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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

der verschärfte Belagerungszustand, der
deutschen Negierung zu: "Vergeht uns nicht!
Ihr habt uns ermahnt, unser Geschick mit
Würde zu tragen und uns in das Unver¬
meidliche zu fügen. Wir wollen es tun,
wir fügen uns, wir haben die feste Absicht,
loyale polnische Staatsbürger zu werden!
Aber unsere kulturellen und wirtschaftlichen
Errungenschaften wollen wir behalten, und
darin müßt ihr in Berlin, ihr Deutschen im
ganzen Reich, uns unterstützen! Nicht durch
Worte oder durch hirnlose Provozierende
Proteste, wie es jüngst in Berlin geschehen
ist. Unterstützt uns durch Taten! Das ist
unser Wunsch, unsere flehende Bitte. Und
die Regierung kann es tun, wenn sie nur
will. Da ist zum Beispiel nur die Frage
der Ausweisung, mit der viele Deutsche hier
im abzutretenden Gebiete rechnen müssen.
Sollte sie in großem Maßstabe einsetzen, so
hat die deutsche Regierung es in der Hand,
durch Gegenmaßregeln dem entgegenzuwirken.
Es leben viele Polen in Deutschland, denen
dasselbe Schicksal drohen müßte, selbst an
den Zehntausenden in den westlichen Industrie¬
gebieten dürfte man nicht vorübergehen, da
durch die Arbeitslosigkeit in Deutschland und
die baldig zu erwartende Rückkehr der Ge¬
fangenen Arbeitskräfte zum Ersatz vorhanden
sind. Die in Deutschland ausgewiesenen
Polen dürften wiederum das große Heer
der Polnischen Arbeitslosen vermehren und
dem polnischen Staate neue Lasten und neue
Sorgen bereiten. Im umgekehrten Falle
aber bitten wir die Regierung in Berlin,
ein wachsames Auge auf die vielen reaktio¬
nären höheren Beamten im deutschen Reich
zu richten, denen die von uns so oft ver¬
dammte Hakatistische Politik der früheren
Regierung so in Fleisch und Blut über¬
gegangen ist, daß sie sich noch heute nicht
von ihr frei machen können. Verurteilt
schonungslos jedes provozierende Verhalten
solcher Beamten gegen die Polen in Deutsch¬
land, so lange man uns hier in Ruhe
arbeiten läßt, zu unserem und zum Wohle
unseres neuen Vaterlandes. "Auge um
Auge. Zahn um Zahn,' aber nur. wenn
man uns hier im abzutretenden Gebiet zuerst
angreift! Wir haben Organisationen ge¬
schaffen, die geeignet sind, das gesamte

[Spaltenumbruch]

Deutschtum im Polenreich ohne Unterschied
der Parteien zu vertreten. Bleibt in Fühlung
mit diesen, hört auf unsere Wünsche, trefft
keine Maßnahmen, ohne uns zu fragen,
arbeitet mit uns Hand in Hand! Nur so
ist es möglich, unser Deutschtum zu wahren,
nur so könnt ihr uns wirklich helfen!*

Aber nicht nur Forderungen, auch Pflichten
haben wir der deutschen Regierung gegen¬
über. Die erste, vornehmste ist es, unser
Deutschtum zu beweisen. Dazu wird uns
die Gelegenheit bald geboten werden, kurze
Zeit nach der Übergabe werden die Wahlen
zur Stadtverordneten-Versammlung, und nur
wenig später die zum Polnischen Landtag
stattfinden. Gerne erkennen wir an, daß das
der Freiheit entspricht, die der Polnische Staat
seinen Landeskindern zu gewähren versprochen
hat, selbst wenn die Wahlen unter dem
verschärften Belagerungszustand vor sich
gehen sollten. Von den deutschen Parteien
werden gemeinschaftliche Listen aufgestellt
werden, die Auswahl der Kandidaten wird
auf demokratischer Grundlage geschehen, alle
Parteirichtungen und Berufsinteressen werden
vertreten sein. Da ist es unbedingte Pflicht
jedes Deutschen, nicht nur sein Wahlrecht
auszuüben, das ist so selbstverständlich, daß
es hier nicht einmal mehr ausgesprochen
werden dürfte, sondern auch, daß man tätig
ist für die Wahl, daß man Wahlarbeit leistet
für das Deutschtum. Etwa doch noch vor¬
handene Säumige müssen aufgerüttelt, Un¬
entschiedene bearbeitet werden. Und das ist
nicht nur Männerarbeit, auch Frauen müssen
sich hierbei betättgen. Die Wahlen werden
wie die deutschen nach dem System der
Verhältniswahlen stattfinden, das gleiche,
allgemeine, aktive und Passive Stimmrecht
haben auch die Frauen. Hier können wir
nun beweisen, daß wir der Unterstützung der
deutschen Negierung, der Hilfe aus allen
Teilen unseres einstigen Vaterlandes wert sind:

Wählt alle ohne Ausnahme deutsch, be¬
weist der deutschen Regierung, daß ihr wert
seid der Unterstützung, die wir fordern!

Siidostturopäi,che Nationalitätenpolitik.

Die ideologische Forderung des Minoritäten¬
gesetzes in den verschiedenen FriedenSdiklaten
war bislang nicht mit Unrecht als eine

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Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

der verschärfte Belagerungszustand, der
deutschen Negierung zu: „Vergeht uns nicht!
Ihr habt uns ermahnt, unser Geschick mit
Würde zu tragen und uns in das Unver¬
meidliche zu fügen. Wir wollen es tun,
wir fügen uns, wir haben die feste Absicht,
loyale polnische Staatsbürger zu werden!
Aber unsere kulturellen und wirtschaftlichen
Errungenschaften wollen wir behalten, und
darin müßt ihr in Berlin, ihr Deutschen im
ganzen Reich, uns unterstützen! Nicht durch
Worte oder durch hirnlose Provozierende
Proteste, wie es jüngst in Berlin geschehen
ist. Unterstützt uns durch Taten! Das ist
unser Wunsch, unsere flehende Bitte. Und
die Regierung kann es tun, wenn sie nur
will. Da ist zum Beispiel nur die Frage
der Ausweisung, mit der viele Deutsche hier
im abzutretenden Gebiete rechnen müssen.
Sollte sie in großem Maßstabe einsetzen, so
hat die deutsche Regierung es in der Hand,
durch Gegenmaßregeln dem entgegenzuwirken.
Es leben viele Polen in Deutschland, denen
dasselbe Schicksal drohen müßte, selbst an
den Zehntausenden in den westlichen Industrie¬
gebieten dürfte man nicht vorübergehen, da
durch die Arbeitslosigkeit in Deutschland und
die baldig zu erwartende Rückkehr der Ge¬
fangenen Arbeitskräfte zum Ersatz vorhanden
sind. Die in Deutschland ausgewiesenen
Polen dürften wiederum das große Heer
der Polnischen Arbeitslosen vermehren und
dem polnischen Staate neue Lasten und neue
Sorgen bereiten. Im umgekehrten Falle
aber bitten wir die Regierung in Berlin,
ein wachsames Auge auf die vielen reaktio¬
nären höheren Beamten im deutschen Reich
zu richten, denen die von uns so oft ver¬
dammte Hakatistische Politik der früheren
Regierung so in Fleisch und Blut über¬
gegangen ist, daß sie sich noch heute nicht
von ihr frei machen können. Verurteilt
schonungslos jedes provozierende Verhalten
solcher Beamten gegen die Polen in Deutsch¬
land, so lange man uns hier in Ruhe
arbeiten läßt, zu unserem und zum Wohle
unseres neuen Vaterlandes. „Auge um
Auge. Zahn um Zahn,' aber nur. wenn
man uns hier im abzutretenden Gebiet zuerst
angreift! Wir haben Organisationen ge¬
schaffen, die geeignet sind, das gesamte

[Spaltenumbruch]

Deutschtum im Polenreich ohne Unterschied
der Parteien zu vertreten. Bleibt in Fühlung
mit diesen, hört auf unsere Wünsche, trefft
keine Maßnahmen, ohne uns zu fragen,
arbeitet mit uns Hand in Hand! Nur so
ist es möglich, unser Deutschtum zu wahren,
nur so könnt ihr uns wirklich helfen!*

Aber nicht nur Forderungen, auch Pflichten
haben wir der deutschen Regierung gegen¬
über. Die erste, vornehmste ist es, unser
Deutschtum zu beweisen. Dazu wird uns
die Gelegenheit bald geboten werden, kurze
Zeit nach der Übergabe werden die Wahlen
zur Stadtverordneten-Versammlung, und nur
wenig später die zum Polnischen Landtag
stattfinden. Gerne erkennen wir an, daß das
der Freiheit entspricht, die der Polnische Staat
seinen Landeskindern zu gewähren versprochen
hat, selbst wenn die Wahlen unter dem
verschärften Belagerungszustand vor sich
gehen sollten. Von den deutschen Parteien
werden gemeinschaftliche Listen aufgestellt
werden, die Auswahl der Kandidaten wird
auf demokratischer Grundlage geschehen, alle
Parteirichtungen und Berufsinteressen werden
vertreten sein. Da ist es unbedingte Pflicht
jedes Deutschen, nicht nur sein Wahlrecht
auszuüben, das ist so selbstverständlich, daß
es hier nicht einmal mehr ausgesprochen
werden dürfte, sondern auch, daß man tätig
ist für die Wahl, daß man Wahlarbeit leistet
für das Deutschtum. Etwa doch noch vor¬
handene Säumige müssen aufgerüttelt, Un¬
entschiedene bearbeitet werden. Und das ist
nicht nur Männerarbeit, auch Frauen müssen
sich hierbei betättgen. Die Wahlen werden
wie die deutschen nach dem System der
Verhältniswahlen stattfinden, das gleiche,
allgemeine, aktive und Passive Stimmrecht
haben auch die Frauen. Hier können wir
nun beweisen, daß wir der Unterstützung der
deutschen Negierung, der Hilfe aus allen
Teilen unseres einstigen Vaterlandes wert sind:

Wählt alle ohne Ausnahme deutsch, be¬
weist der deutschen Regierung, daß ihr wert
seid der Unterstützung, die wir fordern!

Siidostturopäi,che Nationalitätenpolitik.

Die ideologische Forderung des Minoritäten¬
gesetzes in den verschiedenen FriedenSdiklaten
war bislang nicht mit Unrecht als eine

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[0138] Drinnen und draußen der verschärfte Belagerungszustand, der deutschen Negierung zu: „Vergeht uns nicht! Ihr habt uns ermahnt, unser Geschick mit Würde zu tragen und uns in das Unver¬ meidliche zu fügen. Wir wollen es tun, wir fügen uns, wir haben die feste Absicht, loyale polnische Staatsbürger zu werden! Aber unsere kulturellen und wirtschaftlichen Errungenschaften wollen wir behalten, und darin müßt ihr in Berlin, ihr Deutschen im ganzen Reich, uns unterstützen! Nicht durch Worte oder durch hirnlose Provozierende Proteste, wie es jüngst in Berlin geschehen ist. Unterstützt uns durch Taten! Das ist unser Wunsch, unsere flehende Bitte. Und die Regierung kann es tun, wenn sie nur will. Da ist zum Beispiel nur die Frage der Ausweisung, mit der viele Deutsche hier im abzutretenden Gebiete rechnen müssen. Sollte sie in großem Maßstabe einsetzen, so hat die deutsche Regierung es in der Hand, durch Gegenmaßregeln dem entgegenzuwirken. Es leben viele Polen in Deutschland, denen dasselbe Schicksal drohen müßte, selbst an den Zehntausenden in den westlichen Industrie¬ gebieten dürfte man nicht vorübergehen, da durch die Arbeitslosigkeit in Deutschland und die baldig zu erwartende Rückkehr der Ge¬ fangenen Arbeitskräfte zum Ersatz vorhanden sind. Die in Deutschland ausgewiesenen Polen dürften wiederum das große Heer der Polnischen Arbeitslosen vermehren und dem polnischen Staate neue Lasten und neue Sorgen bereiten. Im umgekehrten Falle aber bitten wir die Regierung in Berlin, ein wachsames Auge auf die vielen reaktio¬ nären höheren Beamten im deutschen Reich zu richten, denen die von uns so oft ver¬ dammte Hakatistische Politik der früheren Regierung so in Fleisch und Blut über¬ gegangen ist, daß sie sich noch heute nicht von ihr frei machen können. Verurteilt schonungslos jedes provozierende Verhalten solcher Beamten gegen die Polen in Deutsch¬ land, so lange man uns hier in Ruhe arbeiten läßt, zu unserem und zum Wohle unseres neuen Vaterlandes. „Auge um Auge. Zahn um Zahn,' aber nur. wenn man uns hier im abzutretenden Gebiet zuerst angreift! Wir haben Organisationen ge¬ schaffen, die geeignet sind, das gesamte Deutschtum im Polenreich ohne Unterschied der Parteien zu vertreten. Bleibt in Fühlung mit diesen, hört auf unsere Wünsche, trefft keine Maßnahmen, ohne uns zu fragen, arbeitet mit uns Hand in Hand! Nur so ist es möglich, unser Deutschtum zu wahren, nur so könnt ihr uns wirklich helfen!* Aber nicht nur Forderungen, auch Pflichten haben wir der deutschen Regierung gegen¬ über. Die erste, vornehmste ist es, unser Deutschtum zu beweisen. Dazu wird uns die Gelegenheit bald geboten werden, kurze Zeit nach der Übergabe werden die Wahlen zur Stadtverordneten-Versammlung, und nur wenig später die zum Polnischen Landtag stattfinden. Gerne erkennen wir an, daß das der Freiheit entspricht, die der Polnische Staat seinen Landeskindern zu gewähren versprochen hat, selbst wenn die Wahlen unter dem verschärften Belagerungszustand vor sich gehen sollten. Von den deutschen Parteien werden gemeinschaftliche Listen aufgestellt werden, die Auswahl der Kandidaten wird auf demokratischer Grundlage geschehen, alle Parteirichtungen und Berufsinteressen werden vertreten sein. Da ist es unbedingte Pflicht jedes Deutschen, nicht nur sein Wahlrecht auszuüben, das ist so selbstverständlich, daß es hier nicht einmal mehr ausgesprochen werden dürfte, sondern auch, daß man tätig ist für die Wahl, daß man Wahlarbeit leistet für das Deutschtum. Etwa doch noch vor¬ handene Säumige müssen aufgerüttelt, Un¬ entschiedene bearbeitet werden. Und das ist nicht nur Männerarbeit, auch Frauen müssen sich hierbei betättgen. Die Wahlen werden wie die deutschen nach dem System der Verhältniswahlen stattfinden, das gleiche, allgemeine, aktive und Passive Stimmrecht haben auch die Frauen. Hier können wir nun beweisen, daß wir der Unterstützung der deutschen Negierung, der Hilfe aus allen Teilen unseres einstigen Vaterlandes wert sind: Wählt alle ohne Ausnahme deutsch, be¬ weist der deutschen Regierung, daß ihr wert seid der Unterstützung, die wir fordern! Siidostturopäi,che Nationalitätenpolitik. Die ideologische Forderung des Minoritäten¬ gesetzes in den verschiedenen FriedenSdiklaten war bislang nicht mit Unrecht als eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/138>, abgerufen am 01.09.2024.