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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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[Beginn Spaltensatz]

Durchführung des Sprachengesetzes von 18L9,
das immer auf dem Papier blieb.

Die jetzigen Maßnahmen werden und
von befreundeter deutsch-ungarischer Seite
erklärt als Antwort auf den von der Entente
ausgeübten Druck, als eine Verbeugung
gegenüber den Christlich-Sozialen in Deutsch-
Österreich, zu denen sich die Fäden wieder
reicher spornen, als innerpolitische Ma߬
nahme zur Wahlpropaganda, da nur eine
auf breitester Grundlage zustande gekommene
Nationalversammlung nach dem Willen der
Entente über die Ratifikation des Friedens
abstimmen darf und man mitRecht Obstruktion
F. L, der Minoritäten fürchtet.

[Spaltenumbruch]

keit von allen Seiten "Franz-Josephs-Platz"
entgegen geschrien. Der Bürgermeister von
Bozen aber, Dr. Julius Perathoner, habe
geäußert: "Italien? Die italienische Frei¬
heit? Wir kennen sie nicht, wir wissen nichts
von ihr. Wir haben sie nie erfahren. Diese
ist Knechtschaft. Unter Österreich waren die
Südtiroler innerhalb unserer Grenzen vom
Brenner bis Saturn, von Toblach bis
Franzensfeste frei. Sagen Sie nicht ^,1to
^dixe (Oberetsch). Dieser Name ist eine
Erfindung des Herrn Tolomei. Er hat
niemals existiert. Sagen Sie Deutsch-Süd-
tirol. Ganz deutsch. Wir wollen unseren
Landtag. Wir wollen im eigenen Hause
befehlen, unsere eigenen Gesetze machen,
unsere eigenen Schulen haben. Unsere
Binder wohnen nördlich des Brenner, nicht
südlich von Salurn. Die Trentiner sind
unsere Feinde. Sie sind es immer gewesen
und werden es immer bleiben." Ojetti
warnt dann vor überstürzten Maßnahmen
sowohl wie vor unentschiedenen und halben
Lösungen und erzählt von dem Fall einer
deutschen Schule, die 143 deutsche und 141
italienische Zöglinge zählte. Als man sie
durch eine italienische Schule ersetzen wollte,
hat die ganze oder fast die ganze Bevölkerung
erklärt, daß die deutsche Schule vollkommen
genüge und dem italienischen Lehrer, der
eilfertig herbeigeschafft worden war, wurde
N. jede Unterkunft verweigert.

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Die Stimmung in Südtirol.

Im "Cor¬
ners della sera" vom 28. Dezember ver¬
öffentlicht Ugo Ojetti einen langen Artikel
über die Stimmung in Südtirol, dem man
die Bestürzung über die Ergebnisse seiner
Untersuchung, sowie das nugenscbeinlich be¬
sonders in norditalienischen Handelskreisen
starke Verlangen nach einer annehmbaren
Regelung der Verhältnisse deutlich anmerkt.
Die Treue der Südtiroler zu Österreich, zu
Franz Joseph und dem Kaiserhause grenze
an Verrücktheit. Der italienische Sieg würde
von den Tirolern lediglich als Magenfrage
betrachtet und das Land ^hielte nach wie vor
zu Österreich. Schon auf der Trambahn
habe man ihm mit unangenehmer Deutlich¬




Vücherschau

[Beginn Spaltensatz]

Wuldemar Oehlke, Geschichte der deutschen
Literatur. Bielefeld und Leipzig, Velhagen
u. Klasing, 1919, 442 S. Broschiert
10 Mark, geb. 18,60 Mark.

Der Verfasser, spricht auf Seite 421
seines gründlichen und gelungenen Werkes
die Vermutung aus, es werde eine kurz¬
gefaßte Literaturgeschichte eher von der Ju¬
gend als von dem reiferen Aller gelesen-
Zweifellos wird das im allgemeinen zu¬
treffen. Für sein Werk sei aber ausdrücklich

[Spaltenumbruch]

betont, daß es für jeden Kreis, für jede
Altersstufe geeignet ist, wenn sie darin nicht
allein Wegweiser, sondern vor allem eine
Anleitung zum selbständigen Erfassen einer
Dichterpersönlichkeit, eines Zeitabschnittes,
einer Einordnung in den gesamten Verlauf
der deutschen Literaturgeschichte und damit
in die Kulturgeschichte überhaupt suchen.
Denn das sind die beiden Hauptvorzüge
dieser trefflichen Arbeit, die sich damit als
unbedingt berechtigt zum Erscheinen be-

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Durchführung des Sprachengesetzes von 18L9,
das immer auf dem Papier blieb.

Die jetzigen Maßnahmen werden und
von befreundeter deutsch-ungarischer Seite
erklärt als Antwort auf den von der Entente
ausgeübten Druck, als eine Verbeugung
gegenüber den Christlich-Sozialen in Deutsch-
Österreich, zu denen sich die Fäden wieder
reicher spornen, als innerpolitische Ma߬
nahme zur Wahlpropaganda, da nur eine
auf breitester Grundlage zustande gekommene
Nationalversammlung nach dem Willen der
Entente über die Ratifikation des Friedens
abstimmen darf und man mitRecht Obstruktion
F. L, der Minoritäten fürchtet.

[Spaltenumbruch]

keit von allen Seiten „Franz-Josephs-Platz"
entgegen geschrien. Der Bürgermeister von
Bozen aber, Dr. Julius Perathoner, habe
geäußert: „Italien? Die italienische Frei¬
heit? Wir kennen sie nicht, wir wissen nichts
von ihr. Wir haben sie nie erfahren. Diese
ist Knechtschaft. Unter Österreich waren die
Südtiroler innerhalb unserer Grenzen vom
Brenner bis Saturn, von Toblach bis
Franzensfeste frei. Sagen Sie nicht ^,1to
^dixe (Oberetsch). Dieser Name ist eine
Erfindung des Herrn Tolomei. Er hat
niemals existiert. Sagen Sie Deutsch-Süd-
tirol. Ganz deutsch. Wir wollen unseren
Landtag. Wir wollen im eigenen Hause
befehlen, unsere eigenen Gesetze machen,
unsere eigenen Schulen haben. Unsere
Binder wohnen nördlich des Brenner, nicht
südlich von Salurn. Die Trentiner sind
unsere Feinde. Sie sind es immer gewesen
und werden es immer bleiben." Ojetti
warnt dann vor überstürzten Maßnahmen
sowohl wie vor unentschiedenen und halben
Lösungen und erzählt von dem Fall einer
deutschen Schule, die 143 deutsche und 141
italienische Zöglinge zählte. Als man sie
durch eine italienische Schule ersetzen wollte,
hat die ganze oder fast die ganze Bevölkerung
erklärt, daß die deutsche Schule vollkommen
genüge und dem italienischen Lehrer, der
eilfertig herbeigeschafft worden war, wurde
N. jede Unterkunft verweigert.

[Ende Spaltensatz]
Die Stimmung in Südtirol.

Im „Cor¬
ners della sera" vom 28. Dezember ver¬
öffentlicht Ugo Ojetti einen langen Artikel
über die Stimmung in Südtirol, dem man
die Bestürzung über die Ergebnisse seiner
Untersuchung, sowie das nugenscbeinlich be¬
sonders in norditalienischen Handelskreisen
starke Verlangen nach einer annehmbaren
Regelung der Verhältnisse deutlich anmerkt.
Die Treue der Südtiroler zu Österreich, zu
Franz Joseph und dem Kaiserhause grenze
an Verrücktheit. Der italienische Sieg würde
von den Tirolern lediglich als Magenfrage
betrachtet und das Land ^hielte nach wie vor
zu Österreich. Schon auf der Trambahn
habe man ihm mit unangenehmer Deutlich¬




Vücherschau

[Beginn Spaltensatz]

Wuldemar Oehlke, Geschichte der deutschen
Literatur. Bielefeld und Leipzig, Velhagen
u. Klasing, 1919, 442 S. Broschiert
10 Mark, geb. 18,60 Mark.

Der Verfasser, spricht auf Seite 421
seines gründlichen und gelungenen Werkes
die Vermutung aus, es werde eine kurz¬
gefaßte Literaturgeschichte eher von der Ju¬
gend als von dem reiferen Aller gelesen-
Zweifellos wird das im allgemeinen zu¬
treffen. Für sein Werk sei aber ausdrücklich

[Spaltenumbruch]

betont, daß es für jeden Kreis, für jede
Altersstufe geeignet ist, wenn sie darin nicht
allein Wegweiser, sondern vor allem eine
Anleitung zum selbständigen Erfassen einer
Dichterpersönlichkeit, eines Zeitabschnittes,
einer Einordnung in den gesamten Verlauf
der deutschen Literaturgeschichte und damit
in die Kulturgeschichte überhaupt suchen.
Denn das sind die beiden Hauptvorzüge
dieser trefflichen Arbeit, die sich damit als
unbedingt berechtigt zum Erscheinen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/140>, abgerufen am 22.12.2024.