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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Bücherschau

Bücherschau

[Beginn Spaltensatz]
Beirievswissenschaft von Und. Dietrich, S0 l S.
Verlag von Duncker und Humblot, München
und Leipzig, 1914.

Ein Werk aus der Praxis für die Praxis,
"in wertvolles Stück Arbeit in unserer volks¬
wirtschaftlichen Literatur. Das ist das End¬
urteil nach eingehendem Studium des um¬
fangreichen Bandes. Dietrich verfällt nicht
in den Fehler eines trockenen Vortrages,
aufgebaut auf einer verkalkten Dogmenlehre,
sondern frisch reiht sich Gedanke an Gedanke
in scharf logischer Folge. Die Arbeit ist
1914 erschienen, aber keinesfalls veraltet.
Mit dem Verfasser durchwandert man die
Wissenschaft vom Wesen, Bau und Innen¬
leben der Betriebe -- Betriebswissenschast. --
Im ersten Teil werden Weh^n und Arten
der Betriebe eingehend behandelt; der Betrieb
wird als eine in sich selbständig tätige, sach¬
lich und persönlich beüimmte Einheit dar¬
gestellt. Der zweite Teil enthält den Bau
und die Gliederung der Betriebskörper.
Zunächst werden die wirtschaftlichen Ver¬
hältnisse untersucht und dabei besonders auch
die Zusammenhänge zwischen Betrieb und
neuem Boden berücksichtigt. Alsdann folgt
eine Darstellung der räumlich-sachlich äußeren
und inneren Ausgestaltung, Gliederung und
Ausrüstung und der Persönlichen Gliederung,
Gattungen und Arten der Persönlichen Glieder.
Im dritten Teil wird das Innenleben der
Betriebe: "die Arbeit" untersucht. Betriebs¬
leben ist Arbeit, so sagt der Verfasser, eine
Summe, die sich aus Teilen und umfassen¬
den Arbeiten zusammensetzt. Eine Übersicht
sammelt das Gemeinsame aller Betriebs¬
arbeiten (die Grunderfordernisse, die all¬
gemeinen und besonderen wirtschaftlichen
Wahrheiten neben den technischen) und ordnet
die Gesamtheit in Arten und Gruppen.
Der Arbeitszeit als allgemeinem Maß und
dem Arbeitsertrag als allgemeinem Zweck der
Betriebsarbeiten wird ein breiter Raum
gewährt. Dem Ertrag stellt der Verfasser
in logischer Folge den Aufwand oder die
Kosten gegenüber, die durch sachliche und
persönliche Anspruchskreise verursacht werden.
Die allgemeinen Ansprüche der persönlichen
Mitarbeiterschaft an den Betciebsertrag oder

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ihre Betriebskosten, also die Arbeitslöhne,
werden nach verschiedenen Seiten hin unter¬
sucht. Es wird die Frage aufgeworfen, ob
jeder, um es ganz einfach auszudrücken, auch
jederzeit genug bekommt. D"bei weist der
Verfasser darauf hin, daß das Marktgesetz
die Lohnbildung im allgemeinen noch be¬
herrscht, jedoch immer mehr verengert wird.
Durch den Abschluß von kollektiven Arbeits¬
verträgen würde dieses von den Sozial¬
reformen scharf befehdete Gesetz überwunden,
ja ausgeschaltet werden. Die Prognose
stimmt. Wir sehen, wie heute -- 1920 -- bei
den Tarifvertragsverhandlungen die Lebens¬
haltungskosten für die Festsetzung der Löhne
und Gehälter maßgebend sind, dagegen das
Gesetz von Angebot und Nachfrage fast ganz
in den Hintergrund getreten ist. Der Ver¬
fasser will als Aufgabe des wirtschaftlich-
sozialen Wesens "Betrieb" u. a. die Siche¬
rung eines gesunden und würdigen häuslichen
und bürgerlichen Lebens der persönlichen Mit¬
arbeiter anerkannt wissen. Ein erhaltens-
wertes Leben der einzelnen Lohnempfänger
und des gesellschaftlichen Ganzen soll das
Ziel sein. In den Eigenheiten und An¬
sprüchen deS erhaltenswerten Lebens wurzeln
nur die ersten lohnbestimmenden Tatsachen.
Das Leben fordert erstens Unterhalt, zweitens
Leistungen; beide müssen die Lohnhöhe be¬
stimmen. Verfasser betont, daß die Jugend
aus erzieherischen Gründen knapp gehalten
werden müsse, ihr soll gegeben werden,
was sie wirklich braucht, nicht aber mehr.
Leute in den ersten zwanziger Jahren hoch
zu bezahlen und an verantwortungsreiche
Stellen zu setzen, sei ein Unfug, dem die
schärfste Verurteilung gebühre. Zu kurz
behandelt ist leider das Moment der Leistung;
denn heute kommt es doch mehr denn je
darauf an, durch Würdigung des Grund¬
satzes: "Bezahlung nach der Leistung" eine
hochwertige Produktion zu fördern. Dieses
Moment muß ein mitbestimmender, ja der
ausschlaggebende Faktor bei der Lohn- und
Gehaltsregelung sein; das soziale Gewissen
braucht dabei nicht im geringsten eingeschnürt
zu werden. Die Betriebsleitung ist Gegen¬
stand eines besonderen Teiles. Die Forschung

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Beirievswissenschaft von Und. Dietrich, S0 l S.
Verlag von Duncker und Humblot, München
und Leipzig, 1914.

Ein Werk aus der Praxis für die Praxis,
«in wertvolles Stück Arbeit in unserer volks¬
wirtschaftlichen Literatur. Das ist das End¬
urteil nach eingehendem Studium des um¬
fangreichen Bandes. Dietrich verfällt nicht
in den Fehler eines trockenen Vortrages,
aufgebaut auf einer verkalkten Dogmenlehre,
sondern frisch reiht sich Gedanke an Gedanke
in scharf logischer Folge. Die Arbeit ist
1914 erschienen, aber keinesfalls veraltet.
Mit dem Verfasser durchwandert man die
Wissenschaft vom Wesen, Bau und Innen¬
leben der Betriebe — Betriebswissenschast. —
Im ersten Teil werden Weh^n und Arten
der Betriebe eingehend behandelt; der Betrieb
wird als eine in sich selbständig tätige, sach¬
lich und persönlich beüimmte Einheit dar¬
gestellt. Der zweite Teil enthält den Bau
und die Gliederung der Betriebskörper.
Zunächst werden die wirtschaftlichen Ver¬
hältnisse untersucht und dabei besonders auch
die Zusammenhänge zwischen Betrieb und
neuem Boden berücksichtigt. Alsdann folgt
eine Darstellung der räumlich-sachlich äußeren
und inneren Ausgestaltung, Gliederung und
Ausrüstung und der Persönlichen Gliederung,
Gattungen und Arten der Persönlichen Glieder.
Im dritten Teil wird das Innenleben der
Betriebe: „die Arbeit" untersucht. Betriebs¬
leben ist Arbeit, so sagt der Verfasser, eine
Summe, die sich aus Teilen und umfassen¬
den Arbeiten zusammensetzt. Eine Übersicht
sammelt das Gemeinsame aller Betriebs¬
arbeiten (die Grunderfordernisse, die all¬
gemeinen und besonderen wirtschaftlichen
Wahrheiten neben den technischen) und ordnet
die Gesamtheit in Arten und Gruppen.
Der Arbeitszeit als allgemeinem Maß und
dem Arbeitsertrag als allgemeinem Zweck der
Betriebsarbeiten wird ein breiter Raum
gewährt. Dem Ertrag stellt der Verfasser
in logischer Folge den Aufwand oder die
Kosten gegenüber, die durch sachliche und
persönliche Anspruchskreise verursacht werden.
Die allgemeinen Ansprüche der persönlichen
Mitarbeiterschaft an den Betciebsertrag oder

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ihre Betriebskosten, also die Arbeitslöhne,
werden nach verschiedenen Seiten hin unter¬
sucht. Es wird die Frage aufgeworfen, ob
jeder, um es ganz einfach auszudrücken, auch
jederzeit genug bekommt. D»bei weist der
Verfasser darauf hin, daß das Marktgesetz
die Lohnbildung im allgemeinen noch be¬
herrscht, jedoch immer mehr verengert wird.
Durch den Abschluß von kollektiven Arbeits¬
verträgen würde dieses von den Sozial¬
reformen scharf befehdete Gesetz überwunden,
ja ausgeschaltet werden. Die Prognose
stimmt. Wir sehen, wie heute — 1920 — bei
den Tarifvertragsverhandlungen die Lebens¬
haltungskosten für die Festsetzung der Löhne
und Gehälter maßgebend sind, dagegen das
Gesetz von Angebot und Nachfrage fast ganz
in den Hintergrund getreten ist. Der Ver¬
fasser will als Aufgabe des wirtschaftlich-
sozialen Wesens „Betrieb" u. a. die Siche¬
rung eines gesunden und würdigen häuslichen
und bürgerlichen Lebens der persönlichen Mit¬
arbeiter anerkannt wissen. Ein erhaltens-
wertes Leben der einzelnen Lohnempfänger
und des gesellschaftlichen Ganzen soll das
Ziel sein. In den Eigenheiten und An¬
sprüchen deS erhaltenswerten Lebens wurzeln
nur die ersten lohnbestimmenden Tatsachen.
Das Leben fordert erstens Unterhalt, zweitens
Leistungen; beide müssen die Lohnhöhe be¬
stimmen. Verfasser betont, daß die Jugend
aus erzieherischen Gründen knapp gehalten
werden müsse, ihr soll gegeben werden,
was sie wirklich braucht, nicht aber mehr.
Leute in den ersten zwanziger Jahren hoch
zu bezahlen und an verantwortungsreiche
Stellen zu setzen, sei ein Unfug, dem die
schärfste Verurteilung gebühre. Zu kurz
behandelt ist leider das Moment der Leistung;
denn heute kommt es doch mehr denn je
darauf an, durch Würdigung des Grund¬
satzes: „Bezahlung nach der Leistung" eine
hochwertige Produktion zu fördern. Dieses
Moment muß ein mitbestimmender, ja der
ausschlaggebende Faktor bei der Lohn- und
Gehaltsregelung sein; das soziale Gewissen
braucht dabei nicht im geringsten eingeschnürt
zu werden. Die Betriebsleitung ist Gegen¬
stand eines besonderen Teiles. Die Forschung

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[0108] Bücherschau Bücherschau Beirievswissenschaft von Und. Dietrich, S0 l S. Verlag von Duncker und Humblot, München und Leipzig, 1914. Ein Werk aus der Praxis für die Praxis, «in wertvolles Stück Arbeit in unserer volks¬ wirtschaftlichen Literatur. Das ist das End¬ urteil nach eingehendem Studium des um¬ fangreichen Bandes. Dietrich verfällt nicht in den Fehler eines trockenen Vortrages, aufgebaut auf einer verkalkten Dogmenlehre, sondern frisch reiht sich Gedanke an Gedanke in scharf logischer Folge. Die Arbeit ist 1914 erschienen, aber keinesfalls veraltet. Mit dem Verfasser durchwandert man die Wissenschaft vom Wesen, Bau und Innen¬ leben der Betriebe — Betriebswissenschast. — Im ersten Teil werden Weh^n und Arten der Betriebe eingehend behandelt; der Betrieb wird als eine in sich selbständig tätige, sach¬ lich und persönlich beüimmte Einheit dar¬ gestellt. Der zweite Teil enthält den Bau und die Gliederung der Betriebskörper. Zunächst werden die wirtschaftlichen Ver¬ hältnisse untersucht und dabei besonders auch die Zusammenhänge zwischen Betrieb und neuem Boden berücksichtigt. Alsdann folgt eine Darstellung der räumlich-sachlich äußeren und inneren Ausgestaltung, Gliederung und Ausrüstung und der Persönlichen Gliederung, Gattungen und Arten der Persönlichen Glieder. Im dritten Teil wird das Innenleben der Betriebe: „die Arbeit" untersucht. Betriebs¬ leben ist Arbeit, so sagt der Verfasser, eine Summe, die sich aus Teilen und umfassen¬ den Arbeiten zusammensetzt. Eine Übersicht sammelt das Gemeinsame aller Betriebs¬ arbeiten (die Grunderfordernisse, die all¬ gemeinen und besonderen wirtschaftlichen Wahrheiten neben den technischen) und ordnet die Gesamtheit in Arten und Gruppen. Der Arbeitszeit als allgemeinem Maß und dem Arbeitsertrag als allgemeinem Zweck der Betriebsarbeiten wird ein breiter Raum gewährt. Dem Ertrag stellt der Verfasser in logischer Folge den Aufwand oder die Kosten gegenüber, die durch sachliche und persönliche Anspruchskreise verursacht werden. Die allgemeinen Ansprüche der persönlichen Mitarbeiterschaft an den Betciebsertrag oder ihre Betriebskosten, also die Arbeitslöhne, werden nach verschiedenen Seiten hin unter¬ sucht. Es wird die Frage aufgeworfen, ob jeder, um es ganz einfach auszudrücken, auch jederzeit genug bekommt. D»bei weist der Verfasser darauf hin, daß das Marktgesetz die Lohnbildung im allgemeinen noch be¬ herrscht, jedoch immer mehr verengert wird. Durch den Abschluß von kollektiven Arbeits¬ verträgen würde dieses von den Sozial¬ reformen scharf befehdete Gesetz überwunden, ja ausgeschaltet werden. Die Prognose stimmt. Wir sehen, wie heute — 1920 — bei den Tarifvertragsverhandlungen die Lebens¬ haltungskosten für die Festsetzung der Löhne und Gehälter maßgebend sind, dagegen das Gesetz von Angebot und Nachfrage fast ganz in den Hintergrund getreten ist. Der Ver¬ fasser will als Aufgabe des wirtschaftlich- sozialen Wesens „Betrieb" u. a. die Siche¬ rung eines gesunden und würdigen häuslichen und bürgerlichen Lebens der persönlichen Mit¬ arbeiter anerkannt wissen. Ein erhaltens- wertes Leben der einzelnen Lohnempfänger und des gesellschaftlichen Ganzen soll das Ziel sein. In den Eigenheiten und An¬ sprüchen deS erhaltenswerten Lebens wurzeln nur die ersten lohnbestimmenden Tatsachen. Das Leben fordert erstens Unterhalt, zweitens Leistungen; beide müssen die Lohnhöhe be¬ stimmen. Verfasser betont, daß die Jugend aus erzieherischen Gründen knapp gehalten werden müsse, ihr soll gegeben werden, was sie wirklich braucht, nicht aber mehr. Leute in den ersten zwanziger Jahren hoch zu bezahlen und an verantwortungsreiche Stellen zu setzen, sei ein Unfug, dem die schärfste Verurteilung gebühre. Zu kurz behandelt ist leider das Moment der Leistung; denn heute kommt es doch mehr denn je darauf an, durch Würdigung des Grund¬ satzes: „Bezahlung nach der Leistung" eine hochwertige Produktion zu fördern. Dieses Moment muß ein mitbestimmender, ja der ausschlaggebende Faktor bei der Lohn- und Gehaltsregelung sein; das soziale Gewissen braucht dabei nicht im geringsten eingeschnürt zu werden. Die Betriebsleitung ist Gegen¬ stand eines besonderen Teiles. Die Forschung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/108>, abgerufen am 22.12.2024.