Macht in rein militärischer Kraftentfaltung getrübt wurde. Sie mußten
sich sagen, daß ein Erfolg höchstens auf Bluff beruhen konnte, also in kürzester
Frist zu realisieren war. Deshalb mußten Kapp und Lüttwitz spätestens binnen
24 Stunden wieder abtreten, ohne daß Kapp sich „Reichskanzler" nannte,
und an ihrer Stelle ein aus schleunigst zusammenberufenen Berliner Köiper-
schaften gebildeter Ordnungsausschuß, eine Interimsregierung gebildet werden,
welche, gestützt auf den militärischen Ordnungsdienst, sich sür Amnestierung,
Berücksichtigung der Truppenwünsche, baldige Neuwahlen und anderes der¬
gleichen einsetzte, um durch eine rasche Vereinigung mit der entwichenen Ne¬
gierung die Gegensätze innerhalb der staatlich fühlenden Schichten zu versöhnen.
Warteten Kapp und Lüttwitz hingegen solange, bis die Verblüffung wich und
die innere Hohlheit des Handstreiches fühlbar wurde, so war eine Katastrophe
für ganz Deutschland unabwendbar, das Mißtrauen grub sich immer tiefer ein
und der an sich verdiente Untergang der Putschisten riß ganze Stücke des
Staates mit sich.


III.

Am 13. März lebte man in Berlin allgemein des Glaubens, daß die
gesamte Reichswehr im Reiche einheitlich hinter Kapp stünde. Unter dieser
Voraussetzung bildete sich bei mir, sobald ich von dem Pulses gehört hatte, die
Überzeugung, daß es Sache jedes Bürgers wäre, zu seinem Teil folgenden
Zielen nachzustreben:

1. müßte die Putschregierung sobald wie möglich verschwinden,
2. müßte der irregeführten Wehrmacht, um ihren Geist und ihre Kraft zu
erhalten, eine goldene Rückzugsbrücke gebaut werden,
3. müßte, um den unvermeidlichen Schaden wenigstens einigermaßen durch
positive Ergebnisse auszugleichen, ein Programm in den Vordergrund ge¬
stellt werden, das einen gewissen politischen Zukunftsgehalt umfaßte, nue
z. B. Forderung einer zweiten Kammer, die als berufsständisches Beruf-'
Parlament gegliedert wäre. Derartige Forderungen dürften aber, um die

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[0344] Das Rappsche Abenteuer Kabinett selbstverständlich nicht sein; das liegt im Wesen einer Verschwörung. Aber die Putschisten waren doch am Sonnabend sehr erstannt, wie sehr sie unde? sich blieben. Selbst alle namhafterer Politiker der Rechtsparteien, an welche sie sich wandten, winkten deutlich ab und nun begannen sie zu sühlen, welche Mächte gegen sie standen. Die unglückliche Auswahl der Personen, die am Sonnabend in der Pressekonferenz für die neue Regierung in Erscheinung traten, enthüllte sofort auch der Öffentlichkeit die mangelhafte Vorbereitung. Der Mangel an Selbstvertrauen und die halbe Entschlossenheit der führenden Putschisten konnte nicht allzulange verborgen bleiben. Der Pulses, der im wesentlichen aus persönlichen Notständen der beteiligten Wehrmacht entsprungen war, konnte zu einem mehr oder weniger glücklichen Abschluß nur de^in ge¬ langen, wenn das Augenmaß der Putschisten nicht durch den äußeren Anschein der Macht in rein militärischer Kraftentfaltung getrübt wurde. Sie mußten sich sagen, daß ein Erfolg höchstens auf Bluff beruhen konnte, also in kürzester Frist zu realisieren war. Deshalb mußten Kapp und Lüttwitz spätestens binnen 24 Stunden wieder abtreten, ohne daß Kapp sich „Reichskanzler" nannte, und an ihrer Stelle ein aus schleunigst zusammenberufenen Berliner Köiper- schaften gebildeter Ordnungsausschuß, eine Interimsregierung gebildet werden, welche, gestützt auf den militärischen Ordnungsdienst, sich sür Amnestierung, Berücksichtigung der Truppenwünsche, baldige Neuwahlen und anderes der¬ gleichen einsetzte, um durch eine rasche Vereinigung mit der entwichenen Ne¬ gierung die Gegensätze innerhalb der staatlich fühlenden Schichten zu versöhnen. Warteten Kapp und Lüttwitz hingegen solange, bis die Verblüffung wich und die innere Hohlheit des Handstreiches fühlbar wurde, so war eine Katastrophe für ganz Deutschland unabwendbar, das Mißtrauen grub sich immer tiefer ein und der an sich verdiente Untergang der Putschisten riß ganze Stücke des Staates mit sich. III. Am 13. März lebte man in Berlin allgemein des Glaubens, daß die gesamte Reichswehr im Reiche einheitlich hinter Kapp stünde. Unter dieser Voraussetzung bildete sich bei mir, sobald ich von dem Pulses gehört hatte, die Überzeugung, daß es Sache jedes Bürgers wäre, zu seinem Teil folgenden Zielen nachzustreben: 1. müßte die Putschregierung sobald wie möglich verschwinden, 2. müßte der irregeführten Wehrmacht, um ihren Geist und ihre Kraft zu erhalten, eine goldene Rückzugsbrücke gebaut werden, 3. müßte, um den unvermeidlichen Schaden wenigstens einigermaßen durch positive Ergebnisse auszugleichen, ein Programm in den Vordergrund ge¬ stellt werden, das einen gewissen politischen Zukunftsgehalt umfaßte, nue z. B. Forderung einer zweiten Kammer, die als berufsständisches Beruf-' Parlament gegliedert wäre. Derartige Forderungen dürften aber, um die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/344>, abgerufen am 28.07.2024.