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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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genannten Industrien geschildert und die Bergleute inständigst gebeten, doch mit
allen Mitteln für die Erhöhung der Förderung zu wirken, damit die große
Arbeitslosigkeit infolge Kohlenmangels nicht noch größer werde. Der Führer des
sozialdemokratischen Glasarbeiterverbandes schilderte die Lage seiner Mitarbeiter
wie folgt: "Geradezu herzzerreißend ist der Notschrei der Glas-Heimarbeiter in
Thüringen. Es fehlt ihnen nicht nur an Glasröhren, die sie für ihre Waren
brauchen, sondern auch die thüringischen Gasanstalten haben nicht genügend
Kohlen, um ihnen das Gas für ihre Gebläse liefern zu können. Diese Arbeiter
find unterernährt; unter ihnen wütet die Lungentuberkulose, und dabei ist es ihr
Beruf, Instrumente anzufertigen, die in der Hand des Arztes dazu dienen,
Millionen von Menschen vom Siechtum oder von langer Krankheit zu retten,
oder es sind Arbeiter, die den herrlichen Christbaumschmuck anfertigen, der am
Weihnachtsabend die Herzen der Kinder freudig schlagen läßt." Trotz dieser sich
immer wiederholenden Notschreie aus den Kreisen der Arbeiterschaft feierten die
Bergleute des Nuhrreviers im Durchschnitt der letzten Monate willkürlich rund
900000 Schichten. Das unabhängig-kommunistische "Ruhrecho" nannte den
gemeinsamen Aufruf der verschiedenen Organisationen einen "heuchlerischen und
verlogenen Aufruf an die Bergarbeiter". Aus den Gesichtern dieser Dunkelmänner
grinst Dantes Inferno.

Welches wäre nun die Wirkung der Sechsstundenschicht?- Im Ruhrrevier,
dem einzigen Kohlengebiet, welches uns der Friedensvertrag unbestritten gelassen
hat, ist die Förderung von 114,5 Millionen Tonnen im letzten Friedensjahre ans
rund 70 Millionen Tonnen im Jahre 1919 gesunken. Das abgelaufene Jahr
hat also mit einem unwiederbringlichen Ausfall von 44 Millionen Tonnen abge¬
schlossen. Vor dem.Kriege hatten wir mit Einschluß des Saarreviers und der
oberschlesischen Gruben eine Jahresproduktion von 192 Millionen Tonnen, von
denen 157,8 Millionen im eigenen Lande verbraucht wurden. Von der uns
gegenwärtig zur Verfügung stehenden, auf weniger als die Hälfte reduzierten
Menge müssen wir aber noch auf Grund der Versailler Bestimmungen jährlich
43 Millionen Tonnen abgeben. Die unheilvollen Wirkungen des Sechsstunden¬
tages gehen am besten aus einem Vergleich hervor, der zwischen dem Förder¬
ergebnis dreier aufeinander folgenden Monate, in denen weniger gestreikt wurde
(September, Oktober und November 1919) und der voraussichtlich vorliegenden
Förderungsmenge an Kohlen bei Einführung der verkürzten Schicht angestellt
wird. In dem angegebenen Quartal förderten monatlich das Ruhrrevier bei
siebenstündigcr Schicht 6V- bis 7 Millionen, Oberschlesien bei achtstündiger Schicht
2V- Millionen Tonnen, die übrigen Kohlenbezirke etwa über 1 Million, zusammen
etwa 10Vz Millionen Tonnen. Bei Verkürzung der Schichtzeit um je 1 Stunde
-- also nicht bei durchgeführter Sechsstundenschicht -- würde sich ein monatlicher
Ausfall ergeben im Ruhrrevier von etwa 1 Million Tonnen, in Oberschlesien
von etwa 812 000 Tonnen, in den übrigen Kohlenbezirken von etwa 125 000
Tonnen, zusammen 1437 000 Tonnen. Da die An- und Ausfuhrzeit der Berg¬
leute auch bei verkürzter Arbeitszeit die gleiche bleibt, ist praktisch der Ausfall
noch größer als nach der übrigens rein theoretischen Berechnung. Mit Kohlen
sind in erster Linie die Eisenbahnen, die Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke und
der Hausbrand zu beliefern. Eine Verkürzung in der Belieferung wird hier kaum
eintreten können. Der Rest, der für Industrien und Privatbahnen in Betracht
kommt, betrug zum Beispiel im Monat November 3 032 000 Tonnen. Zieht man
davon den durch Schichtverkürzung verursachten, oben errechneten Ausfall ab, so
bleiben für Industrie usw. noch etwa 1600000 Tonnen übrig. Da die gesamte
Industrie ini November 1919 an Kohlen nur knapp die Hälfte ihrer Anforderung,
die 6 638 000 Tonnen betrug, bekam, so könnte sie nach Schichtverkürzung nur
den vierten Teil bekommen. Das Heer der Arbeitslosen würde sich also ins
Unermeßliche vergrößern. Die Gemeinden müßten noch gewaltigere Summen
zur Unterstützung der Arbeitslosen aufbringen. Der völlige Bankerott unserer
Volkswirtschaft wäre unausbleiblich.


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genannten Industrien geschildert und die Bergleute inständigst gebeten, doch mit
allen Mitteln für die Erhöhung der Förderung zu wirken, damit die große
Arbeitslosigkeit infolge Kohlenmangels nicht noch größer werde. Der Führer des
sozialdemokratischen Glasarbeiterverbandes schilderte die Lage seiner Mitarbeiter
wie folgt: „Geradezu herzzerreißend ist der Notschrei der Glas-Heimarbeiter in
Thüringen. Es fehlt ihnen nicht nur an Glasröhren, die sie für ihre Waren
brauchen, sondern auch die thüringischen Gasanstalten haben nicht genügend
Kohlen, um ihnen das Gas für ihre Gebläse liefern zu können. Diese Arbeiter
find unterernährt; unter ihnen wütet die Lungentuberkulose, und dabei ist es ihr
Beruf, Instrumente anzufertigen, die in der Hand des Arztes dazu dienen,
Millionen von Menschen vom Siechtum oder von langer Krankheit zu retten,
oder es sind Arbeiter, die den herrlichen Christbaumschmuck anfertigen, der am
Weihnachtsabend die Herzen der Kinder freudig schlagen läßt." Trotz dieser sich
immer wiederholenden Notschreie aus den Kreisen der Arbeiterschaft feierten die
Bergleute des Nuhrreviers im Durchschnitt der letzten Monate willkürlich rund
900000 Schichten. Das unabhängig-kommunistische „Ruhrecho" nannte den
gemeinsamen Aufruf der verschiedenen Organisationen einen „heuchlerischen und
verlogenen Aufruf an die Bergarbeiter". Aus den Gesichtern dieser Dunkelmänner
grinst Dantes Inferno.

Welches wäre nun die Wirkung der Sechsstundenschicht?- Im Ruhrrevier,
dem einzigen Kohlengebiet, welches uns der Friedensvertrag unbestritten gelassen
hat, ist die Förderung von 114,5 Millionen Tonnen im letzten Friedensjahre ans
rund 70 Millionen Tonnen im Jahre 1919 gesunken. Das abgelaufene Jahr
hat also mit einem unwiederbringlichen Ausfall von 44 Millionen Tonnen abge¬
schlossen. Vor dem.Kriege hatten wir mit Einschluß des Saarreviers und der
oberschlesischen Gruben eine Jahresproduktion von 192 Millionen Tonnen, von
denen 157,8 Millionen im eigenen Lande verbraucht wurden. Von der uns
gegenwärtig zur Verfügung stehenden, auf weniger als die Hälfte reduzierten
Menge müssen wir aber noch auf Grund der Versailler Bestimmungen jährlich
43 Millionen Tonnen abgeben. Die unheilvollen Wirkungen des Sechsstunden¬
tages gehen am besten aus einem Vergleich hervor, der zwischen dem Förder¬
ergebnis dreier aufeinander folgenden Monate, in denen weniger gestreikt wurde
(September, Oktober und November 1919) und der voraussichtlich vorliegenden
Förderungsmenge an Kohlen bei Einführung der verkürzten Schicht angestellt
wird. In dem angegebenen Quartal förderten monatlich das Ruhrrevier bei
siebenstündigcr Schicht 6V- bis 7 Millionen, Oberschlesien bei achtstündiger Schicht
2V- Millionen Tonnen, die übrigen Kohlenbezirke etwa über 1 Million, zusammen
etwa 10Vz Millionen Tonnen. Bei Verkürzung der Schichtzeit um je 1 Stunde
— also nicht bei durchgeführter Sechsstundenschicht — würde sich ein monatlicher
Ausfall ergeben im Ruhrrevier von etwa 1 Million Tonnen, in Oberschlesien
von etwa 812 000 Tonnen, in den übrigen Kohlenbezirken von etwa 125 000
Tonnen, zusammen 1437 000 Tonnen. Da die An- und Ausfuhrzeit der Berg¬
leute auch bei verkürzter Arbeitszeit die gleiche bleibt, ist praktisch der Ausfall
noch größer als nach der übrigens rein theoretischen Berechnung. Mit Kohlen
sind in erster Linie die Eisenbahnen, die Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke und
der Hausbrand zu beliefern. Eine Verkürzung in der Belieferung wird hier kaum
eintreten können. Der Rest, der für Industrien und Privatbahnen in Betracht
kommt, betrug zum Beispiel im Monat November 3 032 000 Tonnen. Zieht man
davon den durch Schichtverkürzung verursachten, oben errechneten Ausfall ab, so
bleiben für Industrie usw. noch etwa 1600000 Tonnen übrig. Da die gesamte
Industrie ini November 1919 an Kohlen nur knapp die Hälfte ihrer Anforderung,
die 6 638 000 Tonnen betrug, bekam, so könnte sie nach Schichtverkürzung nur
den vierten Teil bekommen. Das Heer der Arbeitslosen würde sich also ins
Unermeßliche vergrößern. Die Gemeinden müßten noch gewaltigere Summen
zur Unterstützung der Arbeitslosen aufbringen. Der völlige Bankerott unserer
Volkswirtschaft wäre unausbleiblich.


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[0190] IVK'tschaftsspiegel genannten Industrien geschildert und die Bergleute inständigst gebeten, doch mit allen Mitteln für die Erhöhung der Förderung zu wirken, damit die große Arbeitslosigkeit infolge Kohlenmangels nicht noch größer werde. Der Führer des sozialdemokratischen Glasarbeiterverbandes schilderte die Lage seiner Mitarbeiter wie folgt: „Geradezu herzzerreißend ist der Notschrei der Glas-Heimarbeiter in Thüringen. Es fehlt ihnen nicht nur an Glasröhren, die sie für ihre Waren brauchen, sondern auch die thüringischen Gasanstalten haben nicht genügend Kohlen, um ihnen das Gas für ihre Gebläse liefern zu können. Diese Arbeiter find unterernährt; unter ihnen wütet die Lungentuberkulose, und dabei ist es ihr Beruf, Instrumente anzufertigen, die in der Hand des Arztes dazu dienen, Millionen von Menschen vom Siechtum oder von langer Krankheit zu retten, oder es sind Arbeiter, die den herrlichen Christbaumschmuck anfertigen, der am Weihnachtsabend die Herzen der Kinder freudig schlagen läßt." Trotz dieser sich immer wiederholenden Notschreie aus den Kreisen der Arbeiterschaft feierten die Bergleute des Nuhrreviers im Durchschnitt der letzten Monate willkürlich rund 900000 Schichten. Das unabhängig-kommunistische „Ruhrecho" nannte den gemeinsamen Aufruf der verschiedenen Organisationen einen „heuchlerischen und verlogenen Aufruf an die Bergarbeiter". Aus den Gesichtern dieser Dunkelmänner grinst Dantes Inferno. Welches wäre nun die Wirkung der Sechsstundenschicht?- Im Ruhrrevier, dem einzigen Kohlengebiet, welches uns der Friedensvertrag unbestritten gelassen hat, ist die Förderung von 114,5 Millionen Tonnen im letzten Friedensjahre ans rund 70 Millionen Tonnen im Jahre 1919 gesunken. Das abgelaufene Jahr hat also mit einem unwiederbringlichen Ausfall von 44 Millionen Tonnen abge¬ schlossen. Vor dem.Kriege hatten wir mit Einschluß des Saarreviers und der oberschlesischen Gruben eine Jahresproduktion von 192 Millionen Tonnen, von denen 157,8 Millionen im eigenen Lande verbraucht wurden. Von der uns gegenwärtig zur Verfügung stehenden, auf weniger als die Hälfte reduzierten Menge müssen wir aber noch auf Grund der Versailler Bestimmungen jährlich 43 Millionen Tonnen abgeben. Die unheilvollen Wirkungen des Sechsstunden¬ tages gehen am besten aus einem Vergleich hervor, der zwischen dem Förder¬ ergebnis dreier aufeinander folgenden Monate, in denen weniger gestreikt wurde (September, Oktober und November 1919) und der voraussichtlich vorliegenden Förderungsmenge an Kohlen bei Einführung der verkürzten Schicht angestellt wird. In dem angegebenen Quartal förderten monatlich das Ruhrrevier bei siebenstündigcr Schicht 6V- bis 7 Millionen, Oberschlesien bei achtstündiger Schicht 2V- Millionen Tonnen, die übrigen Kohlenbezirke etwa über 1 Million, zusammen etwa 10Vz Millionen Tonnen. Bei Verkürzung der Schichtzeit um je 1 Stunde — also nicht bei durchgeführter Sechsstundenschicht — würde sich ein monatlicher Ausfall ergeben im Ruhrrevier von etwa 1 Million Tonnen, in Oberschlesien von etwa 812 000 Tonnen, in den übrigen Kohlenbezirken von etwa 125 000 Tonnen, zusammen 1437 000 Tonnen. Da die An- und Ausfuhrzeit der Berg¬ leute auch bei verkürzter Arbeitszeit die gleiche bleibt, ist praktisch der Ausfall noch größer als nach der übrigens rein theoretischen Berechnung. Mit Kohlen sind in erster Linie die Eisenbahnen, die Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke und der Hausbrand zu beliefern. Eine Verkürzung in der Belieferung wird hier kaum eintreten können. Der Rest, der für Industrien und Privatbahnen in Betracht kommt, betrug zum Beispiel im Monat November 3 032 000 Tonnen. Zieht man davon den durch Schichtverkürzung verursachten, oben errechneten Ausfall ab, so bleiben für Industrie usw. noch etwa 1600000 Tonnen übrig. Da die gesamte Industrie ini November 1919 an Kohlen nur knapp die Hälfte ihrer Anforderung, die 6 638 000 Tonnen betrug, bekam, so könnte sie nach Schichtverkürzung nur den vierten Teil bekommen. Das Heer der Arbeitslosen würde sich also ins Unermeßliche vergrößern. Die Gemeinden müßten noch gewaltigere Summen zur Unterstützung der Arbeitslosen aufbringen. Der völlige Bankerott unserer Volkswirtschaft wäre unausbleiblich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/190>, abgerufen am 01.09.2024.