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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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die gefährliche Nachbarschaft der Sachsen kennen gelehrt. Dazu kam, daß die
Kurmark ihren Angriffen gegenüber offen dalag. Aber noch wichtiger und ent¬
scheidend war der Umstand, daß Sachsen für den König die Operationsbasis im
K riege gegen Osterreich darstellte, daß er Sachsen besetzen mußte, um die böhmi¬
schen Pässe in seiner Hand zu haben, um aus dem Kurfürstentum Rekruten,
Lebensmittel und Geld für die Durchführung des Kampfes gegen feinen "Haupt¬
feind", den Wiener Hof, zu ziehen. Da endlich dieses Land das preußische
Gebiet auf das vorteilhafteste abrundete, stand in den Augen Friedrichs die Not¬
wendigkeit dieser Erwerbung unweigerlich fest.

Nicht zufrieden mit der Aufzählung der Lande, gibt er auch Mittel und
Wege an, wie Sachsen, Polnisch-Preußen und schwedisch-Pommern erworben
werden könnten. Im Kriege mit Osterreich und Sachsen sollten Böhmen und
Mähren erobert werden, beim Friedensschluß Böhmen an den sächsischen Kur¬
fürsten fallen, der dafür sein Land an Preußen abtrat. Polnisch-Preußen sollte,
sobald über eine neue Königswahl in Polen Wirren ausbrachen, nach Ver¬
ständigung mit Nußland, dem Hauptgeguer dieser Erwerbung, an Preußen ge¬
langen. schwedisch-Pommern endlich sollte der Preis der Unterstützung
Schwedens in einem Kriege gegen Rußland werden.

In dem zweiten Testamente von 1768 sind die geplanten Neuerwerbungen
abermals erweitert. Hier gedenkt Friedrich alter Erbansprüche an anhaltinische
Fürstentümer und die hessischen Lande; doch fügt er sogleich hinzu, daß ihm der
Eintritt des Erbfalls bei den ersteren zweifelhaft scheine. Bei der zweiten
Gruppe der Erwerbungen nennt er noch Hamburg, dessen Einverleibung dem
preußischen Handel zugute kommen würde. Im übrigen bleibt auch der Weg,
wie Preußen in den Besitz dieser Lande gelangen soll, für den König derselbe wie
in dem früheren Testamente. Nur inbezug auf schwedisch-Pommern hat sich
seine Ansicht geändert. Da Nußland, wie erwähnt, seit 1764 sein Bundes¬
genosse war, konnte er uicht mehr an Beteiligung bei einen, Kampfe Schwedens
l!Mu die Moskowiter denken. Er zieht nunmehr die Möglichkeit eines Kaufes
oder der Eroberung im Kriege gegen Schweden selber in Betracht. Und da er
ferner fürchtet, daß es bei dein Eintritt des Heimfalls der fränkischen Lande zu
Mutiger Auseinandersetzung mit Österreich kommen könne, denkt er an deren
Austausch gegen Mecklenburg oder gegen die Lausitz.

Ein sestumrissenes Programm war aufgestellt. Da es sich -- wenigstens
in dein Testament von 1752 -- in dein Kapitel der "politischen Träumereien"
findet, ließe sich einwenden, daß es sich vielleicht nur um lustige Spiegelbilder
handelt. Dem widerspricht zunächst die Wiederholung der Forderungen in einer
Abhandlung aus dem Jahre 1776, in der Friedrich den wesentlichen Inhalt der
Testamente nochmals kurz zusammenfaßt. Dem widersprechen aber auch die
bündigen Tatsachen. Schon im Juni 1756, als der russische Vormarsch drohte
und der König daraufhin die Mobilmachung Ostpreußens anordnete, hat er in
"Geheimer Instruction" dem dortigen Heerführer die Weisung erteilt: wären
die Russen völlig geschlagen und ein günstiger Frieden zu erlangen, solle er als
Schadenersatz "auf die Possession von dein ganzen Antheil von Polnisch-Preußen
""tragen und insistiren". Als sich dann im Spätherbst 1759 die allgemeine
militärische Lage für Preußen und England so günstig gestaltete, daß er mit


die gefährliche Nachbarschaft der Sachsen kennen gelehrt. Dazu kam, daß die
Kurmark ihren Angriffen gegenüber offen dalag. Aber noch wichtiger und ent¬
scheidend war der Umstand, daß Sachsen für den König die Operationsbasis im
K riege gegen Osterreich darstellte, daß er Sachsen besetzen mußte, um die böhmi¬
schen Pässe in seiner Hand zu haben, um aus dem Kurfürstentum Rekruten,
Lebensmittel und Geld für die Durchführung des Kampfes gegen feinen „Haupt¬
feind", den Wiener Hof, zu ziehen. Da endlich dieses Land das preußische
Gebiet auf das vorteilhafteste abrundete, stand in den Augen Friedrichs die Not¬
wendigkeit dieser Erwerbung unweigerlich fest.

Nicht zufrieden mit der Aufzählung der Lande, gibt er auch Mittel und
Wege an, wie Sachsen, Polnisch-Preußen und schwedisch-Pommern erworben
werden könnten. Im Kriege mit Osterreich und Sachsen sollten Böhmen und
Mähren erobert werden, beim Friedensschluß Böhmen an den sächsischen Kur¬
fürsten fallen, der dafür sein Land an Preußen abtrat. Polnisch-Preußen sollte,
sobald über eine neue Königswahl in Polen Wirren ausbrachen, nach Ver¬
ständigung mit Nußland, dem Hauptgeguer dieser Erwerbung, an Preußen ge¬
langen. schwedisch-Pommern endlich sollte der Preis der Unterstützung
Schwedens in einem Kriege gegen Rußland werden.

In dem zweiten Testamente von 1768 sind die geplanten Neuerwerbungen
abermals erweitert. Hier gedenkt Friedrich alter Erbansprüche an anhaltinische
Fürstentümer und die hessischen Lande; doch fügt er sogleich hinzu, daß ihm der
Eintritt des Erbfalls bei den ersteren zweifelhaft scheine. Bei der zweiten
Gruppe der Erwerbungen nennt er noch Hamburg, dessen Einverleibung dem
preußischen Handel zugute kommen würde. Im übrigen bleibt auch der Weg,
wie Preußen in den Besitz dieser Lande gelangen soll, für den König derselbe wie
in dem früheren Testamente. Nur inbezug auf schwedisch-Pommern hat sich
seine Ansicht geändert. Da Nußland, wie erwähnt, seit 1764 sein Bundes¬
genosse war, konnte er uicht mehr an Beteiligung bei einen, Kampfe Schwedens
l!Mu die Moskowiter denken. Er zieht nunmehr die Möglichkeit eines Kaufes
oder der Eroberung im Kriege gegen Schweden selber in Betracht. Und da er
ferner fürchtet, daß es bei dein Eintritt des Heimfalls der fränkischen Lande zu
Mutiger Auseinandersetzung mit Österreich kommen könne, denkt er an deren
Austausch gegen Mecklenburg oder gegen die Lausitz.

Ein sestumrissenes Programm war aufgestellt. Da es sich — wenigstens
in dein Testament von 1752 — in dein Kapitel der „politischen Träumereien"
findet, ließe sich einwenden, daß es sich vielleicht nur um lustige Spiegelbilder
handelt. Dem widerspricht zunächst die Wiederholung der Forderungen in einer
Abhandlung aus dem Jahre 1776, in der Friedrich den wesentlichen Inhalt der
Testamente nochmals kurz zusammenfaßt. Dem widersprechen aber auch die
bündigen Tatsachen. Schon im Juni 1756, als der russische Vormarsch drohte
und der König daraufhin die Mobilmachung Ostpreußens anordnete, hat er in
„Geheimer Instruction" dem dortigen Heerführer die Weisung erteilt: wären
die Russen völlig geschlagen und ein günstiger Frieden zu erlangen, solle er als
Schadenersatz „auf die Possession von dein ganzen Antheil von Polnisch-Preußen
""tragen und insistiren". Als sich dann im Spätherbst 1759 die allgemeine
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/301>, abgerufen am 22.12.2024.