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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Nach vorstehenden Tabellen ist die Einfuhr aus Oberschlesien nach Bayern
in den mannigfachsten Produkten eine recht große gewesen, so daß ohne weiteres
ersichtlich ist, daß ein Verlust Oberschlesiens für Bayern den Verlust eines seiner
bedeutendsten Einfuhrt, netten bedeuten würde. Während Bayern auf manches in
Zukunft, wenn auch unter schwerer Schädigung weiter Kreise, verzichten müßte,
sich für vieles im eigenen und fremden Lande Ersatz schaffen und seine Produktion
mit Rücksicht auf die neue Lage anders einstellen müßte, wird es für Kohle und
Erze, falls nicht seine Industrie völlig zusammenbrechen soll, ausreichenden Ersatz
suchen müssen, den es nirgends anders wird erlangen können als in Oberschlesien.
Oberschlesien ist, wie auch die vorhergehenden Ausführungen gezeigt haben, infolge
seines enormen Reichtums an Kohle und Erzen durchaus in der Lage, einer weit
größeren Inanspruchnahme zu genügen. Eine Frage, die dabei sehr ins Gewicht
fällt, ist die der Güterbeförderungsmöglichkeit. Der Güterverkehr zwischen Bayern
und Oberschlesien hat bisher ausschließlich auf der Eisenbahn stattgefunden. Die
hohen Ablieferungen an Eisenbahmnaterial an die Entente werden für absehbare
Zeiten einem sehr verstärkten Güteraustausch zwischen Bayern und Oberschlesien
stark hindernd im Wege stehen. Immerhin ließe sich ein Ausweg schaffen durch
Verwirklichung des schon lange projektierten Wasserweges zwischen West- und Ost-
deutschland. Eine Vervollständigung des mitteldeutschen Kanalnetzes durch die
Verlängerung der mitteldeutschen Kanalstraße nach Osten, durch Anschluß der¬
selben an das Kohlengebiet des Ostens würde den Güterverkehr zwischen Bayern
und Oberschlesien wesentlich erleichtern und erheblich verbilligen.

Für das schlesische Kohlen- und Industriegebiet kann nur die Verlängerung
der vou Halle--Leipzig zur Werra. Fulda und zum Main führenden
Wasserstraße der sogenannten mitteldeutschen Kanalstraße nach Osten, also
nach der Obsrelbe und Oberoder die Verkehrsader nach Mitteldeutschland
öffnen und stärken. Die schlesische Kohlenindustrie kann ihr bisheriges Absatz¬
gebiet nach Sachsen und Bayern fraglos dadurch ganz ungeheuer erweitern. Die
gänzliche Umorientierung der einzelnen Landesteile des Reiches bezüglich ihrer
Bezugsquellen im Zusammenhang mit der Erkenntnis des großen Nutzens, denWasser-
straßen ini Güterverkehr haben, werden den so oft erwogenen und lange gehegten
Plan nunmehr zur Verwirklichung bringen müssen. Der Bau dieser Wasserstraßen
kann der Industrie und der Arbeiterbevölkerung nnr willkommen sein. Infolge
des großen Mangels an Rohstoffen und der gewaltigen Kvhlennot fehlt es überall
an Arbeit. Diese schwere Übergangszeit kaun mit der großen Fülle an Arbeit
und neuen industriellen Aufgaben, welche in dem Bau der Wasserstraßen geboten
wird, leicht und vorteilhaft überwunden werden, so daß die Kampfkraft des
deutschen Wirtschaftslebens sich allmählich wieder aufrichtet. Durch ein Verbleiben
Oberschlesiens beim Reiche böte sich demnach für Bayern die Möglichkeit, reichen
Ersatz für den Ausfall im Westen zu erlangen und dadurch seine Industrie arbeits-
fähig zu erhalten. Ein Verlust Oberschlesiens bedeutet für Bayern den in¬
dustriellen Tod.

Visher waren es in der Hauptsache Ruhr- und Saarkohlen, die Bayern
bei der Befriedigung des Kohleubedarfs geholfen haben, zu besonderen Zwecken
auch ausländische Kohle und nur zum kleinen Teile böhmische und schlesische,
während die eigene Erzeugung so gering war, daß sie nicht einmal zur Deckung
des Steinkohlenbedarfs der bayerischen Staatseisenbahn hinreichte. In Zukunft
wird Bayern aus dem Saar- und Nuhrkohlengebiet keine Zufuhren mehr erhalten
können; hat doch die Entente für Jahrzehnte die Ausbeutung dieser Gebiete für
sich mit Beschlag belegt. Das Ausland, selbst mit schwerer Kohlennot ringend,
wird für absehbare Zeiten keine Kohlen mehr ausführen können, und bei dem
Bestreben, die deutsche Volkswirtschaft nicht wieder auf die alte Höhe kommen zu
lassen, auch nicht wollen. Aus Böhmen bezog Bayern 8,t> Prozent seiner Stein-
kohlenemfuhr, 89,8 seiner Braunkohleneinfuhr, rund 41,4 seiner gesamten Kohlen¬
einfuhr. Durch den Ausfall der Ruhr- und Saarkohle in arge Verlegenheit ge¬
bracht, suchte es den Bezug aus Böhmen zu erhöhen, um wenigsten die bitterste


Nach vorstehenden Tabellen ist die Einfuhr aus Oberschlesien nach Bayern
in den mannigfachsten Produkten eine recht große gewesen, so daß ohne weiteres
ersichtlich ist, daß ein Verlust Oberschlesiens für Bayern den Verlust eines seiner
bedeutendsten Einfuhrt, netten bedeuten würde. Während Bayern auf manches in
Zukunft, wenn auch unter schwerer Schädigung weiter Kreise, verzichten müßte,
sich für vieles im eigenen und fremden Lande Ersatz schaffen und seine Produktion
mit Rücksicht auf die neue Lage anders einstellen müßte, wird es für Kohle und
Erze, falls nicht seine Industrie völlig zusammenbrechen soll, ausreichenden Ersatz
suchen müssen, den es nirgends anders wird erlangen können als in Oberschlesien.
Oberschlesien ist, wie auch die vorhergehenden Ausführungen gezeigt haben, infolge
seines enormen Reichtums an Kohle und Erzen durchaus in der Lage, einer weit
größeren Inanspruchnahme zu genügen. Eine Frage, die dabei sehr ins Gewicht
fällt, ist die der Güterbeförderungsmöglichkeit. Der Güterverkehr zwischen Bayern
und Oberschlesien hat bisher ausschließlich auf der Eisenbahn stattgefunden. Die
hohen Ablieferungen an Eisenbahmnaterial an die Entente werden für absehbare
Zeiten einem sehr verstärkten Güteraustausch zwischen Bayern und Oberschlesien
stark hindernd im Wege stehen. Immerhin ließe sich ein Ausweg schaffen durch
Verwirklichung des schon lange projektierten Wasserweges zwischen West- und Ost-
deutschland. Eine Vervollständigung des mitteldeutschen Kanalnetzes durch die
Verlängerung der mitteldeutschen Kanalstraße nach Osten, durch Anschluß der¬
selben an das Kohlengebiet des Ostens würde den Güterverkehr zwischen Bayern
und Oberschlesien wesentlich erleichtern und erheblich verbilligen.

Für das schlesische Kohlen- und Industriegebiet kann nur die Verlängerung
der vou Halle—Leipzig zur Werra. Fulda und zum Main führenden
Wasserstraße der sogenannten mitteldeutschen Kanalstraße nach Osten, also
nach der Obsrelbe und Oberoder die Verkehrsader nach Mitteldeutschland
öffnen und stärken. Die schlesische Kohlenindustrie kann ihr bisheriges Absatz¬
gebiet nach Sachsen und Bayern fraglos dadurch ganz ungeheuer erweitern. Die
gänzliche Umorientierung der einzelnen Landesteile des Reiches bezüglich ihrer
Bezugsquellen im Zusammenhang mit der Erkenntnis des großen Nutzens, denWasser-
straßen ini Güterverkehr haben, werden den so oft erwogenen und lange gehegten
Plan nunmehr zur Verwirklichung bringen müssen. Der Bau dieser Wasserstraßen
kann der Industrie und der Arbeiterbevölkerung nnr willkommen sein. Infolge
des großen Mangels an Rohstoffen und der gewaltigen Kvhlennot fehlt es überall
an Arbeit. Diese schwere Übergangszeit kaun mit der großen Fülle an Arbeit
und neuen industriellen Aufgaben, welche in dem Bau der Wasserstraßen geboten
wird, leicht und vorteilhaft überwunden werden, so daß die Kampfkraft des
deutschen Wirtschaftslebens sich allmählich wieder aufrichtet. Durch ein Verbleiben
Oberschlesiens beim Reiche böte sich demnach für Bayern die Möglichkeit, reichen
Ersatz für den Ausfall im Westen zu erlangen und dadurch seine Industrie arbeits-
fähig zu erhalten. Ein Verlust Oberschlesiens bedeutet für Bayern den in¬
dustriellen Tod.

Visher waren es in der Hauptsache Ruhr- und Saarkohlen, die Bayern
bei der Befriedigung des Kohleubedarfs geholfen haben, zu besonderen Zwecken
auch ausländische Kohle und nur zum kleinen Teile böhmische und schlesische,
während die eigene Erzeugung so gering war, daß sie nicht einmal zur Deckung
des Steinkohlenbedarfs der bayerischen Staatseisenbahn hinreichte. In Zukunft
wird Bayern aus dem Saar- und Nuhrkohlengebiet keine Zufuhren mehr erhalten
können; hat doch die Entente für Jahrzehnte die Ausbeutung dieser Gebiete für
sich mit Beschlag belegt. Das Ausland, selbst mit schwerer Kohlennot ringend,
wird für absehbare Zeiten keine Kohlen mehr ausführen können, und bei dem
Bestreben, die deutsche Volkswirtschaft nicht wieder auf die alte Höhe kommen zu
lassen, auch nicht wollen. Aus Böhmen bezog Bayern 8,t> Prozent seiner Stein-
kohlenemfuhr, 89,8 seiner Braunkohleneinfuhr, rund 41,4 seiner gesamten Kohlen¬
einfuhr. Durch den Ausfall der Ruhr- und Saarkohle in arge Verlegenheit ge¬
bracht, suchte es den Bezug aus Böhmen zu erhöhen, um wenigsten die bitterste


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[0184] Nach vorstehenden Tabellen ist die Einfuhr aus Oberschlesien nach Bayern in den mannigfachsten Produkten eine recht große gewesen, so daß ohne weiteres ersichtlich ist, daß ein Verlust Oberschlesiens für Bayern den Verlust eines seiner bedeutendsten Einfuhrt, netten bedeuten würde. Während Bayern auf manches in Zukunft, wenn auch unter schwerer Schädigung weiter Kreise, verzichten müßte, sich für vieles im eigenen und fremden Lande Ersatz schaffen und seine Produktion mit Rücksicht auf die neue Lage anders einstellen müßte, wird es für Kohle und Erze, falls nicht seine Industrie völlig zusammenbrechen soll, ausreichenden Ersatz suchen müssen, den es nirgends anders wird erlangen können als in Oberschlesien. Oberschlesien ist, wie auch die vorhergehenden Ausführungen gezeigt haben, infolge seines enormen Reichtums an Kohle und Erzen durchaus in der Lage, einer weit größeren Inanspruchnahme zu genügen. Eine Frage, die dabei sehr ins Gewicht fällt, ist die der Güterbeförderungsmöglichkeit. Der Güterverkehr zwischen Bayern und Oberschlesien hat bisher ausschließlich auf der Eisenbahn stattgefunden. Die hohen Ablieferungen an Eisenbahmnaterial an die Entente werden für absehbare Zeiten einem sehr verstärkten Güteraustausch zwischen Bayern und Oberschlesien stark hindernd im Wege stehen. Immerhin ließe sich ein Ausweg schaffen durch Verwirklichung des schon lange projektierten Wasserweges zwischen West- und Ost- deutschland. Eine Vervollständigung des mitteldeutschen Kanalnetzes durch die Verlängerung der mitteldeutschen Kanalstraße nach Osten, durch Anschluß der¬ selben an das Kohlengebiet des Ostens würde den Güterverkehr zwischen Bayern und Oberschlesien wesentlich erleichtern und erheblich verbilligen. Für das schlesische Kohlen- und Industriegebiet kann nur die Verlängerung der vou Halle—Leipzig zur Werra. Fulda und zum Main führenden Wasserstraße der sogenannten mitteldeutschen Kanalstraße nach Osten, also nach der Obsrelbe und Oberoder die Verkehrsader nach Mitteldeutschland öffnen und stärken. Die schlesische Kohlenindustrie kann ihr bisheriges Absatz¬ gebiet nach Sachsen und Bayern fraglos dadurch ganz ungeheuer erweitern. Die gänzliche Umorientierung der einzelnen Landesteile des Reiches bezüglich ihrer Bezugsquellen im Zusammenhang mit der Erkenntnis des großen Nutzens, denWasser- straßen ini Güterverkehr haben, werden den so oft erwogenen und lange gehegten Plan nunmehr zur Verwirklichung bringen müssen. Der Bau dieser Wasserstraßen kann der Industrie und der Arbeiterbevölkerung nnr willkommen sein. Infolge des großen Mangels an Rohstoffen und der gewaltigen Kvhlennot fehlt es überall an Arbeit. Diese schwere Übergangszeit kaun mit der großen Fülle an Arbeit und neuen industriellen Aufgaben, welche in dem Bau der Wasserstraßen geboten wird, leicht und vorteilhaft überwunden werden, so daß die Kampfkraft des deutschen Wirtschaftslebens sich allmählich wieder aufrichtet. Durch ein Verbleiben Oberschlesiens beim Reiche böte sich demnach für Bayern die Möglichkeit, reichen Ersatz für den Ausfall im Westen zu erlangen und dadurch seine Industrie arbeits- fähig zu erhalten. Ein Verlust Oberschlesiens bedeutet für Bayern den in¬ dustriellen Tod. Visher waren es in der Hauptsache Ruhr- und Saarkohlen, die Bayern bei der Befriedigung des Kohleubedarfs geholfen haben, zu besonderen Zwecken auch ausländische Kohle und nur zum kleinen Teile böhmische und schlesische, während die eigene Erzeugung so gering war, daß sie nicht einmal zur Deckung des Steinkohlenbedarfs der bayerischen Staatseisenbahn hinreichte. In Zukunft wird Bayern aus dem Saar- und Nuhrkohlengebiet keine Zufuhren mehr erhalten können; hat doch die Entente für Jahrzehnte die Ausbeutung dieser Gebiete für sich mit Beschlag belegt. Das Ausland, selbst mit schwerer Kohlennot ringend, wird für absehbare Zeiten keine Kohlen mehr ausführen können, und bei dem Bestreben, die deutsche Volkswirtschaft nicht wieder auf die alte Höhe kommen zu lassen, auch nicht wollen. Aus Böhmen bezog Bayern 8,t> Prozent seiner Stein- kohlenemfuhr, 89,8 seiner Braunkohleneinfuhr, rund 41,4 seiner gesamten Kohlen¬ einfuhr. Durch den Ausfall der Ruhr- und Saarkohle in arge Verlegenheit ge¬ bracht, suchte es den Bezug aus Böhmen zu erhöhen, um wenigsten die bitterste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/184>, abgerufen am 01.09.2024.