Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Rapxsche Abenteuer

keit die Unternehmung vorbereitet war. Wie sollte das Schwarzweißrot, das
wie einmal wieder in der strahlenden Märzsonne vom Brandenburger Tor und
allen Ministerien grüßte, nicht viele Herzen mit überraschenden Hoff¬
nungen erfüllen? Auf diese Wirkung hatten die Verschwörer gerechnet. Sie
wußten, daß aus den Kreisen des Bürgertums, der Akademiker, der ehemaligen
Heeresnngehörigen ihnen viel Anhang zuströmen müßte, wenn sie das rühm-
reiche Banner des alten Deutschen Reiches entfalteten. Nur der Mangel an
irgendwelchen aufklärenden Nachrichten lähmte die freudige Bewegung in der
bürgerlichen Menge, welche auf die Kunde von dem Umsturz der inneren Stadt
Zuströmte. Der schärfer Blickende aber sah in dieser Unterlassung sofortiger
Proklamation und Aufklärung an das Volk ein untrügliches Zeichen für die
Schwäche der tollkühnen Unternehmung.

Es ist erzählt worden, daß Hauptmann Pabst die fertig ausgearbeitete
Proklamation, welche sofort nach dem Einmarsch unter die Bevölkerung verteilt
werden sollte, zu befördern vergaß, weil er in der entscheidenden Stunde
glaubte, seine Frau wegbringen zu müssen. Wie dem sei: schon um die
Mittagsstunde nahm man wahr, daß die Verschwörer keine Kabinettsbildung,
keine Vorkehrungen gegen einen Generalstreik und kaum eine Beeinflussung der
öffentlichen Meinung vorbereitet hatten. Sie selbst behaupten, ein Programm
besessen zu haben, welches wohl geeignet war. den Prätorianerputsch zur Würde
einer wirklichen Revolution zu erheben. Ihr Programm war arbeiterfreundlich.
Die Männer, die im Schützengraben mit Angehörigen aller Volksschichten in
Kameradschaft gelebt hatten, glaubten irrigerweise auch die organisierte, klassen¬
bewußt- Arbeiterschaft der Reichshauptstadt fortreißen oder wenigstens neutral
halten zu können. Der Gedanke der Aufopferung beseelte viele Mitläufer
Pabst's. Sie wollten an Stelle des alten Parteihaders eine starke, durch
idealistischen Zusammenhalt wieder aufblühende Volksgemeinschaft. Von der
Abneigung der öffentlichen Meinung gegen eine so unsympathische Art. durch
Überrumpelung Macht zu erzwingen, in einem Augenblick, wo Deutschland am
"öligsten Ruhe und Arbeit brauchte, hatten sie keine Vorstellung. Noch weniger
fühlten sie die instinktive Abneigung Süd- und Westdeutschlands gegen jede
Unternehmung, die sich äußerlich als ein vergrößertes Köpenick oder Zubern
militaristisch einführte. Von den seelischen Krisen, welche die Arbeiterschaft zur-
önt durchlebt, besaßen diese Männer nur einen unzulänglichen Begriff. Sie unter¬
schätzten bei weitem die Gewissenskämpfe.worein sie die Angehörigen der Reichswehr
stürzten, und die Furcht des demokratischen Bürgertums vor jeder Art von Reaktion.
Sie überschätzten abermals, trotz den Erlebnissen des Krieges, den rein militärischen
Erfolg. Die Bildung eines Ministeriums strebten sie auf breitester Grundlage
an und waren optimistisch genug, selbst auf die Unabhängigen zu hoffen. Kapp
scheint seinen Mitverschwörern gegenüber auch die Hoffnung geäußert zu haben,
sofort ein Kabinett bilden zu können, welches wenigstens als Grundlage für
eine wirklich breite Volksregiernng dienen sollte. Ganz fertig konnte das


Grenzboten I 1920 ^
Das Rapxsche Abenteuer

keit die Unternehmung vorbereitet war. Wie sollte das Schwarzweißrot, das
wie einmal wieder in der strahlenden Märzsonne vom Brandenburger Tor und
allen Ministerien grüßte, nicht viele Herzen mit überraschenden Hoff¬
nungen erfüllen? Auf diese Wirkung hatten die Verschwörer gerechnet. Sie
wußten, daß aus den Kreisen des Bürgertums, der Akademiker, der ehemaligen
Heeresnngehörigen ihnen viel Anhang zuströmen müßte, wenn sie das rühm-
reiche Banner des alten Deutschen Reiches entfalteten. Nur der Mangel an
irgendwelchen aufklärenden Nachrichten lähmte die freudige Bewegung in der
bürgerlichen Menge, welche auf die Kunde von dem Umsturz der inneren Stadt
Zuströmte. Der schärfer Blickende aber sah in dieser Unterlassung sofortiger
Proklamation und Aufklärung an das Volk ein untrügliches Zeichen für die
Schwäche der tollkühnen Unternehmung.

Es ist erzählt worden, daß Hauptmann Pabst die fertig ausgearbeitete
Proklamation, welche sofort nach dem Einmarsch unter die Bevölkerung verteilt
werden sollte, zu befördern vergaß, weil er in der entscheidenden Stunde
glaubte, seine Frau wegbringen zu müssen. Wie dem sei: schon um die
Mittagsstunde nahm man wahr, daß die Verschwörer keine Kabinettsbildung,
keine Vorkehrungen gegen einen Generalstreik und kaum eine Beeinflussung der
öffentlichen Meinung vorbereitet hatten. Sie selbst behaupten, ein Programm
besessen zu haben, welches wohl geeignet war. den Prätorianerputsch zur Würde
einer wirklichen Revolution zu erheben. Ihr Programm war arbeiterfreundlich.
Die Männer, die im Schützengraben mit Angehörigen aller Volksschichten in
Kameradschaft gelebt hatten, glaubten irrigerweise auch die organisierte, klassen¬
bewußt- Arbeiterschaft der Reichshauptstadt fortreißen oder wenigstens neutral
halten zu können. Der Gedanke der Aufopferung beseelte viele Mitläufer
Pabst's. Sie wollten an Stelle des alten Parteihaders eine starke, durch
idealistischen Zusammenhalt wieder aufblühende Volksgemeinschaft. Von der
Abneigung der öffentlichen Meinung gegen eine so unsympathische Art. durch
Überrumpelung Macht zu erzwingen, in einem Augenblick, wo Deutschland am
»öligsten Ruhe und Arbeit brauchte, hatten sie keine Vorstellung. Noch weniger
fühlten sie die instinktive Abneigung Süd- und Westdeutschlands gegen jede
Unternehmung, die sich äußerlich als ein vergrößertes Köpenick oder Zubern
militaristisch einführte. Von den seelischen Krisen, welche die Arbeiterschaft zur-
önt durchlebt, besaßen diese Männer nur einen unzulänglichen Begriff. Sie unter¬
schätzten bei weitem die Gewissenskämpfe.worein sie die Angehörigen der Reichswehr
stürzten, und die Furcht des demokratischen Bürgertums vor jeder Art von Reaktion.
Sie überschätzten abermals, trotz den Erlebnissen des Krieges, den rein militärischen
Erfolg. Die Bildung eines Ministeriums strebten sie auf breitester Grundlage
an und waren optimistisch genug, selbst auf die Unabhängigen zu hoffen. Kapp
scheint seinen Mitverschwörern gegenüber auch die Hoffnung geäußert zu haben,
sofort ein Kabinett bilden zu können, welches wenigstens als Grundlage für
eine wirklich breite Volksregiernng dienen sollte. Ganz fertig konnte das


Grenzboten I 1920 ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337188"/>
            <fw type="header" place="top"> Das Rapxsche Abenteuer</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2377" prev="#ID_2376"> keit die Unternehmung vorbereitet war. Wie sollte das Schwarzweißrot, das<lb/>
wie einmal wieder in der strahlenden Märzsonne vom Brandenburger Tor und<lb/>
allen Ministerien grüßte, nicht viele Herzen mit überraschenden Hoff¬<lb/>
nungen erfüllen? Auf diese Wirkung hatten die Verschwörer gerechnet. Sie<lb/>
wußten, daß aus den Kreisen des Bürgertums, der Akademiker, der ehemaligen<lb/>
Heeresnngehörigen ihnen viel Anhang zuströmen müßte, wenn sie das rühm-<lb/>
reiche Banner des alten Deutschen Reiches entfalteten. Nur der Mangel an<lb/>
irgendwelchen aufklärenden Nachrichten lähmte die freudige Bewegung in der<lb/>
bürgerlichen Menge, welche auf die Kunde von dem Umsturz der inneren Stadt<lb/>
Zuströmte. Der schärfer Blickende aber sah in dieser Unterlassung sofortiger<lb/>
Proklamation und Aufklärung an das Volk ein untrügliches Zeichen für die<lb/>
Schwäche der tollkühnen Unternehmung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2378" next="#ID_2379"> Es ist erzählt worden, daß Hauptmann Pabst die fertig ausgearbeitete<lb/>
Proklamation, welche sofort nach dem Einmarsch unter die Bevölkerung verteilt<lb/>
werden sollte, zu befördern vergaß, weil er in der entscheidenden Stunde<lb/>
glaubte, seine Frau wegbringen zu müssen. Wie dem sei: schon um die<lb/>
Mittagsstunde nahm man wahr, daß die Verschwörer keine Kabinettsbildung,<lb/>
keine Vorkehrungen gegen einen Generalstreik und kaum eine Beeinflussung der<lb/>
öffentlichen Meinung vorbereitet hatten. Sie selbst behaupten, ein Programm<lb/>
besessen zu haben, welches wohl geeignet war. den Prätorianerputsch zur Würde<lb/>
einer wirklichen Revolution zu erheben. Ihr Programm war arbeiterfreundlich.<lb/>
Die Männer, die im Schützengraben mit Angehörigen aller Volksschichten in<lb/>
Kameradschaft gelebt hatten, glaubten irrigerweise auch die organisierte, klassen¬<lb/>
bewußt- Arbeiterschaft der Reichshauptstadt fortreißen oder wenigstens neutral<lb/>
halten zu können. Der Gedanke der Aufopferung beseelte viele Mitläufer<lb/>
Pabst's. Sie wollten an Stelle des alten Parteihaders eine starke, durch<lb/>
idealistischen Zusammenhalt wieder aufblühende Volksgemeinschaft. Von der<lb/>
Abneigung der öffentlichen Meinung gegen eine so unsympathische Art. durch<lb/>
Überrumpelung Macht zu erzwingen, in einem Augenblick, wo Deutschland am<lb/>
»öligsten Ruhe und Arbeit brauchte, hatten sie keine Vorstellung. Noch weniger<lb/>
fühlten sie die instinktive Abneigung Süd- und Westdeutschlands gegen jede<lb/>
Unternehmung, die sich äußerlich als ein vergrößertes Köpenick oder Zubern<lb/>
militaristisch einführte. Von den seelischen Krisen, welche die Arbeiterschaft zur-<lb/>
önt durchlebt, besaßen diese Männer nur einen unzulänglichen Begriff. Sie unter¬<lb/>
schätzten bei weitem die Gewissenskämpfe.worein sie die Angehörigen der Reichswehr<lb/>
stürzten, und die Furcht des demokratischen Bürgertums vor jeder Art von Reaktion.<lb/>
Sie überschätzten abermals, trotz den Erlebnissen des Krieges, den rein militärischen<lb/>
Erfolg. Die Bildung eines Ministeriums strebten sie auf breitester Grundlage<lb/>
an und waren optimistisch genug, selbst auf die Unabhängigen zu hoffen. Kapp<lb/>
scheint seinen Mitverschwörern gegenüber auch die Hoffnung geäußert zu haben,<lb/>
sofort ein Kabinett bilden zu können, welches wenigstens als Grundlage für<lb/>
eine wirklich breite Volksregiernng dienen sollte. Ganz fertig konnte das</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1920 ^</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0343] Das Rapxsche Abenteuer keit die Unternehmung vorbereitet war. Wie sollte das Schwarzweißrot, das wie einmal wieder in der strahlenden Märzsonne vom Brandenburger Tor und allen Ministerien grüßte, nicht viele Herzen mit überraschenden Hoff¬ nungen erfüllen? Auf diese Wirkung hatten die Verschwörer gerechnet. Sie wußten, daß aus den Kreisen des Bürgertums, der Akademiker, der ehemaligen Heeresnngehörigen ihnen viel Anhang zuströmen müßte, wenn sie das rühm- reiche Banner des alten Deutschen Reiches entfalteten. Nur der Mangel an irgendwelchen aufklärenden Nachrichten lähmte die freudige Bewegung in der bürgerlichen Menge, welche auf die Kunde von dem Umsturz der inneren Stadt Zuströmte. Der schärfer Blickende aber sah in dieser Unterlassung sofortiger Proklamation und Aufklärung an das Volk ein untrügliches Zeichen für die Schwäche der tollkühnen Unternehmung. Es ist erzählt worden, daß Hauptmann Pabst die fertig ausgearbeitete Proklamation, welche sofort nach dem Einmarsch unter die Bevölkerung verteilt werden sollte, zu befördern vergaß, weil er in der entscheidenden Stunde glaubte, seine Frau wegbringen zu müssen. Wie dem sei: schon um die Mittagsstunde nahm man wahr, daß die Verschwörer keine Kabinettsbildung, keine Vorkehrungen gegen einen Generalstreik und kaum eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung vorbereitet hatten. Sie selbst behaupten, ein Programm besessen zu haben, welches wohl geeignet war. den Prätorianerputsch zur Würde einer wirklichen Revolution zu erheben. Ihr Programm war arbeiterfreundlich. Die Männer, die im Schützengraben mit Angehörigen aller Volksschichten in Kameradschaft gelebt hatten, glaubten irrigerweise auch die organisierte, klassen¬ bewußt- Arbeiterschaft der Reichshauptstadt fortreißen oder wenigstens neutral halten zu können. Der Gedanke der Aufopferung beseelte viele Mitläufer Pabst's. Sie wollten an Stelle des alten Parteihaders eine starke, durch idealistischen Zusammenhalt wieder aufblühende Volksgemeinschaft. Von der Abneigung der öffentlichen Meinung gegen eine so unsympathische Art. durch Überrumpelung Macht zu erzwingen, in einem Augenblick, wo Deutschland am »öligsten Ruhe und Arbeit brauchte, hatten sie keine Vorstellung. Noch weniger fühlten sie die instinktive Abneigung Süd- und Westdeutschlands gegen jede Unternehmung, die sich äußerlich als ein vergrößertes Köpenick oder Zubern militaristisch einführte. Von den seelischen Krisen, welche die Arbeiterschaft zur- önt durchlebt, besaßen diese Männer nur einen unzulänglichen Begriff. Sie unter¬ schätzten bei weitem die Gewissenskämpfe.worein sie die Angehörigen der Reichswehr stürzten, und die Furcht des demokratischen Bürgertums vor jeder Art von Reaktion. Sie überschätzten abermals, trotz den Erlebnissen des Krieges, den rein militärischen Erfolg. Die Bildung eines Ministeriums strebten sie auf breitester Grundlage an und waren optimistisch genug, selbst auf die Unabhängigen zu hoffen. Kapp scheint seinen Mitverschwörern gegenüber auch die Hoffnung geäußert zu haben, sofort ein Kabinett bilden zu können, welches wenigstens als Grundlage für eine wirklich breite Volksregiernng dienen sollte. Ganz fertig konnte das Grenzboten I 1920 ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/343
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/343>, abgerufen am 28.07.2024.