Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Drinnen und draußen Drinnen urd draußen [Beginn Spaltensatz] Deutschtum in Masuren. Nach Abfassung besonders groß in Dortmund und Geisen- - Unser Verhältnis zu den Deutschen in Pole". In einem beachtenswerten Abschieds¬ Das sind Worte, schöne und große Worts, Drinnen und draußen Drinnen urd draußen [Beginn Spaltensatz] Deutschtum in Masuren. Nach Abfassung besonders groß in Dortmund und Geisen- - Unser Verhältnis zu den Deutschen in Pole«. In einem beachtenswerten Abschieds¬ Das sind Worte, schöne und große Worts, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336982"/> <fw type="header" place="top"> Drinnen und draußen</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Drinnen urd draußen</head><lb/> <cb type="start"/> <div n="2"> <head> Deutschtum in Masuren.</head> <p xml:id="ID_440" next="#ID_441"> Nach Abfassung<lb/> meines Aufsatzes über „Die wirtschaftliche<lb/> Bedeutung der Abstimmungsgebiete in Ur. 2,<lb/> wurden mir die Angaben über die Nationalität<lb/> der Nbstimmungstreisein Ost-und Westpreußsn<lb/> nach der Zahlung vom 1. Dezember 1910<lb/> zugänglich gemacht. Danach hat das Deutsch¬<lb/> tum in Masuren seit 1905, auf welches Jahr<lb/> sich die im Aufsatz mitgeteilten Verhältnis-<lb/> zahlen beziehen, sehr betrübliche Fortschritte<lb/> gemacht. Der Prozentsatz polnisch (bzw. ma-<lb/> surisch) sprechender Bewohner ist im Kreise<lb/> Ortelsburg von 76 auf 69, in Neidenbmg<lb/> von 70 auf 63, in Johamüsburg von 7»<lb/> auf 67, in Lyck von 56 auf 50, in Sens¬<lb/> burg von 54 auf 50 gefallen, so daß sich in<lb/> Lyck und Ssnsburg 1910 die beiden Natio¬<lb/> nalitäten die Wage hielten. Das Verhältnis<lb/> der Deutschen ist in Altenstein von 51 auf<lb/> 57, in Osterode, von 54 auf 59, in Lätzen<lb/> von 58 auf 66, in Rössel von 85 auf 86<lb/> gestiegen. Über die Verhältnisse im Kreise<lb/> Oletzto, der ja zum Regierungsbezirk Gum-<lb/> binnen gehört, konnte ich keine neuen An¬<lb/> gaben erhalten. Von den westpreußischen<lb/> Kreisen ist nach der Zählung von 1910<lb/> Rosenberg jetzt zu 93, Marienwerder zu 63<lb/> v. H. deutsch, nährend das Verhältnis in<lb/> Murienburg und Stuhm daS gleiche geblieben<lb/> ist. lind dabei ist von Marienburg und<lb/> Marienwerder der größere Teil bereits zu<lb/> Polen geschlagen worden! Wie groß die<lb/> Zahl der im rheinisch-westfälischen Industrie¬<lb/> gebiet lebenden Personen aus dein Ab¬<lb/> stimmungsgebiet bereits 1910 war, ergibt<lb/> sich aus folgenden Angaben. Im gesamten<lb/> Industriegebiet lebten danach 218 369 Ost-<lb/> Preußen, 94 714 Westpreußen, 153 187 Po-<lb/> sener und 31301 aus dem Bezirk Oppeln.<lb/> Die größere Hälfte der Ostpreußen stammt<lb/> ohne Zweifel aus Masuren, das von jeher<lb/> dem Kohlengebiet weit mehr Arbeiter zu¬<lb/> gesandt hat, als die höher entwickelte Nord¬<lb/> hälfte der Provinzen. In den Kreisen<lb/> Gelsenkirchen (Stadt und Land) lebten 40815,<lb/> in den Kreisen Dortmund 22 323, in<lb/> Bochum 11235, in Recklinghausen 15 265,<lb/> in Buer 10 415, in Duisburg 5055 Ost-<lb/> Preußen. Die Zahl der Ooerschlefier war</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_441" prev="#ID_440"> besonders groß in Dortmund und Geisen- -<lb/> kirchen. Als Polnisch Sprechende wurden im<lb/> ganzen 247 023 bezeichnet, darunter nur<lb/><note type="byline"> W. halbfaß</note> 20 412 aus Ostpreußen. </p> </div> <div n="2"> <head> Unser Verhältnis zu den Deutschen in</head><lb/> </div> <div n="2"> <head> Pole«. </head> <p xml:id="ID_442"> In einem beachtenswerten Abschieds¬<lb/> artikel schreibt die „Thorner Zeitung" vom<lb/> 18. Januar: „Gott schütze Westpreußenl"<lb/> DaS sind die letzten Worte in dem KorpS-<lb/> befehl des Befehlshabers, mit dem er sich<lb/> von den deutschen Teilen Westpreutzens<lb/> verabschiedet, die an Polen fallen. Wir<lb/> werden Wünsche brauchen können, aber auch<lb/> Taten. In Berlin weiß man von den<lb/> Röten der Bevölkerung im abzutretenden<lb/> Geoiet nichts oder will nichts wissen. Die<lb/> NeichSregierung erließ einen Aufruf, in dem<lb/> sie anerkennt, daß uns hartes Unrecht ge¬<lb/> schieht, da uns das Recht der Selbstbestim¬<lb/> mung versagt geblieben ist, und drückt die<lb/> Hoffnung aus, daß auch uns eines Tages<lb/> dieses nationale Grundrecht zugesprochen<lb/> werden wird. Zum Schluß wird uns zu¬<lb/> gerufen: „Treue um Treue! Für das<lb/> Recht unseres Volkstums wollen wir mit¬<lb/> einander einstehen alle Zeit und mit ganzer<lb/> Kraft."</p> <p xml:id="ID_443" next="#ID_444"> Das sind Worte, schöne und große Worts,<lb/> aber auch nichts mehr als Worte. Als die<lb/> Frage der Gleichstellung der polnischen<lb/> Valuta mit der deutschen auftauchte, wandten<lb/> sich viele deutsche Kaufleute an das Berliner<lb/> Auswärtige Amt mit der Bitte um Hilfe<lb/> oder Gegenmaßregeln. Denn die Gleich¬<lb/> stellung der polnischen Mark mit der deutschen<lb/> wird besonders bei Hhpothekenrsgelnngen die<lb/> schwersten nachteiligen Folgen nicht nur für<lb/> Deutsche, sondern natürlich ebenso auch für<lb/> Polen haben. Aber es geschah nichts zum<lb/> Schutze des deutschen Eigentums, man hat<lb/> uns auf dem verlorenen Posten aufgegeben!<lb/> In bitterer Scham müssen wir eS gestehen,<lb/> nicht nur bei dieser einen, sondern auch bei<lb/> so vielen anderen Gelegenheiten zeigte es<lb/> sich, daß man uns vergessen halt Und darum<lb/> rufen wir heute, wo wir eS vielleicht zum<lb/> letztenmal noch öffentlich tun dürfen, denn<lb/> morgen kommen die Polen und mit ihnen</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Drinnen und draußen
Drinnen urd draußen
Deutschtum in Masuren. Nach Abfassung
meines Aufsatzes über „Die wirtschaftliche
Bedeutung der Abstimmungsgebiete in Ur. 2,
wurden mir die Angaben über die Nationalität
der Nbstimmungstreisein Ost-und Westpreußsn
nach der Zahlung vom 1. Dezember 1910
zugänglich gemacht. Danach hat das Deutsch¬
tum in Masuren seit 1905, auf welches Jahr
sich die im Aufsatz mitgeteilten Verhältnis-
zahlen beziehen, sehr betrübliche Fortschritte
gemacht. Der Prozentsatz polnisch (bzw. ma-
surisch) sprechender Bewohner ist im Kreise
Ortelsburg von 76 auf 69, in Neidenbmg
von 70 auf 63, in Johamüsburg von 7»
auf 67, in Lyck von 56 auf 50, in Sens¬
burg von 54 auf 50 gefallen, so daß sich in
Lyck und Ssnsburg 1910 die beiden Natio¬
nalitäten die Wage hielten. Das Verhältnis
der Deutschen ist in Altenstein von 51 auf
57, in Osterode, von 54 auf 59, in Lätzen
von 58 auf 66, in Rössel von 85 auf 86
gestiegen. Über die Verhältnisse im Kreise
Oletzto, der ja zum Regierungsbezirk Gum-
binnen gehört, konnte ich keine neuen An¬
gaben erhalten. Von den westpreußischen
Kreisen ist nach der Zählung von 1910
Rosenberg jetzt zu 93, Marienwerder zu 63
v. H. deutsch, nährend das Verhältnis in
Murienburg und Stuhm daS gleiche geblieben
ist. lind dabei ist von Marienburg und
Marienwerder der größere Teil bereits zu
Polen geschlagen worden! Wie groß die
Zahl der im rheinisch-westfälischen Industrie¬
gebiet lebenden Personen aus dein Ab¬
stimmungsgebiet bereits 1910 war, ergibt
sich aus folgenden Angaben. Im gesamten
Industriegebiet lebten danach 218 369 Ost-
Preußen, 94 714 Westpreußen, 153 187 Po-
sener und 31301 aus dem Bezirk Oppeln.
Die größere Hälfte der Ostpreußen stammt
ohne Zweifel aus Masuren, das von jeher
dem Kohlengebiet weit mehr Arbeiter zu¬
gesandt hat, als die höher entwickelte Nord¬
hälfte der Provinzen. In den Kreisen
Gelsenkirchen (Stadt und Land) lebten 40815,
in den Kreisen Dortmund 22 323, in
Bochum 11235, in Recklinghausen 15 265,
in Buer 10 415, in Duisburg 5055 Ost-
Preußen. Die Zahl der Ooerschlefier war
besonders groß in Dortmund und Geisen- -
kirchen. Als Polnisch Sprechende wurden im
ganzen 247 023 bezeichnet, darunter nur
W. halbfaß 20 412 aus Ostpreußen.
Unser Verhältnis zu den Deutschen in
Pole«. In einem beachtenswerten Abschieds¬
artikel schreibt die „Thorner Zeitung" vom
18. Januar: „Gott schütze Westpreußenl"
DaS sind die letzten Worte in dem KorpS-
befehl des Befehlshabers, mit dem er sich
von den deutschen Teilen Westpreutzens
verabschiedet, die an Polen fallen. Wir
werden Wünsche brauchen können, aber auch
Taten. In Berlin weiß man von den
Röten der Bevölkerung im abzutretenden
Geoiet nichts oder will nichts wissen. Die
NeichSregierung erließ einen Aufruf, in dem
sie anerkennt, daß uns hartes Unrecht ge¬
schieht, da uns das Recht der Selbstbestim¬
mung versagt geblieben ist, und drückt die
Hoffnung aus, daß auch uns eines Tages
dieses nationale Grundrecht zugesprochen
werden wird. Zum Schluß wird uns zu¬
gerufen: „Treue um Treue! Für das
Recht unseres Volkstums wollen wir mit¬
einander einstehen alle Zeit und mit ganzer
Kraft."
Das sind Worte, schöne und große Worts,
aber auch nichts mehr als Worte. Als die
Frage der Gleichstellung der polnischen
Valuta mit der deutschen auftauchte, wandten
sich viele deutsche Kaufleute an das Berliner
Auswärtige Amt mit der Bitte um Hilfe
oder Gegenmaßregeln. Denn die Gleich¬
stellung der polnischen Mark mit der deutschen
wird besonders bei Hhpothekenrsgelnngen die
schwersten nachteiligen Folgen nicht nur für
Deutsche, sondern natürlich ebenso auch für
Polen haben. Aber es geschah nichts zum
Schutze des deutschen Eigentums, man hat
uns auf dem verlorenen Posten aufgegeben!
In bitterer Scham müssen wir eS gestehen,
nicht nur bei dieser einen, sondern auch bei
so vielen anderen Gelegenheiten zeigte es
sich, daß man uns vergessen halt Und darum
rufen wir heute, wo wir eS vielleicht zum
letztenmal noch öffentlich tun dürfen, denn
morgen kommen die Polen und mit ihnen
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