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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

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Heimat herrschte eine ständige Militär¬
diktatur. Dazu kam die drückende Sorge,
daß unser liebes schönes Ländel Kriegs¬
schauplatz werden könnte. Um so mehr war
es ausgeschlossen, daß ein vernünftig denken¬
der Mensch bei uns um der Wiedervereini¬
gung mit Frankreich Wille" die Verlängerung
des Krieges auch nur um eine Stunde ge¬
wünscht hätte. Die Erklärung Deschanels
ist aber außerordentlich geschickt und für die
kluge Art, mit der die Franzosen Politik
treiben, äußerst bezeichnend. Während die
Deutschen stets mit einer gewissen Skepsis
an die Elsaß-Lothringer herantraten und
immer wieder fragten, ob die Elsaß-Lothrin¬
ger sich tatsächlich als treudentsche Volks¬
genossen bewährten, legt der Franzose das,
was er will, ohne Rücksicht auf die tatsäch¬
lichen Verhältnisse in den Elsässer hinein.
Er erklärt seinem ganzen Volke, der ganzen
neutralen Welt und nicht zuletzt dem Elsässer
selbst, daß dieser ein begeisterter Franzose
sei und schafft auf diese Weise ein allge¬
meines Urteil, welches den Franzosen
günstig ist.

Wenn man den Artikel Deschaiiels aller¬
dings näher betrachtet, dann wird die
Phrasenhaftigkeit dieser Erklärung außer¬
ordentlich deutlich. Heißt es doch weiter:
"Mit unserer Flagge hält auch das franzö¬
sische Leben überall seinen Einzug. Diese
Rückkehr wird zweifelsohne in einigen bahn¬
brechenden Entscheidungen gefeiert werden.
Vielleicht müssen unsere Studenten, um die
Lizenz zu erhalten, einige Monate in Elsaß-
Lothringen zugebracht haben, vielleicht auch
werden einzelne unserer nationalen Hoch¬
schulen nach den zwei Provinzen verlegt
werden, wo jede Spur der deutschen Be¬
setzung verschwinden muß, beispielsweise
Saint Chr, das Polytechnikuni. So würden
auch einige Kultur- und Gescllschnftszentren
ihre Strahlen in alle Regionen senden
können. Dank solcher Entschlüsse hätte die
französische Elite das Elsaß kennen gelernt
zu unserem und zum elsaß-lothringischen
Wohls. In der Tat würde eine unserer
großen wissenschaftlichen Hochschulen, die in
ihrem goldenen Buche viele elsaß-lothringische
Namen zählt, am Rhein einen guten Wacht-,
w?um nicht Kampfposten bilden."

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Das sind doch ganz einschneidende Ma߬
nahmen, die Herr Deschanel hier ankündigt,
Maßnahmen, die uns Elsaß-Lothringern
schwere Sorgen machen müssen. Die an¬
gekündigte systematische Verpflanzung fran¬
zösischer Kultur- und Gesellschaftszentren ins
Elsaß wird uns eine sehr schwere Belastung
mit fremden Elementen bringen. Habe"
wir doch bisher schon die Erfahrung macheu
müssen, daß überall da, wo sich vor den,
Kriege deutsche Elemente breit machten, nun
nicht etwa für uns und unsere Landsleute
der Boden freigeworden ist, sondern daß
überall neue Männer, die eben aus
dem Innern Frankreichs einwandern und
für unsere Eigenart wenig Verständ¬
nis haben, ja sogar nicht einmal unsere
Sprache verstehen, in die freigewordenen
Stellen eintreten. So droht uns leider
die ernste Gefahr, daß unser ganzes
elsässisches Volkstum, unsere liebe Mutter¬
sprache, in der wir denken, beten, fühlen,
auch wenn wir nicht mehr darin sprechen
dürfen, und unsere durch Generationen hin¬
durch treu gewahrte elsässtsche Eigenart von
Fremden überwuchert und erstickt wird.
Unter solchen Verhältnissen können wir des
Lebens in unserem eigenen Lande nie froh
werden.

Weiter heißt eS in den, Artikel: "Die
Elsaß-Lothringer kennen aber die Vorzüge
der deutschen Verfahren und Methoden. Sie
wissen, warum seit Jahrhunderten Deutsch¬
land unsere großen Entdeckungen ausgebeutet
hat, viel Planmäßiger, als wir es selber
taten. Im Elsaß wird Frankreich die beiden
Hanptstärlen des Wirtschaftskrieges kennen
lernen können: das Laboratorium und die
Fabrik.

Die Rückgabe Elsaß-Lothringens Wird
nicht allein die Wiederaufrichtung des Rechtes
sein. Elsaß-Lothringen wird nach Kräften
zum Wiederaufbau des Baterlandes beitrage".
Dafür wird Elsaß-Lothringen seine reichen
Ernten zur Verfügung stellen, die Produkte
seiner bewundernswerter Industrie, seiner
unterirdischen Schätze. Zu gleicher Zeit
wird es den unerschöpflichen Schatz seiner
Seele, seine edle demokratische Gesinnung,
seine Zähigkeit, seinen Geist der.Initiative,
seine Genauigkeit, seine Erfahrungen in

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Drinnen und draußen

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Heimat herrschte eine ständige Militär¬
diktatur. Dazu kam die drückende Sorge,
daß unser liebes schönes Ländel Kriegs¬
schauplatz werden könnte. Um so mehr war
es ausgeschlossen, daß ein vernünftig denken¬
der Mensch bei uns um der Wiedervereini¬
gung mit Frankreich Wille» die Verlängerung
des Krieges auch nur um eine Stunde ge¬
wünscht hätte. Die Erklärung Deschanels
ist aber außerordentlich geschickt und für die
kluge Art, mit der die Franzosen Politik
treiben, äußerst bezeichnend. Während die
Deutschen stets mit einer gewissen Skepsis
an die Elsaß-Lothringer herantraten und
immer wieder fragten, ob die Elsaß-Lothrin¬
ger sich tatsächlich als treudentsche Volks¬
genossen bewährten, legt der Franzose das,
was er will, ohne Rücksicht auf die tatsäch¬
lichen Verhältnisse in den Elsässer hinein.
Er erklärt seinem ganzen Volke, der ganzen
neutralen Welt und nicht zuletzt dem Elsässer
selbst, daß dieser ein begeisterter Franzose
sei und schafft auf diese Weise ein allge¬
meines Urteil, welches den Franzosen
günstig ist.

Wenn man den Artikel Deschaiiels aller¬
dings näher betrachtet, dann wird die
Phrasenhaftigkeit dieser Erklärung außer¬
ordentlich deutlich. Heißt es doch weiter:
„Mit unserer Flagge hält auch das franzö¬
sische Leben überall seinen Einzug. Diese
Rückkehr wird zweifelsohne in einigen bahn¬
brechenden Entscheidungen gefeiert werden.
Vielleicht müssen unsere Studenten, um die
Lizenz zu erhalten, einige Monate in Elsaß-
Lothringen zugebracht haben, vielleicht auch
werden einzelne unserer nationalen Hoch¬
schulen nach den zwei Provinzen verlegt
werden, wo jede Spur der deutschen Be¬
setzung verschwinden muß, beispielsweise
Saint Chr, das Polytechnikuni. So würden
auch einige Kultur- und Gescllschnftszentren
ihre Strahlen in alle Regionen senden
können. Dank solcher Entschlüsse hätte die
französische Elite das Elsaß kennen gelernt
zu unserem und zum elsaß-lothringischen
Wohls. In der Tat würde eine unserer
großen wissenschaftlichen Hochschulen, die in
ihrem goldenen Buche viele elsaß-lothringische
Namen zählt, am Rhein einen guten Wacht-,
w?um nicht Kampfposten bilden."

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Das sind doch ganz einschneidende Ma߬
nahmen, die Herr Deschanel hier ankündigt,
Maßnahmen, die uns Elsaß-Lothringern
schwere Sorgen machen müssen. Die an¬
gekündigte systematische Verpflanzung fran¬
zösischer Kultur- und Gesellschaftszentren ins
Elsaß wird uns eine sehr schwere Belastung
mit fremden Elementen bringen. Habe»
wir doch bisher schon die Erfahrung macheu
müssen, daß überall da, wo sich vor den,
Kriege deutsche Elemente breit machten, nun
nicht etwa für uns und unsere Landsleute
der Boden freigeworden ist, sondern daß
überall neue Männer, die eben aus
dem Innern Frankreichs einwandern und
für unsere Eigenart wenig Verständ¬
nis haben, ja sogar nicht einmal unsere
Sprache verstehen, in die freigewordenen
Stellen eintreten. So droht uns leider
die ernste Gefahr, daß unser ganzes
elsässisches Volkstum, unsere liebe Mutter¬
sprache, in der wir denken, beten, fühlen,
auch wenn wir nicht mehr darin sprechen
dürfen, und unsere durch Generationen hin¬
durch treu gewahrte elsässtsche Eigenart von
Fremden überwuchert und erstickt wird.
Unter solchen Verhältnissen können wir des
Lebens in unserem eigenen Lande nie froh
werden.

Weiter heißt eS in den, Artikel: „Die
Elsaß-Lothringer kennen aber die Vorzüge
der deutschen Verfahren und Methoden. Sie
wissen, warum seit Jahrhunderten Deutsch¬
land unsere großen Entdeckungen ausgebeutet
hat, viel Planmäßiger, als wir es selber
taten. Im Elsaß wird Frankreich die beiden
Hanptstärlen des Wirtschaftskrieges kennen
lernen können: das Laboratorium und die
Fabrik.

Die Rückgabe Elsaß-Lothringens Wird
nicht allein die Wiederaufrichtung des Rechtes
sein. Elsaß-Lothringen wird nach Kräften
zum Wiederaufbau des Baterlandes beitrage».
Dafür wird Elsaß-Lothringen seine reichen
Ernten zur Verfügung stellen, die Produkte
seiner bewundernswerter Industrie, seiner
unterirdischen Schätze. Zu gleicher Zeit
wird es den unerschöpflichen Schatz seiner
Seele, seine edle demokratische Gesinnung,
seine Zähigkeit, seinen Geist der.Initiative,
seine Genauigkeit, seine Erfahrungen in

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[0226] Drinnen und draußen Heimat herrschte eine ständige Militär¬ diktatur. Dazu kam die drückende Sorge, daß unser liebes schönes Ländel Kriegs¬ schauplatz werden könnte. Um so mehr war es ausgeschlossen, daß ein vernünftig denken¬ der Mensch bei uns um der Wiedervereini¬ gung mit Frankreich Wille» die Verlängerung des Krieges auch nur um eine Stunde ge¬ wünscht hätte. Die Erklärung Deschanels ist aber außerordentlich geschickt und für die kluge Art, mit der die Franzosen Politik treiben, äußerst bezeichnend. Während die Deutschen stets mit einer gewissen Skepsis an die Elsaß-Lothringer herantraten und immer wieder fragten, ob die Elsaß-Lothrin¬ ger sich tatsächlich als treudentsche Volks¬ genossen bewährten, legt der Franzose das, was er will, ohne Rücksicht auf die tatsäch¬ lichen Verhältnisse in den Elsässer hinein. Er erklärt seinem ganzen Volke, der ganzen neutralen Welt und nicht zuletzt dem Elsässer selbst, daß dieser ein begeisterter Franzose sei und schafft auf diese Weise ein allge¬ meines Urteil, welches den Franzosen günstig ist. Wenn man den Artikel Deschaiiels aller¬ dings näher betrachtet, dann wird die Phrasenhaftigkeit dieser Erklärung außer¬ ordentlich deutlich. Heißt es doch weiter: „Mit unserer Flagge hält auch das franzö¬ sische Leben überall seinen Einzug. Diese Rückkehr wird zweifelsohne in einigen bahn¬ brechenden Entscheidungen gefeiert werden. Vielleicht müssen unsere Studenten, um die Lizenz zu erhalten, einige Monate in Elsaß- Lothringen zugebracht haben, vielleicht auch werden einzelne unserer nationalen Hoch¬ schulen nach den zwei Provinzen verlegt werden, wo jede Spur der deutschen Be¬ setzung verschwinden muß, beispielsweise Saint Chr, das Polytechnikuni. So würden auch einige Kultur- und Gescllschnftszentren ihre Strahlen in alle Regionen senden können. Dank solcher Entschlüsse hätte die französische Elite das Elsaß kennen gelernt zu unserem und zum elsaß-lothringischen Wohls. In der Tat würde eine unserer großen wissenschaftlichen Hochschulen, die in ihrem goldenen Buche viele elsaß-lothringische Namen zählt, am Rhein einen guten Wacht-, w?um nicht Kampfposten bilden." Das sind doch ganz einschneidende Ma߬ nahmen, die Herr Deschanel hier ankündigt, Maßnahmen, die uns Elsaß-Lothringern schwere Sorgen machen müssen. Die an¬ gekündigte systematische Verpflanzung fran¬ zösischer Kultur- und Gesellschaftszentren ins Elsaß wird uns eine sehr schwere Belastung mit fremden Elementen bringen. Habe» wir doch bisher schon die Erfahrung macheu müssen, daß überall da, wo sich vor den, Kriege deutsche Elemente breit machten, nun nicht etwa für uns und unsere Landsleute der Boden freigeworden ist, sondern daß überall neue Männer, die eben aus dem Innern Frankreichs einwandern und für unsere Eigenart wenig Verständ¬ nis haben, ja sogar nicht einmal unsere Sprache verstehen, in die freigewordenen Stellen eintreten. So droht uns leider die ernste Gefahr, daß unser ganzes elsässisches Volkstum, unsere liebe Mutter¬ sprache, in der wir denken, beten, fühlen, auch wenn wir nicht mehr darin sprechen dürfen, und unsere durch Generationen hin¬ durch treu gewahrte elsässtsche Eigenart von Fremden überwuchert und erstickt wird. Unter solchen Verhältnissen können wir des Lebens in unserem eigenen Lande nie froh werden. Weiter heißt eS in den, Artikel: „Die Elsaß-Lothringer kennen aber die Vorzüge der deutschen Verfahren und Methoden. Sie wissen, warum seit Jahrhunderten Deutsch¬ land unsere großen Entdeckungen ausgebeutet hat, viel Planmäßiger, als wir es selber taten. Im Elsaß wird Frankreich die beiden Hanptstärlen des Wirtschaftskrieges kennen lernen können: das Laboratorium und die Fabrik. Die Rückgabe Elsaß-Lothringens Wird nicht allein die Wiederaufrichtung des Rechtes sein. Elsaß-Lothringen wird nach Kräften zum Wiederaufbau des Baterlandes beitrage». Dafür wird Elsaß-Lothringen seine reichen Ernten zur Verfügung stellen, die Produkte seiner bewundernswerter Industrie, seiner unterirdischen Schätze. Zu gleicher Zeit wird es den unerschöpflichen Schatz seiner Seele, seine edle demokratische Gesinnung, seine Zähigkeit, seinen Geist der.Initiative, seine Genauigkeit, seine Erfahrungen in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/226>, abgerufen am 28.07.2024.