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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

der jetzt in Köln eine "Rheinische Volksstimme", Organ zur Verhinderung der
neuen Verfassung, herausgibt. Matthias Salm, durch langjährige Tätigkeit
im Auswärtigen Amt mit allen Spezialfnchern der ungeschickten deutschen Pro¬
paganda wohl vertraut, versendet eine "Korrespondenz", die heute unter dem
Namen "Rheinische Warte" Gedanken und Lockungen Dortens verbreitet. All
diese publizistischen Ergüsse sind so vortrefflich gedruckt und ausgestattet, daß sie
nur mit fremden Geldern zu bestehen vermögen.

Am meisten aber lassen sich die Franzosen die Bearbeitung der öffentlichen
Meinung durch Broschüre n kosten, die etwa alle vier Wochen jeder anständige
Mensch im besetzten Gebiet durch die Post mit dem Poststempel: Se. Johann-
Saarbrücken ins Haus erhält. Zwei dicke Bändchen: I^Sö ?ourpiU'IsrK
"iplomatiguss, 17. Ukrs 1913 -- 4. KsxtsmKrs 1314, französisch und deutsch ge¬
druckt, bilden den Auftakt. Ein "Offner Brief an denjenigen Unbekannten, der
die Macht hat in Deutschland", vom sattsam bekannten Professor und Deserteur
Georg Fr. Nicolai: Warum ich aus Deutschland ging (Verlag der Ver¬
einigung deutscher Demokraten im Ausland) und Wilhelm Muehlon:
Die Verheerung Europas, Aufzeichnungen aus den ersten Kriegsmonaten, zeigen
den erstaunten Rheinländern, wie deutsche "Baterlandsfreunde" über ihr eigenes
Land denken und diese Gedanken der französischen Propaganda billig dienstbar
machen. Sehr gewandt und durchschlagend ist in katholischen Kreisen das Buch
von Em. Prüm: Der Witwenstand der Wahrheit, das vor allem der Mittel¬
stand um so lieber in seinen Bücherschrank stellt, als zugleich der Sortimentsbuch¬
handel im besetzten Gebiet das Werk für sage und schreibe Mark 15 vertreibt.
Plumper und aufdringlicher sind dann schon ein "Kurzer Abriß der Geschichte
Frankreichs von 1871 bis 1919", ein Büchlein von Major Leroux: Erzählungen
für Jugend und Heer. Frankreichs Kriege", und endlich die vielverbreitete
Broschüre von Gaston Nageot: Der französische Genius. Wie es scheint,
ist zurzeit mit dieser Auswahl jedoch der Borrat an propagandistischer Literatur
für Frankreich etwas erschöpft. In den letzten Wochen hat es daher deutsche
Verleger aufgekauft; in Hunderten, vielleicht in Tausenden von Exemplaren
werden ebenfalls durch die Post nunmehr die Flugschriften des Bundes "Neues
Vaterland" verbreitet, von denen mir augenblicklich Ur. 1: Der Mahnruf des
Hauptmanns Beerfelde, Michel wach auf!, Ur. 5: E. I. Gumpel, Vier
Jahre Lüge und endlich sogar Ur. 11: Heinrich Ströbel, Durch zur
Wahrheit, vorliegen. Ein schlagenderer Beweis, wie versetzend diese Flug¬
schriften wirken, in welchem Geiste sie deutsche Vaterlandsfreunde Frankreich
erscheinen lassen, als diese Verbreitung mit französischem Geld zur Ablösung und
Abtrennung der Rheinlande vom deutschen Staate, ist kaum zu denken. Ver¬
gebens aber fragt man auch heute noch nach einer wirksamen Gegen¬
propaganda, die von Deutschland aus diesen Lockungen entgegenzuwirken
auch nur versuch t. Soviel nur bekannt, gibt es in ganz Deutschland noch
keinen Giftschrank, der all diese Gifttropfen wirtlich sammelt und vereinigt und
damit erst überhaupt die Möglichkeit gibt, Gegengift herzustellen.¬

Nur kurz konnten hier einige der Fragen angerührt werden, die die Rhein
länder heute bewegen, nur kurz sind damit aber schon, wie ich glaube, die Fäden
angedeutet, die mitten hineinführen in das große Ganze der Innen- und Außen¬
politik des Reiches, deren Verknüpfung nirgends so klar und anschaulich wirkt,
wie gerade hier. Die Sonderbestrebungen des Zentrums, die Paritätsforderung
der "Kölnischen Volkszeitung", die Autonvmiebewegung in Preußen, und endlich
die weltbürgerliche Stimmung, in der unser Volk Ersatz und Genüge sucht fü>-
den unfindbaren Nationalstaat, das alles trägt ja aufs stärkste mit dazu bei, die
Ablöftlngsbestrebungen und die Sondergedanken am linken Rheinufer zu stärken,
der kurz skizzierten Propaganda der Franzosen fruchtbaren Boden zu bereiten.
Sie im einzelnen hier zu erörtern und zu verfolgen, bedarf eingehender Studien,
für die hier kein Platz ist. Zur Kritik ist es heute bereits zu spät die Gegen¬
,
Linkscheiner arbeit muß endlich beginnen.


Reichsspiegel

der jetzt in Köln eine „Rheinische Volksstimme", Organ zur Verhinderung der
neuen Verfassung, herausgibt. Matthias Salm, durch langjährige Tätigkeit
im Auswärtigen Amt mit allen Spezialfnchern der ungeschickten deutschen Pro¬
paganda wohl vertraut, versendet eine „Korrespondenz", die heute unter dem
Namen „Rheinische Warte" Gedanken und Lockungen Dortens verbreitet. All
diese publizistischen Ergüsse sind so vortrefflich gedruckt und ausgestattet, daß sie
nur mit fremden Geldern zu bestehen vermögen.

Am meisten aber lassen sich die Franzosen die Bearbeitung der öffentlichen
Meinung durch Broschüre n kosten, die etwa alle vier Wochen jeder anständige
Mensch im besetzten Gebiet durch die Post mit dem Poststempel: Se. Johann-
Saarbrücken ins Haus erhält. Zwei dicke Bändchen: I^Sö ?ourpiU'IsrK
»iplomatiguss, 17. Ukrs 1913 — 4. KsxtsmKrs 1314, französisch und deutsch ge¬
druckt, bilden den Auftakt. Ein „Offner Brief an denjenigen Unbekannten, der
die Macht hat in Deutschland", vom sattsam bekannten Professor und Deserteur
Georg Fr. Nicolai: Warum ich aus Deutschland ging (Verlag der Ver¬
einigung deutscher Demokraten im Ausland) und Wilhelm Muehlon:
Die Verheerung Europas, Aufzeichnungen aus den ersten Kriegsmonaten, zeigen
den erstaunten Rheinländern, wie deutsche „Baterlandsfreunde" über ihr eigenes
Land denken und diese Gedanken der französischen Propaganda billig dienstbar
machen. Sehr gewandt und durchschlagend ist in katholischen Kreisen das Buch
von Em. Prüm: Der Witwenstand der Wahrheit, das vor allem der Mittel¬
stand um so lieber in seinen Bücherschrank stellt, als zugleich der Sortimentsbuch¬
handel im besetzten Gebiet das Werk für sage und schreibe Mark 15 vertreibt.
Plumper und aufdringlicher sind dann schon ein „Kurzer Abriß der Geschichte
Frankreichs von 1871 bis 1919", ein Büchlein von Major Leroux: Erzählungen
für Jugend und Heer. Frankreichs Kriege", und endlich die vielverbreitete
Broschüre von Gaston Nageot: Der französische Genius. Wie es scheint,
ist zurzeit mit dieser Auswahl jedoch der Borrat an propagandistischer Literatur
für Frankreich etwas erschöpft. In den letzten Wochen hat es daher deutsche
Verleger aufgekauft; in Hunderten, vielleicht in Tausenden von Exemplaren
werden ebenfalls durch die Post nunmehr die Flugschriften des Bundes „Neues
Vaterland" verbreitet, von denen mir augenblicklich Ur. 1: Der Mahnruf des
Hauptmanns Beerfelde, Michel wach auf!, Ur. 5: E. I. Gumpel, Vier
Jahre Lüge und endlich sogar Ur. 11: Heinrich Ströbel, Durch zur
Wahrheit, vorliegen. Ein schlagenderer Beweis, wie versetzend diese Flug¬
schriften wirken, in welchem Geiste sie deutsche Vaterlandsfreunde Frankreich
erscheinen lassen, als diese Verbreitung mit französischem Geld zur Ablösung und
Abtrennung der Rheinlande vom deutschen Staate, ist kaum zu denken. Ver¬
gebens aber fragt man auch heute noch nach einer wirksamen Gegen¬
propaganda, die von Deutschland aus diesen Lockungen entgegenzuwirken
auch nur versuch t. Soviel nur bekannt, gibt es in ganz Deutschland noch
keinen Giftschrank, der all diese Gifttropfen wirtlich sammelt und vereinigt und
damit erst überhaupt die Möglichkeit gibt, Gegengift herzustellen.¬

Nur kurz konnten hier einige der Fragen angerührt werden, die die Rhein
länder heute bewegen, nur kurz sind damit aber schon, wie ich glaube, die Fäden
angedeutet, die mitten hineinführen in das große Ganze der Innen- und Außen¬
politik des Reiches, deren Verknüpfung nirgends so klar und anschaulich wirkt,
wie gerade hier. Die Sonderbestrebungen des Zentrums, die Paritätsforderung
der „Kölnischen Volkszeitung", die Autonvmiebewegung in Preußen, und endlich
die weltbürgerliche Stimmung, in der unser Volk Ersatz und Genüge sucht fü>-
den unfindbaren Nationalstaat, das alles trägt ja aufs stärkste mit dazu bei, die
Ablöftlngsbestrebungen und die Sondergedanken am linken Rheinufer zu stärken,
der kurz skizzierten Propaganda der Franzosen fruchtbaren Boden zu bereiten.
Sie im einzelnen hier zu erörtern und zu verfolgen, bedarf eingehender Studien,
für die hier kein Platz ist. Zur Kritik ist es heute bereits zu spät die Gegen¬
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Linkscheiner arbeit muß endlich beginnen.


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[0314] Reichsspiegel der jetzt in Köln eine „Rheinische Volksstimme", Organ zur Verhinderung der neuen Verfassung, herausgibt. Matthias Salm, durch langjährige Tätigkeit im Auswärtigen Amt mit allen Spezialfnchern der ungeschickten deutschen Pro¬ paganda wohl vertraut, versendet eine „Korrespondenz", die heute unter dem Namen „Rheinische Warte" Gedanken und Lockungen Dortens verbreitet. All diese publizistischen Ergüsse sind so vortrefflich gedruckt und ausgestattet, daß sie nur mit fremden Geldern zu bestehen vermögen. Am meisten aber lassen sich die Franzosen die Bearbeitung der öffentlichen Meinung durch Broschüre n kosten, die etwa alle vier Wochen jeder anständige Mensch im besetzten Gebiet durch die Post mit dem Poststempel: Se. Johann- Saarbrücken ins Haus erhält. Zwei dicke Bändchen: I^Sö ?ourpiU'IsrK »iplomatiguss, 17. Ukrs 1913 — 4. KsxtsmKrs 1314, französisch und deutsch ge¬ druckt, bilden den Auftakt. Ein „Offner Brief an denjenigen Unbekannten, der die Macht hat in Deutschland", vom sattsam bekannten Professor und Deserteur Georg Fr. Nicolai: Warum ich aus Deutschland ging (Verlag der Ver¬ einigung deutscher Demokraten im Ausland) und Wilhelm Muehlon: Die Verheerung Europas, Aufzeichnungen aus den ersten Kriegsmonaten, zeigen den erstaunten Rheinländern, wie deutsche „Baterlandsfreunde" über ihr eigenes Land denken und diese Gedanken der französischen Propaganda billig dienstbar machen. Sehr gewandt und durchschlagend ist in katholischen Kreisen das Buch von Em. Prüm: Der Witwenstand der Wahrheit, das vor allem der Mittel¬ stand um so lieber in seinen Bücherschrank stellt, als zugleich der Sortimentsbuch¬ handel im besetzten Gebiet das Werk für sage und schreibe Mark 15 vertreibt. Plumper und aufdringlicher sind dann schon ein „Kurzer Abriß der Geschichte Frankreichs von 1871 bis 1919", ein Büchlein von Major Leroux: Erzählungen für Jugend und Heer. Frankreichs Kriege", und endlich die vielverbreitete Broschüre von Gaston Nageot: Der französische Genius. Wie es scheint, ist zurzeit mit dieser Auswahl jedoch der Borrat an propagandistischer Literatur für Frankreich etwas erschöpft. In den letzten Wochen hat es daher deutsche Verleger aufgekauft; in Hunderten, vielleicht in Tausenden von Exemplaren werden ebenfalls durch die Post nunmehr die Flugschriften des Bundes „Neues Vaterland" verbreitet, von denen mir augenblicklich Ur. 1: Der Mahnruf des Hauptmanns Beerfelde, Michel wach auf!, Ur. 5: E. I. Gumpel, Vier Jahre Lüge und endlich sogar Ur. 11: Heinrich Ströbel, Durch zur Wahrheit, vorliegen. Ein schlagenderer Beweis, wie versetzend diese Flug¬ schriften wirken, in welchem Geiste sie deutsche Vaterlandsfreunde Frankreich erscheinen lassen, als diese Verbreitung mit französischem Geld zur Ablösung und Abtrennung der Rheinlande vom deutschen Staate, ist kaum zu denken. Ver¬ gebens aber fragt man auch heute noch nach einer wirksamen Gegen¬ propaganda, die von Deutschland aus diesen Lockungen entgegenzuwirken auch nur versuch t. Soviel nur bekannt, gibt es in ganz Deutschland noch keinen Giftschrank, der all diese Gifttropfen wirtlich sammelt und vereinigt und damit erst überhaupt die Möglichkeit gibt, Gegengift herzustellen.¬ Nur kurz konnten hier einige der Fragen angerührt werden, die die Rhein länder heute bewegen, nur kurz sind damit aber schon, wie ich glaube, die Fäden angedeutet, die mitten hineinführen in das große Ganze der Innen- und Außen¬ politik des Reiches, deren Verknüpfung nirgends so klar und anschaulich wirkt, wie gerade hier. Die Sonderbestrebungen des Zentrums, die Paritätsforderung der „Kölnischen Volkszeitung", die Autonvmiebewegung in Preußen, und endlich die weltbürgerliche Stimmung, in der unser Volk Ersatz und Genüge sucht fü>- den unfindbaren Nationalstaat, das alles trägt ja aufs stärkste mit dazu bei, die Ablöftlngsbestrebungen und die Sondergedanken am linken Rheinufer zu stärken, der kurz skizzierten Propaganda der Franzosen fruchtbaren Boden zu bereiten. Sie im einzelnen hier zu erörtern und zu verfolgen, bedarf eingehender Studien, für die hier kein Platz ist. Zur Kritik ist es heute bereits zu spät die Gegen¬ , Linkscheiner arbeit muß endlich beginnen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/314>, abgerufen am 28.07.2024.