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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Georg Llcinow und die Grenzboten

Zertrümmerung Deutschlands, die es wollte, aufzugeben. Mit demi Betteln um
einen Verständigungsfrieben werde nichts erreicht. Warum sollte England uns
Platz machen, solange wir nicht die Kraft nachwiesen, uns selbst das zu
erwerben, dessen wir bedurften? Die pazifistische Propaganda gefährde nur
unseren inneren Frieden, ohne dem Weltfrieden zu nützen. Wehe, wenn wir
unterliegen, stark sein, bereit sein ist alles! Wortes kortuna aäiuvatl (Grenz¬
boten 1918, I, Heft 1)

Im Niederbruch der unheilvollen Herbsttage des Jahres 1918 blieb
Cleinow ein Letztes: die Fahne des Deutschtums hochzuhalten I Es trieb ihn
dorthin, wo er seinen leidenschaftlichen nationalen Willen in die Tat umsetzen
konnte -- in die bedrohten Ostmarken. Der Zusammenschluß des Deutschtums,
das war die Parole! Die schwankende und ziellose Haltung der Negierung,
parteipolitische Machtgelüste, der materialistische Zug, der durch die Massen
ging, haben diese Aufgabe schwierig genug gestaltet und schließlich, trotz aller
Bemühungen national gesinnter Kreise, den Verlust der Ostmarken herbeigeführt.
Konnte deutsches Land nicht deutsch bleiben, so sollten die Deutschen ihr Deutschtum
bewahren dürfen. Der Schutz der deutschen Minderheit im neuen Polen liegt nun¬
mehr bei den Volksräten. Wie Cleinow die Sammlung der Deutschen in den
Volksräten gefördert hat, wie er den deutschen Gedanken vertrat und doch den von
ihm stets erstrebten Ausgleich mit den Polen auf einer neuen Grundlage zu
verwirklichen suchte, hat Haertlein in Heft 35 der Grenzboten 1919 geschildert.^)

Gewann das Deutschtum der Ostmarken einen Führer, so verloren die
Grenzboten ihre Seele: in der Erkenntnis neuer Pflichten legt Cleinow die
Leitung seiner Zeitschrift bei Beginn dieses Jahres nieder. Für die Leser der
Grenzboten, die seine weit abgesteckten Ziele billigten, seine auf gewissenhafte
Forschung gegründeten Darlegungen schätzten, seiner frischen und kraftvollen,
immer sachlichen und auf das Schöpferische gewendeten Kritik unserer Zeit
zustimmten, ist sein Ausscheiden gewiß ein schwerer Verlust; für seine Mit¬
arbeiter, die auch sein prächtiges, großzügiges Menschentum auf sich wirken
lassen durften, ein ehrlicher Schmerz.

Den Grenzboten ist der Stempel seines Geistes für das Jahrzehnt
seiner Wirksamkeit unauslöschlich eingeprägt. Wir fassen ihn am besten in den
Worten Goethes:





°) Bergleiche hierzu die Bromberger Wochenschrift: "Deutsche Nachrichten" und
Heygrodts kleine Schrift "Die deutschen Volksräte in Posen und Westpreußen", Danzig 1919,
sowie schließlich die den Grenzboten im Jahre 1919 beigefügten "Mitteilungen der Deutschen
Volksräte Posens und Westpreußens".
Georg Llcinow und die Grenzboten

Zertrümmerung Deutschlands, die es wollte, aufzugeben. Mit demi Betteln um
einen Verständigungsfrieben werde nichts erreicht. Warum sollte England uns
Platz machen, solange wir nicht die Kraft nachwiesen, uns selbst das zu
erwerben, dessen wir bedurften? Die pazifistische Propaganda gefährde nur
unseren inneren Frieden, ohne dem Weltfrieden zu nützen. Wehe, wenn wir
unterliegen, stark sein, bereit sein ist alles! Wortes kortuna aäiuvatl (Grenz¬
boten 1918, I, Heft 1)

Im Niederbruch der unheilvollen Herbsttage des Jahres 1918 blieb
Cleinow ein Letztes: die Fahne des Deutschtums hochzuhalten I Es trieb ihn
dorthin, wo er seinen leidenschaftlichen nationalen Willen in die Tat umsetzen
konnte — in die bedrohten Ostmarken. Der Zusammenschluß des Deutschtums,
das war die Parole! Die schwankende und ziellose Haltung der Negierung,
parteipolitische Machtgelüste, der materialistische Zug, der durch die Massen
ging, haben diese Aufgabe schwierig genug gestaltet und schließlich, trotz aller
Bemühungen national gesinnter Kreise, den Verlust der Ostmarken herbeigeführt.
Konnte deutsches Land nicht deutsch bleiben, so sollten die Deutschen ihr Deutschtum
bewahren dürfen. Der Schutz der deutschen Minderheit im neuen Polen liegt nun¬
mehr bei den Volksräten. Wie Cleinow die Sammlung der Deutschen in den
Volksräten gefördert hat, wie er den deutschen Gedanken vertrat und doch den von
ihm stets erstrebten Ausgleich mit den Polen auf einer neuen Grundlage zu
verwirklichen suchte, hat Haertlein in Heft 35 der Grenzboten 1919 geschildert.^)

Gewann das Deutschtum der Ostmarken einen Führer, so verloren die
Grenzboten ihre Seele: in der Erkenntnis neuer Pflichten legt Cleinow die
Leitung seiner Zeitschrift bei Beginn dieses Jahres nieder. Für die Leser der
Grenzboten, die seine weit abgesteckten Ziele billigten, seine auf gewissenhafte
Forschung gegründeten Darlegungen schätzten, seiner frischen und kraftvollen,
immer sachlichen und auf das Schöpferische gewendeten Kritik unserer Zeit
zustimmten, ist sein Ausscheiden gewiß ein schwerer Verlust; für seine Mit¬
arbeiter, die auch sein prächtiges, großzügiges Menschentum auf sich wirken
lassen durften, ein ehrlicher Schmerz.

Den Grenzboten ist der Stempel seines Geistes für das Jahrzehnt
seiner Wirksamkeit unauslöschlich eingeprägt. Wir fassen ihn am besten in den
Worten Goethes:





°) Bergleiche hierzu die Bromberger Wochenschrift: „Deutsche Nachrichten" und
Heygrodts kleine Schrift „Die deutschen Volksräte in Posen und Westpreußen", Danzig 1919,
sowie schließlich die den Grenzboten im Jahre 1919 beigefügten „Mitteilungen der Deutschen
Volksräte Posens und Westpreußens".
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/30>, abgerufen am 27.07.2024.