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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Regierung in Estland, Livland und Litauen
Nationalbankeil nach dem Muster der Bank
von England errichten, die neben einer Ab¬
teilung für allgemeine bankgeschäftliche Ope¬
rationen auch eins solche für Notenemission
erhalten sollen. Letzterer Abteilung soll die
Aufgabe zufallen, "in jedem der genannten
Länder eine neue Währung einzuführen, der
die Goldbasis zugrunde liegt". Die Noten¬
banken sollen ihren Sitz in den Hauptstädten
der baltischen Staaten haben und in den
größeren Städten Niederlassungen errichten,
ihren finanziellen Stützpunkt aber
in London erhalten. Als Gegenleistung
will sie <die englische Bautengruppe) sich die
Übertragung von Monopolen einer Reihe
der wichtigsten Rohstoffe ausbedingen. Die
Engländer wollen die Hand auf das baltische
Holz und den baltischen Flachs legen.
Dafür wollen sie die Sanierung der Valuta
"versuchen". Gewiß ein nicht zu unter¬
schätzendes Vorhaben, wenn es gelingt;
aber die baltischen Staaten sollen dafür
ihre wirtschaftliche Selbständigkeit aufgeben,
sollen finanziell und kommerziell von Eng¬
land abhängig sein. Der Verfasser des
Artikels kommt zu dem Schluß:

"Deutsche Kaufleute, achtet auf die
Borgänge im Osten, laßt euch nicht
vom russischen Markt abdrängen,
denn das Endziel des englisch-bal¬
tischen Vertrages ist Englands wirt¬
schaftlicher Vorstoß auf Rußland."

Ganz abgesehen von den Bodenschätzen
Rußlands wäre die Wiederaufnahme des
Handels mit den baltischen Ländern und
mit Litauen schon lohnend. Der Ertrag
von etwa 2 200 000 Hektar Walo in Estland
und Lettland (Livland), von etwa 2 300 000
Hektar in Litauen, wäre England, das zum
Beispiel 1911 allein über Riga für 19028821
Rudel Holz bezog, sehr willkommen. ^Flachs
erhielt England über Riga im selben Jahre
sür 13 ig? 966 Rubel, Eier für 22 517 586
und Felle für 13 386 479 Rubel. Der
größte Teil der über Riga exportierten Roh¬
stoffe stammte aus den baltischen Ländern
und aus Litauen. Nun läßt sich bei ge¬
steigerter Intensität der Wirtschaftsführung
der Export an Rohstoffen ganz erheblich
steigern. Der Flachsanbau war in den

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russischen westlichen Raubstaaten vor dein
Kriege zurückgegangen, ein großer Teil des
Flachses wurde im Lande selbst in der Heim¬
arbeit verarbeitet oder der Industrie zugeführt.
Aber entscheidend für die Möglichkeit des
Flachsexports ist nicht die in den letzten
Vorkriegsjahren erzeugte Menge, sondern
das Verständnis der Landbevölkerung für
diesen Zweig der Landwirtschaft. Ganz er¬
heblich läßt sich der Flachsanbau steigern;
Maschinen zur Fluchsbearbeitung sind im
Lande reichlich vorhanden. Ein weiteres,
nicht zu unterschätzendes Ausfuhrprodukt
stellt die Ausbeute der Fischerei dar. Die
Binnenseen (in Kurland etwa 20N00 Hektar,
in Litauen 60000 Hektar) könnten bei
rationeller Bewirtschaftung gut 20 Kilogramm
je Hektar jährlich liefern. Die Flußfischerei
kann, vorsichtig geschätzt, etwa 500 Tonnen
bringen, die Teichwirtschaft brachte allein in
Kurland vor dem Kriege etwa 4000 Zentner
jährlich. Ganz erheblich waren die Erträge
der Küstenfischerei.

Es würde zu weit führen, hier noch auf
alle Erzeugnisse einzugehen, welche die bal¬
tischen Länder vor dem K-lege lieferten und
welche sie bei intensiver Bewirtschaftung des
Landes liefern könnten. Zur Einfuhr
sind die Länder auf fast alle Geräte und
Maschinen für Landwirtschaft und Industrie
gezwungen, vom Nagel bis zur Dampf¬
maschine. Arbeitermangel hat, besonders in
Lettland, schon vor dem Kriege bestanden,
durch den Krieg und nicht zuletzt durch die
Bolschewistenkämpfe sind den Ländern viele
wertvolle Menschenkräfte genommen. Mehr
denn je wird die Landwirtschaft auf maschi¬
nelle Kraft angewiesen sein.

Welch ein Betätigungsfeld bietet sich da
einem schaffensfreudigen Handel! Und alles
das soll England an sich reißen?

M. Lremer
Die Politik Lettlands.

Der Gesandte
der lettischen Republik in Frankreich, Groswald,
hat im "Temps" vom 16. Januar folgende
Erklärungen über die Politik seines Landes
und die gegenwärtige Lage in Osteuropa
abgegeben:

Die Einnahme von Dünaburg
durch die Polnische und lettische Armee ist

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Regierung in Estland, Livland und Litauen
Nationalbankeil nach dem Muster der Bank
von England errichten, die neben einer Ab¬
teilung für allgemeine bankgeschäftliche Ope¬
rationen auch eins solche für Notenemission
erhalten sollen. Letzterer Abteilung soll die
Aufgabe zufallen, „in jedem der genannten
Länder eine neue Währung einzuführen, der
die Goldbasis zugrunde liegt". Die Noten¬
banken sollen ihren Sitz in den Hauptstädten
der baltischen Staaten haben und in den
größeren Städten Niederlassungen errichten,
ihren finanziellen Stützpunkt aber
in London erhalten. Als Gegenleistung
will sie <die englische Bautengruppe) sich die
Übertragung von Monopolen einer Reihe
der wichtigsten Rohstoffe ausbedingen. Die
Engländer wollen die Hand auf das baltische
Holz und den baltischen Flachs legen.
Dafür wollen sie die Sanierung der Valuta
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schätzendes Vorhaben, wenn es gelingt;
aber die baltischen Staaten sollen dafür
ihre wirtschaftliche Selbständigkeit aufgeben,
sollen finanziell und kommerziell von Eng¬
land abhängig sein. Der Verfasser des
Artikels kommt zu dem Schluß:

„Deutsche Kaufleute, achtet auf die
Borgänge im Osten, laßt euch nicht
vom russischen Markt abdrängen,
denn das Endziel des englisch-bal¬
tischen Vertrages ist Englands wirt¬
schaftlicher Vorstoß auf Rußland."

Ganz abgesehen von den Bodenschätzen
Rußlands wäre die Wiederaufnahme des
Handels mit den baltischen Ländern und
mit Litauen schon lohnend. Der Ertrag
von etwa 2 200 000 Hektar Walo in Estland
und Lettland (Livland), von etwa 2 300 000
Hektar in Litauen, wäre England, das zum
Beispiel 1911 allein über Riga für 19028821
Rudel Holz bezog, sehr willkommen. ^Flachs
erhielt England über Riga im selben Jahre
sür 13 ig? 966 Rubel, Eier für 22 517 586
und Felle für 13 386 479 Rubel. Der
größte Teil der über Riga exportierten Roh¬
stoffe stammte aus den baltischen Ländern
und aus Litauen. Nun läßt sich bei ge¬
steigerter Intensität der Wirtschaftsführung
der Export an Rohstoffen ganz erheblich
steigern. Der Flachsanbau war in den

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russischen westlichen Raubstaaten vor dein
Kriege zurückgegangen, ein großer Teil des
Flachses wurde im Lande selbst in der Heim¬
arbeit verarbeitet oder der Industrie zugeführt.
Aber entscheidend für die Möglichkeit des
Flachsexports ist nicht die in den letzten
Vorkriegsjahren erzeugte Menge, sondern
das Verständnis der Landbevölkerung für
diesen Zweig der Landwirtschaft. Ganz er¬
heblich läßt sich der Flachsanbau steigern;
Maschinen zur Fluchsbearbeitung sind im
Lande reichlich vorhanden. Ein weiteres,
nicht zu unterschätzendes Ausfuhrprodukt
stellt die Ausbeute der Fischerei dar. Die
Binnenseen (in Kurland etwa 20N00 Hektar,
in Litauen 60000 Hektar) könnten bei
rationeller Bewirtschaftung gut 20 Kilogramm
je Hektar jährlich liefern. Die Flußfischerei
kann, vorsichtig geschätzt, etwa 500 Tonnen
bringen, die Teichwirtschaft brachte allein in
Kurland vor dem Kriege etwa 4000 Zentner
jährlich. Ganz erheblich waren die Erträge
der Küstenfischerei.

Es würde zu weit führen, hier noch auf
alle Erzeugnisse einzugehen, welche die bal¬
tischen Länder vor dem K-lege lieferten und
welche sie bei intensiver Bewirtschaftung des
Landes liefern könnten. Zur Einfuhr
sind die Länder auf fast alle Geräte und
Maschinen für Landwirtschaft und Industrie
gezwungen, vom Nagel bis zur Dampf¬
maschine. Arbeitermangel hat, besonders in
Lettland, schon vor dem Kriege bestanden,
durch den Krieg und nicht zuletzt durch die
Bolschewistenkämpfe sind den Ländern viele
wertvolle Menschenkräfte genommen. Mehr
denn je wird die Landwirtschaft auf maschi¬
nelle Kraft angewiesen sein.

Welch ein Betätigungsfeld bietet sich da
einem schaffensfreudigen Handel! Und alles
das soll England an sich reißen?

M. Lremer
Die Politik Lettlands.

Der Gesandte
der lettischen Republik in Frankreich, Groswald,
hat im „Temps" vom 16. Januar folgende
Erklärungen über die Politik seines Landes
und die gegenwärtige Lage in Osteuropa
abgegeben:

Die Einnahme von Dünaburg
durch die Polnische und lettische Armee ist

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[0195] Drinnen und draußen Regierung in Estland, Livland und Litauen Nationalbankeil nach dem Muster der Bank von England errichten, die neben einer Ab¬ teilung für allgemeine bankgeschäftliche Ope¬ rationen auch eins solche für Notenemission erhalten sollen. Letzterer Abteilung soll die Aufgabe zufallen, „in jedem der genannten Länder eine neue Währung einzuführen, der die Goldbasis zugrunde liegt". Die Noten¬ banken sollen ihren Sitz in den Hauptstädten der baltischen Staaten haben und in den größeren Städten Niederlassungen errichten, ihren finanziellen Stützpunkt aber in London erhalten. Als Gegenleistung will sie <die englische Bautengruppe) sich die Übertragung von Monopolen einer Reihe der wichtigsten Rohstoffe ausbedingen. Die Engländer wollen die Hand auf das baltische Holz und den baltischen Flachs legen. Dafür wollen sie die Sanierung der Valuta »versuchen". Gewiß ein nicht zu unter¬ schätzendes Vorhaben, wenn es gelingt; aber die baltischen Staaten sollen dafür ihre wirtschaftliche Selbständigkeit aufgeben, sollen finanziell und kommerziell von Eng¬ land abhängig sein. Der Verfasser des Artikels kommt zu dem Schluß: „Deutsche Kaufleute, achtet auf die Borgänge im Osten, laßt euch nicht vom russischen Markt abdrängen, denn das Endziel des englisch-bal¬ tischen Vertrages ist Englands wirt¬ schaftlicher Vorstoß auf Rußland." Ganz abgesehen von den Bodenschätzen Rußlands wäre die Wiederaufnahme des Handels mit den baltischen Ländern und mit Litauen schon lohnend. Der Ertrag von etwa 2 200 000 Hektar Walo in Estland und Lettland (Livland), von etwa 2 300 000 Hektar in Litauen, wäre England, das zum Beispiel 1911 allein über Riga für 19028821 Rudel Holz bezog, sehr willkommen. ^Flachs erhielt England über Riga im selben Jahre sür 13 ig? 966 Rubel, Eier für 22 517 586 und Felle für 13 386 479 Rubel. Der größte Teil der über Riga exportierten Roh¬ stoffe stammte aus den baltischen Ländern und aus Litauen. Nun läßt sich bei ge¬ steigerter Intensität der Wirtschaftsführung der Export an Rohstoffen ganz erheblich steigern. Der Flachsanbau war in den russischen westlichen Raubstaaten vor dein Kriege zurückgegangen, ein großer Teil des Flachses wurde im Lande selbst in der Heim¬ arbeit verarbeitet oder der Industrie zugeführt. Aber entscheidend für die Möglichkeit des Flachsexports ist nicht die in den letzten Vorkriegsjahren erzeugte Menge, sondern das Verständnis der Landbevölkerung für diesen Zweig der Landwirtschaft. Ganz er¬ heblich läßt sich der Flachsanbau steigern; Maschinen zur Fluchsbearbeitung sind im Lande reichlich vorhanden. Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Ausfuhrprodukt stellt die Ausbeute der Fischerei dar. Die Binnenseen (in Kurland etwa 20N00 Hektar, in Litauen 60000 Hektar) könnten bei rationeller Bewirtschaftung gut 20 Kilogramm je Hektar jährlich liefern. Die Flußfischerei kann, vorsichtig geschätzt, etwa 500 Tonnen bringen, die Teichwirtschaft brachte allein in Kurland vor dem Kriege etwa 4000 Zentner jährlich. Ganz erheblich waren die Erträge der Küstenfischerei. Es würde zu weit führen, hier noch auf alle Erzeugnisse einzugehen, welche die bal¬ tischen Länder vor dem K-lege lieferten und welche sie bei intensiver Bewirtschaftung des Landes liefern könnten. Zur Einfuhr sind die Länder auf fast alle Geräte und Maschinen für Landwirtschaft und Industrie gezwungen, vom Nagel bis zur Dampf¬ maschine. Arbeitermangel hat, besonders in Lettland, schon vor dem Kriege bestanden, durch den Krieg und nicht zuletzt durch die Bolschewistenkämpfe sind den Ländern viele wertvolle Menschenkräfte genommen. Mehr denn je wird die Landwirtschaft auf maschi¬ nelle Kraft angewiesen sein. Welch ein Betätigungsfeld bietet sich da einem schaffensfreudigen Handel! Und alles das soll England an sich reißen? M. Lremer Die Politik Lettlands. Der Gesandte der lettischen Republik in Frankreich, Groswald, hat im „Temps" vom 16. Januar folgende Erklärungen über die Politik seines Landes und die gegenwärtige Lage in Osteuropa abgegeben: Die Einnahme von Dünaburg durch die Polnische und lettische Armee ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/195>, abgerufen am 27.07.2024.