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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Raxpsche Abenteuer

Entkommen der Negierung verurteilte allein schon bei der zu erwartenden
frostigen und feindseligen .Haltung der öffentlichen Meinung gegen die
Pntschisten ihr Unternehmen zum Tode. Die Putschisten selbst, denen d.em
Fehler alsbald klar wurde, entschuldigten ihn vor sich selber damit, daß vor
Abhebung des Schießcrlasses die Verhütung der Minister durch ^treifkorpS
Blutvergießen Kostet haben würde. Hicrvor schreckten sie zurück. Sre wollten
den Umsturz ehrenhaft in deutscher Redlichkeit vollziehen, wie sie schon durch die
Warnung Ebcrts durch Lüttwitz u"d die Verhandlungspause des Kapitän
Ehrhardt bewiesen hatten. Die bei erfolgreichen Verschwörungen niemals
Wende Brutalität liegt unserem Volkscharakter nicht. Mehr noch wie im
Kriege sind bei einer Revolution die großen Anfangserfolge der halbe Sieg.
i'imcwcl). touMirs ein- 1'auclace! empfahl Danton in solcher Lage. Der
deutsche Soldat aber entwickelt unwiderstehliche Energie nnr gegen ein klar
befohlenes Ziel Indes wäre Kavps Unternehmen auch bei einer rechtzeitigen
Mattsekung der Regierung später gescheitert, nur nicht so rasch zusammen-
^stürzt. Es hätten sich neue Regierungen gebildet und die Masse des Volkes
halte sich von den Kappleuten einfach nicht regieren lassen. Die Revolution
vom November 1918 ist geglückt, u. a. weil sie von der Provinz, insbesondere
^in Süden, ausging und zugleich die zentrale Kraft der Reichsbehörden dnrch
innere und äußere") Spaltungen geschwächt war. Was von Berlin ausgeht,
nimmt der größere Teil der Deutschen an sich mit Mißtrauen auf. Jeden¬
falls war es im März 1VW für die Gesamtheit ein Glück, daß die alte
Regierung erhalten blieb; das allein hat größeres Durcheinander verhütet.

Das Verlassen Berlins brachte allerdings der Regierung zunächst eine
gewisse Minderung ihres Ansehens. Aber gerade von militärischer Seite war
ihr dieser strategische Rückzug anempfohlen worden. Major v. Gilsa riet dazu,
weil dies für den Gegner das Unangenehmste war und. weil die Regierung
nur außerhalb Berlins den Überblick über das Ganze und den Einfluß auf
das Reich erhielt. Als die Negierung in Stuttgart eingetroffen war. erkannte
^ die tönernen Füße des Kappschen Unternehmens mit völliger Klarheit.
In Berlin bleibend, hätte sie mit den Aufständischen paktieren müssen.

In der Kabinettssitzung war die Frage erörtert worden, ob man gegen
^n Pulses zum Generalstreik auffordern solle. Ein solcher Beschluß wurde
^er nicht gefaßt; das Kabinett glaubte eine so ungeheuerliche Verantwortung
'"ehe auf sich nehmen zu können, obwohl tatsächlich gegen eine gut organisierte
Gegenrevolution kaum ein anderes wirksames Mittel zur Verfügung gestanden
hätte. Gegen die Kappleute aber gab es vorerst noch andere Mittel. Denn sie
waren ja bereit zu unterhandeln und ihre materiellen Forderungen nichts
weniger als gegenrevolntionär. Schon am folgenden Tag hätte sich zudem die
innere Schwäche der Verschwörung herausgestellt, an der sie fast von selbst zu-
"



"^) Entfernung des Großen Hauptquartiers von Berlin.
Das Raxpsche Abenteuer

Entkommen der Negierung verurteilte allein schon bei der zu erwartenden
frostigen und feindseligen .Haltung der öffentlichen Meinung gegen die
Pntschisten ihr Unternehmen zum Tode. Die Putschisten selbst, denen d.em
Fehler alsbald klar wurde, entschuldigten ihn vor sich selber damit, daß vor
Abhebung des Schießcrlasses die Verhütung der Minister durch ^treifkorpS
Blutvergießen Kostet haben würde. Hicrvor schreckten sie zurück. Sre wollten
den Umsturz ehrenhaft in deutscher Redlichkeit vollziehen, wie sie schon durch die
Warnung Ebcrts durch Lüttwitz u»d die Verhandlungspause des Kapitän
Ehrhardt bewiesen hatten. Die bei erfolgreichen Verschwörungen niemals
Wende Brutalität liegt unserem Volkscharakter nicht. Mehr noch wie im
Kriege sind bei einer Revolution die großen Anfangserfolge der halbe Sieg.
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deutsche Soldat aber entwickelt unwiderstehliche Energie nnr gegen ein klar
befohlenes Ziel Indes wäre Kavps Unternehmen auch bei einer rechtzeitigen
Mattsekung der Regierung später gescheitert, nur nicht so rasch zusammen-
^stürzt. Es hätten sich neue Regierungen gebildet und die Masse des Volkes
halte sich von den Kappleuten einfach nicht regieren lassen. Die Revolution
vom November 1918 ist geglückt, u. a. weil sie von der Provinz, insbesondere
^in Süden, ausging und zugleich die zentrale Kraft der Reichsbehörden dnrch
innere und äußere») Spaltungen geschwächt war. Was von Berlin ausgeht,
nimmt der größere Teil der Deutschen an sich mit Mißtrauen auf. Jeden¬
falls war es im März 1VW für die Gesamtheit ein Glück, daß die alte
Regierung erhalten blieb; das allein hat größeres Durcheinander verhütet.

Das Verlassen Berlins brachte allerdings der Regierung zunächst eine
gewisse Minderung ihres Ansehens. Aber gerade von militärischer Seite war
ihr dieser strategische Rückzug anempfohlen worden. Major v. Gilsa riet dazu,
weil dies für den Gegner das Unangenehmste war und. weil die Regierung
nur außerhalb Berlins den Überblick über das Ganze und den Einfluß auf
das Reich erhielt. Als die Negierung in Stuttgart eingetroffen war. erkannte
^ die tönernen Füße des Kappschen Unternehmens mit völliger Klarheit.
In Berlin bleibend, hätte sie mit den Aufständischen paktieren müssen.

In der Kabinettssitzung war die Frage erörtert worden, ob man gegen
^n Pulses zum Generalstreik auffordern solle. Ein solcher Beschluß wurde
^er nicht gefaßt; das Kabinett glaubte eine so ungeheuerliche Verantwortung
'"ehe auf sich nehmen zu können, obwohl tatsächlich gegen eine gut organisierte
Gegenrevolution kaum ein anderes wirksames Mittel zur Verfügung gestanden
hätte. Gegen die Kappleute aber gab es vorerst noch andere Mittel. Denn sie
waren ja bereit zu unterhandeln und ihre materiellen Forderungen nichts
weniger als gegenrevolntionär. Schon am folgenden Tag hätte sich zudem die
innere Schwäche der Verschwörung herausgestellt, an der sie fast von selbst zu-
"



«^) Entfernung des Großen Hauptquartiers von Berlin.
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[0341] Das Raxpsche Abenteuer Entkommen der Negierung verurteilte allein schon bei der zu erwartenden frostigen und feindseligen .Haltung der öffentlichen Meinung gegen die Pntschisten ihr Unternehmen zum Tode. Die Putschisten selbst, denen d.em Fehler alsbald klar wurde, entschuldigten ihn vor sich selber damit, daß vor Abhebung des Schießcrlasses die Verhütung der Minister durch ^treifkorpS Blutvergießen Kostet haben würde. Hicrvor schreckten sie zurück. Sre wollten den Umsturz ehrenhaft in deutscher Redlichkeit vollziehen, wie sie schon durch die Warnung Ebcrts durch Lüttwitz u»d die Verhandlungspause des Kapitän Ehrhardt bewiesen hatten. Die bei erfolgreichen Verschwörungen niemals Wende Brutalität liegt unserem Volkscharakter nicht. Mehr noch wie im Kriege sind bei einer Revolution die großen Anfangserfolge der halbe Sieg. i'imcwcl). touMirs ein- 1'auclace! empfahl Danton in solcher Lage. Der deutsche Soldat aber entwickelt unwiderstehliche Energie nnr gegen ein klar befohlenes Ziel Indes wäre Kavps Unternehmen auch bei einer rechtzeitigen Mattsekung der Regierung später gescheitert, nur nicht so rasch zusammen- ^stürzt. Es hätten sich neue Regierungen gebildet und die Masse des Volkes halte sich von den Kappleuten einfach nicht regieren lassen. Die Revolution vom November 1918 ist geglückt, u. a. weil sie von der Provinz, insbesondere ^in Süden, ausging und zugleich die zentrale Kraft der Reichsbehörden dnrch innere und äußere») Spaltungen geschwächt war. Was von Berlin ausgeht, nimmt der größere Teil der Deutschen an sich mit Mißtrauen auf. Jeden¬ falls war es im März 1VW für die Gesamtheit ein Glück, daß die alte Regierung erhalten blieb; das allein hat größeres Durcheinander verhütet. Das Verlassen Berlins brachte allerdings der Regierung zunächst eine gewisse Minderung ihres Ansehens. Aber gerade von militärischer Seite war ihr dieser strategische Rückzug anempfohlen worden. Major v. Gilsa riet dazu, weil dies für den Gegner das Unangenehmste war und. weil die Regierung nur außerhalb Berlins den Überblick über das Ganze und den Einfluß auf das Reich erhielt. Als die Negierung in Stuttgart eingetroffen war. erkannte ^ die tönernen Füße des Kappschen Unternehmens mit völliger Klarheit. In Berlin bleibend, hätte sie mit den Aufständischen paktieren müssen. In der Kabinettssitzung war die Frage erörtert worden, ob man gegen ^n Pulses zum Generalstreik auffordern solle. Ein solcher Beschluß wurde ^er nicht gefaßt; das Kabinett glaubte eine so ungeheuerliche Verantwortung '"ehe auf sich nehmen zu können, obwohl tatsächlich gegen eine gut organisierte Gegenrevolution kaum ein anderes wirksames Mittel zur Verfügung gestanden hätte. Gegen die Kappleute aber gab es vorerst noch andere Mittel. Denn sie waren ja bereit zu unterhandeln und ihre materiellen Forderungen nichts weniger als gegenrevolntionär. Schon am folgenden Tag hätte sich zudem die innere Schwäche der Verschwörung herausgestellt, an der sie fast von selbst zu- " «^) Entfernung des Großen Hauptquartiers von Berlin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/341>, abgerufen am 28.07.2024.