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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Aappsche Abenteuer

Zum Reichswehrminister zurückgekehrt, meldete Trotha, er habe die
Truppe im vollen Frieden gefunden. Das bewiese aber nicht viel, denn bei
einer solchen Truppe genügte, wenn sie um 1 Uhr marschieren wollte, höchstens
eine Stunde Vorbereitung. Den Kapitän habe er gedrückt, "verbast" vor¬
gefunden, in einer Stimmung, auf der allerlei Unfug wachsen könnte. Von
vielfältiger Seite war in den letzten Stunden auf Ehrhardt eingewirkt worden.
An Wirbelwind von Ermahnungen und Befehlen hat die Brigade glauben
gemacht, daß in Berlin alles in schlotternder Aufregung vor ihr wäre.

Als nachts die Meldung vom Einmarsch der Brigade in Berlin eintraf,
fuhren die Generale Oven und Oldershcmsen ihr entgegen. Sie passierten die
Vorhut und kamen ins Gros. Noch nie im Krieg und Frieden hatten die
beiden Herren eine Truppe in so feierlicher, fester Stimmung marschieren sehen wie
diese zu ihrem törichten Streich in gutem Glauben mit Liedersingen und ent¬
rollten großen Fahnen durch die Nacht heranziehenden Krieger. Endlich fanden sie
Ehrhardt. Sie überraschten ihn im Schlafe. Er schlief, nachdem er die Truppe in
Marsch gesetzt hatte, im Begriff. Deutschland auf den Kopf zu stellen, noch
eine Stunde! Ein Mann mit solchen Nerven hat seine Truppe in der Hand.
Ehrhardt erklärte den Generalen, daß nur unter gewissen Bedingungen der
Vormarsch eingestellt würde. Die "fünf Punkte", die der Offizier, eben erst
aufgeweckt, aus dem Handgelenk hinwarf, enthielten in unklarer Form einen
Teil des politischen Programms, welches nachher von der Kapp-Regierung
aufgestellt worden ist (Fachministerien, baldige Neuwahlen. Präsidentenwahl
durch das Volk), sowie die eigenen Forderungen der Bngo.de. Ehrhardt er¬
klärte, sich nur auf wenige Stunden des Wartens einlassen zu können. Er
würde die Antwort morgens um 7 Uhr an der Siegessäule entgegennehmen.
Ein längeres Warten wäre schon daran unmöglich, weil die Erhebung gleich¬
zeitig an dreißig Orten in Deutschland stattfände. Hierin hat sich Ehrhardt
Neilich getäuscht; die Organisation der Verschwörung war auch in diesem Punkt
mangelhaft und ein Teil der ins Einverständnis Gezogenen ließ feine M-t-
o^'rschworenen in der entscheidenden Stunde im Stich. Später soll Ehrhardt
die Aufstellung seiner Forderungen und die hierdurch bewirkte Verzögerung des
Einmarsches als ungeschickt bedauert haben.

Mit diesem Bescheid jagten die Generale im Auto nach Berlin zurück,
und es erhob sich nun bei der Nachtsitzung im Reichswehrministermm die
Frage, ob den Aufrührern mit Waffengewalt begegnet werden sollte. Roste
neigte seiner Natur entsprechend zur Energie. Er fragte, welcher der Herren
mit ihm zu den Berliner Truppen fahren wollte, um sie zum Widerstand auf¬
zumuntern. Als erster erklärte hierauf General von Seeckt. er halte es für
ausgeschlossen, daß die Truppe zu bewegen sein würde, auf ihre Schwester¬
truppe zu schießen.

Es waren auch schon Nachrichten über kameradschaftliche Verbrüderung
von Teilen der Sicherheitswehr mit der Marinebrigade eingelaufen. Fast alle


Das Aappsche Abenteuer

Zum Reichswehrminister zurückgekehrt, meldete Trotha, er habe die
Truppe im vollen Frieden gefunden. Das bewiese aber nicht viel, denn bei
einer solchen Truppe genügte, wenn sie um 1 Uhr marschieren wollte, höchstens
eine Stunde Vorbereitung. Den Kapitän habe er gedrückt, „verbast" vor¬
gefunden, in einer Stimmung, auf der allerlei Unfug wachsen könnte. Von
vielfältiger Seite war in den letzten Stunden auf Ehrhardt eingewirkt worden.
An Wirbelwind von Ermahnungen und Befehlen hat die Brigade glauben
gemacht, daß in Berlin alles in schlotternder Aufregung vor ihr wäre.

Als nachts die Meldung vom Einmarsch der Brigade in Berlin eintraf,
fuhren die Generale Oven und Oldershcmsen ihr entgegen. Sie passierten die
Vorhut und kamen ins Gros. Noch nie im Krieg und Frieden hatten die
beiden Herren eine Truppe in so feierlicher, fester Stimmung marschieren sehen wie
diese zu ihrem törichten Streich in gutem Glauben mit Liedersingen und ent¬
rollten großen Fahnen durch die Nacht heranziehenden Krieger. Endlich fanden sie
Ehrhardt. Sie überraschten ihn im Schlafe. Er schlief, nachdem er die Truppe in
Marsch gesetzt hatte, im Begriff. Deutschland auf den Kopf zu stellen, noch
eine Stunde! Ein Mann mit solchen Nerven hat seine Truppe in der Hand.
Ehrhardt erklärte den Generalen, daß nur unter gewissen Bedingungen der
Vormarsch eingestellt würde. Die „fünf Punkte", die der Offizier, eben erst
aufgeweckt, aus dem Handgelenk hinwarf, enthielten in unklarer Form einen
Teil des politischen Programms, welches nachher von der Kapp-Regierung
aufgestellt worden ist (Fachministerien, baldige Neuwahlen. Präsidentenwahl
durch das Volk), sowie die eigenen Forderungen der Bngo.de. Ehrhardt er¬
klärte, sich nur auf wenige Stunden des Wartens einlassen zu können. Er
würde die Antwort morgens um 7 Uhr an der Siegessäule entgegennehmen.
Ein längeres Warten wäre schon daran unmöglich, weil die Erhebung gleich¬
zeitig an dreißig Orten in Deutschland stattfände. Hierin hat sich Ehrhardt
Neilich getäuscht; die Organisation der Verschwörung war auch in diesem Punkt
mangelhaft und ein Teil der ins Einverständnis Gezogenen ließ feine M-t-
o^'rschworenen in der entscheidenden Stunde im Stich. Später soll Ehrhardt
die Aufstellung seiner Forderungen und die hierdurch bewirkte Verzögerung des
Einmarsches als ungeschickt bedauert haben.

Mit diesem Bescheid jagten die Generale im Auto nach Berlin zurück,
und es erhob sich nun bei der Nachtsitzung im Reichswehrministermm die
Frage, ob den Aufrührern mit Waffengewalt begegnet werden sollte. Roste
neigte seiner Natur entsprechend zur Energie. Er fragte, welcher der Herren
mit ihm zu den Berliner Truppen fahren wollte, um sie zum Widerstand auf¬
zumuntern. Als erster erklärte hierauf General von Seeckt. er halte es für
ausgeschlossen, daß die Truppe zu bewegen sein würde, auf ihre Schwester¬
truppe zu schießen.

Es waren auch schon Nachrichten über kameradschaftliche Verbrüderung
von Teilen der Sicherheitswehr mit der Marinebrigade eingelaufen. Fast alle


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[0339] Das Aappsche Abenteuer Zum Reichswehrminister zurückgekehrt, meldete Trotha, er habe die Truppe im vollen Frieden gefunden. Das bewiese aber nicht viel, denn bei einer solchen Truppe genügte, wenn sie um 1 Uhr marschieren wollte, höchstens eine Stunde Vorbereitung. Den Kapitän habe er gedrückt, „verbast" vor¬ gefunden, in einer Stimmung, auf der allerlei Unfug wachsen könnte. Von vielfältiger Seite war in den letzten Stunden auf Ehrhardt eingewirkt worden. An Wirbelwind von Ermahnungen und Befehlen hat die Brigade glauben gemacht, daß in Berlin alles in schlotternder Aufregung vor ihr wäre. Als nachts die Meldung vom Einmarsch der Brigade in Berlin eintraf, fuhren die Generale Oven und Oldershcmsen ihr entgegen. Sie passierten die Vorhut und kamen ins Gros. Noch nie im Krieg und Frieden hatten die beiden Herren eine Truppe in so feierlicher, fester Stimmung marschieren sehen wie diese zu ihrem törichten Streich in gutem Glauben mit Liedersingen und ent¬ rollten großen Fahnen durch die Nacht heranziehenden Krieger. Endlich fanden sie Ehrhardt. Sie überraschten ihn im Schlafe. Er schlief, nachdem er die Truppe in Marsch gesetzt hatte, im Begriff. Deutschland auf den Kopf zu stellen, noch eine Stunde! Ein Mann mit solchen Nerven hat seine Truppe in der Hand. Ehrhardt erklärte den Generalen, daß nur unter gewissen Bedingungen der Vormarsch eingestellt würde. Die „fünf Punkte", die der Offizier, eben erst aufgeweckt, aus dem Handgelenk hinwarf, enthielten in unklarer Form einen Teil des politischen Programms, welches nachher von der Kapp-Regierung aufgestellt worden ist (Fachministerien, baldige Neuwahlen. Präsidentenwahl durch das Volk), sowie die eigenen Forderungen der Bngo.de. Ehrhardt er¬ klärte, sich nur auf wenige Stunden des Wartens einlassen zu können. Er würde die Antwort morgens um 7 Uhr an der Siegessäule entgegennehmen. Ein längeres Warten wäre schon daran unmöglich, weil die Erhebung gleich¬ zeitig an dreißig Orten in Deutschland stattfände. Hierin hat sich Ehrhardt Neilich getäuscht; die Organisation der Verschwörung war auch in diesem Punkt mangelhaft und ein Teil der ins Einverständnis Gezogenen ließ feine M-t- o^'rschworenen in der entscheidenden Stunde im Stich. Später soll Ehrhardt die Aufstellung seiner Forderungen und die hierdurch bewirkte Verzögerung des Einmarsches als ungeschickt bedauert haben. Mit diesem Bescheid jagten die Generale im Auto nach Berlin zurück, und es erhob sich nun bei der Nachtsitzung im Reichswehrministermm die Frage, ob den Aufrührern mit Waffengewalt begegnet werden sollte. Roste neigte seiner Natur entsprechend zur Energie. Er fragte, welcher der Herren mit ihm zu den Berliner Truppen fahren wollte, um sie zum Widerstand auf¬ zumuntern. Als erster erklärte hierauf General von Seeckt. er halte es für ausgeschlossen, daß die Truppe zu bewegen sein würde, auf ihre Schwester¬ truppe zu schießen. Es waren auch schon Nachrichten über kameradschaftliche Verbrüderung von Teilen der Sicherheitswehr mit der Marinebrigade eingelaufen. Fast alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/339>, abgerufen am 28.07.2024.