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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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links- und rechtsrheinischen, das ich nur als eine Mark Frankreichs. Belgiens und
der Niederlande unter dem Schutz der Gendarmerie des Völkerbundes vorstelle.
Ich kann mir auch eine unabhängige bayerische Republik zwischen Preußen und
Deutsch-Österreich vorstellen, zwischen Berlin und Wien, um ihre Vereinigung zu
verhindern." Am 11. März äußerte der Abgeordnete Dutreil in der Kammer:
"Die Zollschranken zwischen den einzelnen deutschen Staaten müssen wieder auf¬
gerichtet werden, dann werden die politischen Schranken folgen. Ans dem Zoll¬
verein ist Deutschlands unerhörter Wohlstand erwachsen. Ein großes Deutschland
an Frankreichs Toren ist ein Wahnsinn, wir müssen es erst wirtschaftlich, dann
politisch zerstückeln." Am 17. März beklagte das in Deutschland viel zu wenig
beachtete, (antisemitische) sehr gut informierte klerikale Blatt "Libre Parole", daß
man die Anfang 1917 bares Kaiser Karl gebotene Gelegenheit, die Südstaaten zu
stärken und durch ihre Angllsdemng an Habsburg ein neues europäisches Gleich¬
gewicht zu schaffen, verpaßt habe. Die Bildung eines Rheinuferstaates genüge
nicht zu dauernder Sicherheit Frankreichs. Als die deutsche Friedensdelegation
nach Versailles kam, vermißte "Journal" einen besonderen Unterhändler Bayerns,
Mit dem Frankreich doch vor dem Kriege besondere diplomatische Beziehungen
unierhalten habe. Im Mai wies Gustave Heros in der "Vietoirs" darauf hin, daß die
Deutschen sich irrten, wenn sie glaubten, der ihnen angebotene Frieden sei ein
Clemencecm- und nicht ein Wilsonfriede. Ein Clemeneeaufriede würde ganz
anders aussehen. Zunächst hätte er das Bismarcksche Werk vollkommen zerstört
und Deutschland von der preußischen Vorherrschaft befreit. Alle von Preußen
1866 aufgesogenen norddeutschen Staaten, angefangen mit Hannover, wären
wieder aufgerichtet worden. Die süddeutschen Staaten hätten ihre Freiheit inner¬
halb des deutschen Bundes wieder erhalten, Ostpreußen wäre völlig an Polen
gekommen und das linke Rheinufer würde unter dem Protektorat Frankreichs
neutralisiert werden. Als die rheinischen Sonderbestrebungen deutlicher hervor¬
traten, gingen "Figaro" und "Journal" sehr ausführlich auf hcmnoverschs Selb¬
ständigkeitsbestrebungen ein.

Daß diese Politik der Trennung der deutschen Vundesstaaten auch nach
Friedensschluß nicht aufgegeben worden ist. beweisen nicht nur die Klagen rechts¬
stehender Blätter, namentlich der einflußreichen "Action frau?aise" über den un¬
vollkommenen Friedensvertrag, sondern auch die Aufnahme, die die Ernennung
Mayer-Kaufbeurens zum Geschäftsträger in Paris gefunden hat. "Excelsior" und
"Petit Parisien" schrieben, die Frage einer diplomatischen Vertretung Frankreichs
in Bayern und der diplomatischen Vertretung Bayerns in Frankreich bliebe noch
offen. "Journal des Debats" äußerte: "Die Frage der diplomatischen Beziehungen
Frankreichs mit den deutschen Einzelstaaten ist noch nicht geregelt." Am deutlichsten
war "Journal": "Indem sie einen Bayern wählte, wollte sich die Berliner
Negierung nicht nur einen besseren Empfang sichern als ein Preuße gefunden
hätte, sondern hat sich auch mit der Hoffnung getragen, die Frage einer diplo¬
matischen Vertretung Bayern zu eskamotierm. Werden wir dieses Spiel ruhuz
mit ansehen?"-)

Daß bei alledem die Pläne aus Annexion des linken Rheinufers man
aufgegeben werden, ist selbstverständlich. "Libre Parole" vom 22. Januar 19^-
die die deutsche und französische Propagandatätigkeit im Saargebiet beleuchtet,
gibt offen zu, daß man sich besonders durch Schaffung engster Handelsbeziehungen
zu Lothringen bemüht, das Saargebiet zu Frankreich zu ziehen. "Der Ausgang
des Propagandakampfes zwischen den beiden Ländern", schreibt das Blatt, "w^ro
nicht zweifelhaft sein, wenn wir in diesem Lande, wo noch so viele Erinnerungen
an die französische Herrschaft und den Genius Frankreichs bestehen, die Bevölkerung
dahin zu bringen verstehen, sich von dem germanischen Einfluß loszulösen uno
sie mit mächtigen wirtschaftlichen Banden an uns zu fesseln. Das Werk M
begonnen." Die genaueste Beachtung jedoch verdient ein Bericht des^
Pansien" vom 19. Januar über die Stimmung der Bevölkerung im Rheinlanoe.



t) Vgl. "Ententediplomatie und Bundesstaaten" in Ur. 52 v. I. und "Bayern und
Äer Vatikan" in Ur. 2 der Grenzboten.
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links- und rechtsrheinischen, das ich nur als eine Mark Frankreichs. Belgiens und
der Niederlande unter dem Schutz der Gendarmerie des Völkerbundes vorstelle.
Ich kann mir auch eine unabhängige bayerische Republik zwischen Preußen und
Deutsch-Österreich vorstellen, zwischen Berlin und Wien, um ihre Vereinigung zu
verhindern." Am 11. März äußerte der Abgeordnete Dutreil in der Kammer:
„Die Zollschranken zwischen den einzelnen deutschen Staaten müssen wieder auf¬
gerichtet werden, dann werden die politischen Schranken folgen. Ans dem Zoll¬
verein ist Deutschlands unerhörter Wohlstand erwachsen. Ein großes Deutschland
an Frankreichs Toren ist ein Wahnsinn, wir müssen es erst wirtschaftlich, dann
politisch zerstückeln." Am 17. März beklagte das in Deutschland viel zu wenig
beachtete, (antisemitische) sehr gut informierte klerikale Blatt „Libre Parole", daß
man die Anfang 1917 bares Kaiser Karl gebotene Gelegenheit, die Südstaaten zu
stärken und durch ihre Angllsdemng an Habsburg ein neues europäisches Gleich¬
gewicht zu schaffen, verpaßt habe. Die Bildung eines Rheinuferstaates genüge
nicht zu dauernder Sicherheit Frankreichs. Als die deutsche Friedensdelegation
nach Versailles kam, vermißte „Journal" einen besonderen Unterhändler Bayerns,
Mit dem Frankreich doch vor dem Kriege besondere diplomatische Beziehungen
unierhalten habe. Im Mai wies Gustave Heros in der „Vietoirs" darauf hin, daß die
Deutschen sich irrten, wenn sie glaubten, der ihnen angebotene Frieden sei ein
Clemencecm- und nicht ein Wilsonfriede. Ein Clemeneeaufriede würde ganz
anders aussehen. Zunächst hätte er das Bismarcksche Werk vollkommen zerstört
und Deutschland von der preußischen Vorherrschaft befreit. Alle von Preußen
1866 aufgesogenen norddeutschen Staaten, angefangen mit Hannover, wären
wieder aufgerichtet worden. Die süddeutschen Staaten hätten ihre Freiheit inner¬
halb des deutschen Bundes wieder erhalten, Ostpreußen wäre völlig an Polen
gekommen und das linke Rheinufer würde unter dem Protektorat Frankreichs
neutralisiert werden. Als die rheinischen Sonderbestrebungen deutlicher hervor¬
traten, gingen „Figaro" und „Journal" sehr ausführlich auf hcmnoverschs Selb¬
ständigkeitsbestrebungen ein.

Daß diese Politik der Trennung der deutschen Vundesstaaten auch nach
Friedensschluß nicht aufgegeben worden ist. beweisen nicht nur die Klagen rechts¬
stehender Blätter, namentlich der einflußreichen „Action frau?aise" über den un¬
vollkommenen Friedensvertrag, sondern auch die Aufnahme, die die Ernennung
Mayer-Kaufbeurens zum Geschäftsträger in Paris gefunden hat. „Excelsior" und
„Petit Parisien" schrieben, die Frage einer diplomatischen Vertretung Frankreichs
in Bayern und der diplomatischen Vertretung Bayerns in Frankreich bliebe noch
offen. „Journal des Debats" äußerte: „Die Frage der diplomatischen Beziehungen
Frankreichs mit den deutschen Einzelstaaten ist noch nicht geregelt." Am deutlichsten
war „Journal": „Indem sie einen Bayern wählte, wollte sich die Berliner
Negierung nicht nur einen besseren Empfang sichern als ein Preuße gefunden
hätte, sondern hat sich auch mit der Hoffnung getragen, die Frage einer diplo¬
matischen Vertretung Bayern zu eskamotierm. Werden wir dieses Spiel ruhuz
mit ansehen?"-)

Daß bei alledem die Pläne aus Annexion des linken Rheinufers man
aufgegeben werden, ist selbstverständlich. „Libre Parole" vom 22. Januar 19^-
die die deutsche und französische Propagandatätigkeit im Saargebiet beleuchtet,
gibt offen zu, daß man sich besonders durch Schaffung engster Handelsbeziehungen
zu Lothringen bemüht, das Saargebiet zu Frankreich zu ziehen. „Der Ausgang
des Propagandakampfes zwischen den beiden Ländern", schreibt das Blatt, »w^ro
nicht zweifelhaft sein, wenn wir in diesem Lande, wo noch so viele Erinnerungen
an die französische Herrschaft und den Genius Frankreichs bestehen, die Bevölkerung
dahin zu bringen verstehen, sich von dem germanischen Einfluß loszulösen uno
sie mit mächtigen wirtschaftlichen Banden an uns zu fesseln. Das Werk M
begonnen." Die genaueste Beachtung jedoch verdient ein Bericht des^
Pansien" vom 19. Januar über die Stimmung der Bevölkerung im Rheinlanoe.



t) Vgl. „Ententediplomatie und Bundesstaaten" in Ur. 52 v. I. und „Bayern und
Äer Vatikan" in Ur. 2 der Grenzboten.
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[0312] ZVeltspiegol links- und rechtsrheinischen, das ich nur als eine Mark Frankreichs. Belgiens und der Niederlande unter dem Schutz der Gendarmerie des Völkerbundes vorstelle. Ich kann mir auch eine unabhängige bayerische Republik zwischen Preußen und Deutsch-Österreich vorstellen, zwischen Berlin und Wien, um ihre Vereinigung zu verhindern." Am 11. März äußerte der Abgeordnete Dutreil in der Kammer: „Die Zollschranken zwischen den einzelnen deutschen Staaten müssen wieder auf¬ gerichtet werden, dann werden die politischen Schranken folgen. Ans dem Zoll¬ verein ist Deutschlands unerhörter Wohlstand erwachsen. Ein großes Deutschland an Frankreichs Toren ist ein Wahnsinn, wir müssen es erst wirtschaftlich, dann politisch zerstückeln." Am 17. März beklagte das in Deutschland viel zu wenig beachtete, (antisemitische) sehr gut informierte klerikale Blatt „Libre Parole", daß man die Anfang 1917 bares Kaiser Karl gebotene Gelegenheit, die Südstaaten zu stärken und durch ihre Angllsdemng an Habsburg ein neues europäisches Gleich¬ gewicht zu schaffen, verpaßt habe. Die Bildung eines Rheinuferstaates genüge nicht zu dauernder Sicherheit Frankreichs. Als die deutsche Friedensdelegation nach Versailles kam, vermißte „Journal" einen besonderen Unterhändler Bayerns, Mit dem Frankreich doch vor dem Kriege besondere diplomatische Beziehungen unierhalten habe. Im Mai wies Gustave Heros in der „Vietoirs" darauf hin, daß die Deutschen sich irrten, wenn sie glaubten, der ihnen angebotene Frieden sei ein Clemencecm- und nicht ein Wilsonfriede. Ein Clemeneeaufriede würde ganz anders aussehen. Zunächst hätte er das Bismarcksche Werk vollkommen zerstört und Deutschland von der preußischen Vorherrschaft befreit. Alle von Preußen 1866 aufgesogenen norddeutschen Staaten, angefangen mit Hannover, wären wieder aufgerichtet worden. Die süddeutschen Staaten hätten ihre Freiheit inner¬ halb des deutschen Bundes wieder erhalten, Ostpreußen wäre völlig an Polen gekommen und das linke Rheinufer würde unter dem Protektorat Frankreichs neutralisiert werden. Als die rheinischen Sonderbestrebungen deutlicher hervor¬ traten, gingen „Figaro" und „Journal" sehr ausführlich auf hcmnoverschs Selb¬ ständigkeitsbestrebungen ein. Daß diese Politik der Trennung der deutschen Vundesstaaten auch nach Friedensschluß nicht aufgegeben worden ist. beweisen nicht nur die Klagen rechts¬ stehender Blätter, namentlich der einflußreichen „Action frau?aise" über den un¬ vollkommenen Friedensvertrag, sondern auch die Aufnahme, die die Ernennung Mayer-Kaufbeurens zum Geschäftsträger in Paris gefunden hat. „Excelsior" und „Petit Parisien" schrieben, die Frage einer diplomatischen Vertretung Frankreichs in Bayern und der diplomatischen Vertretung Bayerns in Frankreich bliebe noch offen. „Journal des Debats" äußerte: „Die Frage der diplomatischen Beziehungen Frankreichs mit den deutschen Einzelstaaten ist noch nicht geregelt." Am deutlichsten war „Journal": „Indem sie einen Bayern wählte, wollte sich die Berliner Negierung nicht nur einen besseren Empfang sichern als ein Preuße gefunden hätte, sondern hat sich auch mit der Hoffnung getragen, die Frage einer diplo¬ matischen Vertretung Bayern zu eskamotierm. Werden wir dieses Spiel ruhuz mit ansehen?"-) Daß bei alledem die Pläne aus Annexion des linken Rheinufers man aufgegeben werden, ist selbstverständlich. „Libre Parole" vom 22. Januar 19^- die die deutsche und französische Propagandatätigkeit im Saargebiet beleuchtet, gibt offen zu, daß man sich besonders durch Schaffung engster Handelsbeziehungen zu Lothringen bemüht, das Saargebiet zu Frankreich zu ziehen. „Der Ausgang des Propagandakampfes zwischen den beiden Ländern", schreibt das Blatt, »w^ro nicht zweifelhaft sein, wenn wir in diesem Lande, wo noch so viele Erinnerungen an die französische Herrschaft und den Genius Frankreichs bestehen, die Bevölkerung dahin zu bringen verstehen, sich von dem germanischen Einfluß loszulösen uno sie mit mächtigen wirtschaftlichen Banden an uns zu fesseln. Das Werk M begonnen." Die genaueste Beachtung jedoch verdient ein Bericht des^ Pansien" vom 19. Januar über die Stimmung der Bevölkerung im Rheinlanoe. t) Vgl. „Ententediplomatie und Bundesstaaten" in Ur. 52 v. I. und „Bayern und Äer Vatikan" in Ur. 2 der Grenzboten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/312>, abgerufen am 28.07.2024.