Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Lrziehung zur Staatskunst Mächte mit ihrem natürlichen Steigerungsdrange sich gegenseitig beeinträchtig?!', Als nun die innere Umstellung vom Stadium der extensiven Boden¬ Lrziehung zur Staatskunst Mächte mit ihrem natürlichen Steigerungsdrange sich gegenseitig beeinträchtig?!', Als nun die innere Umstellung vom Stadium der extensiven Boden¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337063"/> <fw type="header" place="top"> Lrziehung zur Staatskunst</fw><lb/> <p xml:id="ID_1854" prev="#ID_1853"> Mächte mit ihrem natürlichen Steigerungsdrange sich gegenseitig beeinträchtig?!',<lb/> mußten, war England genötigt, sich darauf zu beschränken, daß es diese interne»<lb/> Vorgänge des Festlandes blosz beobachtete, durch die Beobachtung kontrollierte<lb/> und durch die Kontrolle schließlich doch mittelbar beeinflussen konnte. Gleichzeitig<lb/> verschaffte ihm diese stets in sich selbst zurückkehrende Jnternität der Festland?<lb/> Politik, über die es behutsam wachte, eine vollkommen freie Hand im Bereiche<lb/> der Meere und fremden Erdteile. So entstand sein Kolonialreich. Das eng¬<lb/> lische Kolonialreich der vorherigen Zeit war seiner ganzen Anlage nach boden¬<lb/> politisch geartet. Es blieb aber das Merkwürdige dabei, daß ihm die boden-<lb/> politische Anschauungsweise niemals recht zum Bewußtsein kam, da seine bewußte<lb/> Lebensführung sich nahezu ausschließlich nach rein wirtschcifilichen Gesichispuulten<lb/> orientierte. Infolge dieser Bewußtlosigkeit seiner bodenpolitischen Ausbreitung<lb/> konnte es vormals^ trotz bestimmtester Wirtschaftszwecke auch nie zu klarem<lb/> raumwirtschaftlichen Zweckempfinden gelangen. Das Ineinander von wirtschaft¬<lb/> lichen Zielbewegungen und dumpfer Bodenpolitik ergab keine Spur von wahrhafter<lb/> Intensität, sondern verkehrstechnische Berechnungen: eine Jnhastnahme der „Stütz¬<lb/> punkte" an den Gelenken des Weltverkehrs. Das ozeanische Reich Englands<lb/> war ganz eine Sache für sich, die außerhalb der Entwicklung in der Naum-<lb/> politik der europäischen Großmächte vor sich ging und unberührt blieb von der<lb/> gesetzhaften Drehung, die sich dort vollzog.</p><lb/> <p xml:id="ID_1855"> Als nun die innere Umstellung vom Stadium der extensiven Boden¬<lb/> politik zur intensiven Raumwirtschaft sich in Jnnereuropa voll durchgesetzt<lb/> und mit der Bismarckschsn Zeit ihren letzten Abschluß erreicht hatte, näherte<lb/> sich eine große weltpolitische Krisis für das englische Reich. Denn diese<lb/> Vollendung wies die festländischen Großmächte jetzt darauf an, ihre Stärke<lb/> nach den Außenseiten hin anzuspannen und darüber hinaus zu zerdehnen.<lb/> Wohl hatte Frankreich schon früher kolonialpolitische Erfolge gehabt. Dock:<lb/> nun trat die Notwendigkeit auf, daß Jnnereuropa als Ganzes ssmen Raum<lb/> verließ und in den Weltraum hinausging. Bei Oesterreich-Ungarn be<lb/> gnügte sich diese Entfaltung allerdings mit den zunächstliegenden Folgerichtig-<lb/> leiten, sie verlief schrittweise in der festländisch vorgeschriebenen und fürs erste<lb/> noch geographisch-europäischen Richtung nach Südosten. Hingegen Frankreich<lb/> und das Deutsche Reich schickten sich an, ihre Kräfte über das Meer in die Weite<lb/> zu tragen. Das bedeutet, daß die beiden verschiedenen und bisher von einander<lb/> gesonderten Schauplätze der Großmachtpolitik des abendländischen Kulturkreises<lb/> in einen zerflossen, indem sozusagen der innereuropäische Raum sich selber<lb/> zum Weltraum zu machen und den ozeanischen Bereich in sich aufzu¬<lb/> nehmen versuchte. Damit setzte eine neue Weltperiode ein, deren raum¬<lb/> politischer Vollzug die Grundbedingungen des englischen Großmacht¬<lb/> oaseins in Frage stellte. Die konkreten Voraussetzungen für den Beginn<lb/> dieser neuen Weltperiode blieben nicht auf das innereuropäische Geschehen be¬<lb/> schränkt. Es kamen der berühmte Eintritt Japans und Nordamerikas in bis<lb/> Weltpolitik hinzu und der Umstand, daß auch das russische Reich auf einmal<lb/> darauf verfiel, die ihm eigentümliche Ungeheuerlichkeit seiner durchaus primitiven<lb/> und gewaltsamen Bodenpolitik raumwirtschaftlich umzubilden. Nur hierdurch<lb/> hätte es die in ihm gärende Stärke zu einer positiven Gesamtwirkung zusammen»<lb/> reißen und entbinden können.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
Lrziehung zur Staatskunst
Mächte mit ihrem natürlichen Steigerungsdrange sich gegenseitig beeinträchtig?!',
mußten, war England genötigt, sich darauf zu beschränken, daß es diese interne»
Vorgänge des Festlandes blosz beobachtete, durch die Beobachtung kontrollierte
und durch die Kontrolle schließlich doch mittelbar beeinflussen konnte. Gleichzeitig
verschaffte ihm diese stets in sich selbst zurückkehrende Jnternität der Festland?
Politik, über die es behutsam wachte, eine vollkommen freie Hand im Bereiche
der Meere und fremden Erdteile. So entstand sein Kolonialreich. Das eng¬
lische Kolonialreich der vorherigen Zeit war seiner ganzen Anlage nach boden¬
politisch geartet. Es blieb aber das Merkwürdige dabei, daß ihm die boden-
politische Anschauungsweise niemals recht zum Bewußtsein kam, da seine bewußte
Lebensführung sich nahezu ausschließlich nach rein wirtschcifilichen Gesichispuulten
orientierte. Infolge dieser Bewußtlosigkeit seiner bodenpolitischen Ausbreitung
konnte es vormals^ trotz bestimmtester Wirtschaftszwecke auch nie zu klarem
raumwirtschaftlichen Zweckempfinden gelangen. Das Ineinander von wirtschaft¬
lichen Zielbewegungen und dumpfer Bodenpolitik ergab keine Spur von wahrhafter
Intensität, sondern verkehrstechnische Berechnungen: eine Jnhastnahme der „Stütz¬
punkte" an den Gelenken des Weltverkehrs. Das ozeanische Reich Englands
war ganz eine Sache für sich, die außerhalb der Entwicklung in der Naum-
politik der europäischen Großmächte vor sich ging und unberührt blieb von der
gesetzhaften Drehung, die sich dort vollzog.
Als nun die innere Umstellung vom Stadium der extensiven Boden¬
politik zur intensiven Raumwirtschaft sich in Jnnereuropa voll durchgesetzt
und mit der Bismarckschsn Zeit ihren letzten Abschluß erreicht hatte, näherte
sich eine große weltpolitische Krisis für das englische Reich. Denn diese
Vollendung wies die festländischen Großmächte jetzt darauf an, ihre Stärke
nach den Außenseiten hin anzuspannen und darüber hinaus zu zerdehnen.
Wohl hatte Frankreich schon früher kolonialpolitische Erfolge gehabt. Dock:
nun trat die Notwendigkeit auf, daß Jnnereuropa als Ganzes ssmen Raum
verließ und in den Weltraum hinausging. Bei Oesterreich-Ungarn be
gnügte sich diese Entfaltung allerdings mit den zunächstliegenden Folgerichtig-
leiten, sie verlief schrittweise in der festländisch vorgeschriebenen und fürs erste
noch geographisch-europäischen Richtung nach Südosten. Hingegen Frankreich
und das Deutsche Reich schickten sich an, ihre Kräfte über das Meer in die Weite
zu tragen. Das bedeutet, daß die beiden verschiedenen und bisher von einander
gesonderten Schauplätze der Großmachtpolitik des abendländischen Kulturkreises
in einen zerflossen, indem sozusagen der innereuropäische Raum sich selber
zum Weltraum zu machen und den ozeanischen Bereich in sich aufzu¬
nehmen versuchte. Damit setzte eine neue Weltperiode ein, deren raum¬
politischer Vollzug die Grundbedingungen des englischen Großmacht¬
oaseins in Frage stellte. Die konkreten Voraussetzungen für den Beginn
dieser neuen Weltperiode blieben nicht auf das innereuropäische Geschehen be¬
schränkt. Es kamen der berühmte Eintritt Japans und Nordamerikas in bis
Weltpolitik hinzu und der Umstand, daß auch das russische Reich auf einmal
darauf verfiel, die ihm eigentümliche Ungeheuerlichkeit seiner durchaus primitiven
und gewaltsamen Bodenpolitik raumwirtschaftlich umzubilden. Nur hierdurch
hätte es die in ihm gärende Stärke zu einer positiven Gesamtwirkung zusammen»
reißen und entbinden können.
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