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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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werden gut tun, das angesponnene Intrigen¬
spiel sehr aufmerksam in seiner weiteren
M. Entwicklung zu verfolgen.

Abschied von der Ostmark.

Eine er¬
schütternde Kundgebung war die Abschieds-
vcrsammlung der Beamten- und Lehrerschaft
der Provinz Posen, die am 13. Januar in
den Räumen des Stadttheaters von Brom¬
berg stattfand. Mit dem feierlichen Liede
"Vater ich rufe dich" leitete die Kapelle des
Reichswehr-Schützen-Regiments 83 diese
letzte Zusammenkunft der deutschen Beamten
der Ostmark im deutschen Bromberg ein.
Regierungspräsident von Bülow hielt sodann
eine Ansprache, in der er zunächst einen
Rückblick auf die stolze deutsche Kulturarbeit
in dem nunmehr von uns gerissenen Lande
warf. Er ging auf die naturgegebenen
Hemmungen ein, die ein Verständnis zwischen
Deutschen und Polen erschweren, gab aber
seiner Überzeugung Ausdruck, daß deutsches
und Polnisches Volkstum nicht unversöhnliche
Feinde zu bleiben brauchen. Dankbare
Worte widmete der Redner dem Grenzschutz,
der in schwerer Stunde für deutsche Ehre
im Osten Leib und Leben eingesetzt hat.
Den Abschied von den losgerissenen deutschen
Brüdern, die einem ungewissen Schicksal
entgegengehen, kleidete er in die Forderung
engster geistiger Gemeinschaft, die uns nie¬
mand rauben kann. An die Schlußworte
des Redners, der den Blick auf das schwere
Schicksal des verstümmelten deutschen Reiches
lenkte, schloß sich der gemeinsame Gesang
von "Deutschland, Deutschland über alles".
Den militärischen Leistungen des Grenz¬
schutzes und ihrer Politischen Bedeutung
wandte der nächste Redner, Oberstleutnant
von Dewitz, seine besondere Aufmerksamkeit
zu. Nach diesem Redner brachte Regierungs¬
präsident von Bülow eine Depesche Hinden-
burgs zur Verlesung und legte einen Ant¬
wortsentwurf zur Beschlußfassung vor. An
diese letzten bewegten Abschied-Worte schloß
sich das in tiefer Ergriffenheit gesungene Lied
"Wir hatten gebauet ein stattliches Haus". --

So nehmen denn anderthalb Jahrhunderte
entsagender deutscher Verwnltungsarbeit in
der Ostmark und im Netzedistrikt ein Ende.
Wir können in der Tat Irrungen im ein¬
zelnen ruhigen Herzens zugeben. Die

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Leistung als Gesamtheit, von der jeder Stein
der blühenden Städte, jede Scholle der
fruchtbaren Acker des einst so tief verwahr¬
losten Landes zeugt, ist der Anfechtung durch
rationalistisch verzerrte Kritik entzogen. Der
Netzedistrikt, der Polen wieder zugefallen ist,
ist in seiner heutigen Gestalt ein Werk jenes
zivilisatorischer Dranges, der Faust aus der
metaphysischen Studierstube heraus in die
nüchterne und entsagende Arbeit treibt, die
dem nassen Element festes Land für Werk¬
tätige Menschen abgewinnen will. Was die
Hände, die heute die Verwaltung der deut¬
schen Ostmark ergreifen, an Vorschulung
mitbringen, das haben sie in der preußischen
Schule gelernt. Mögen sie in dieser Schule
genügend Sachlichkeit und Gewissenhaftigkeit
erworben haben, die in Preußens größten
Zeiten seine Stütze und sein Stab gewesen
sind. Auf dem Boden sachlicher Arbeit und
da allein wird sich auch eine Verständigung
der Nationalitäten erzielen lassen, die nach
wie vor auf das Zusammenwohnen ange¬
wiesen sind, wenn sich auch die Machtver¬
hältnisse gewandelt haben. Liebe zur ge¬
meinsamen Heimat bei achtungsvoll gewahrten
Respekt vor den nationalen Sonderbezirken
des Lebens: aus dieser Wurzel muß die
deutsch-Polnische Lebens- und Arbeitsgemein¬
schaft erwachsen, die auch uns hier im Reiche
B. das Ziel warmer Wünsche ist.

Die Bodenschätze des Petschoragebiets.

Schon vor dem Kriege nahm Rußland, was
die Gewinnung von Platin anbelangt, die
erste Stelle ein. Das russische Platin wurde
im Ural gewonnen, und zwar in den Berg¬
werksbezirken Nishni - Tagilsk und Gora
Blagodatj des Gouvernements Peru. Wäh¬
rend der letzten Jahre vor dem Kriege
wurden in Nußland jährlich etwa 6000
Kilogramm Platin gewonnen, während in
Südamerika nur gegen 300 Kilogramm ge¬
wonnen wurden. In Rußland betrug der
Preis für Platin vor dem Kriege das sechs-
bis siebenfache des Preises für Gold. Über
neue Fundstellen von Platin hat Pawlowitsch^)
auf dem ersten Allrussischen Kongreß der
Sowjets der Volkswirtschaft äußerst in-

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Veröl.: Die Arbeiten des ersten All¬
russischen Kongresses der Sowjets der Volks¬
wirtschaft <2S. Mai bis 4. Juni 1S18).
Moskau 1918. Russisch.
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werden gut tun, das angesponnene Intrigen¬
spiel sehr aufmerksam in seiner weiteren
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Abschied von der Ostmark.

Eine er¬
schütternde Kundgebung war die Abschieds-
vcrsammlung der Beamten- und Lehrerschaft
der Provinz Posen, die am 13. Januar in
den Räumen des Stadttheaters von Brom¬
berg stattfand. Mit dem feierlichen Liede
„Vater ich rufe dich" leitete die Kapelle des
Reichswehr-Schützen-Regiments 83 diese
letzte Zusammenkunft der deutschen Beamten
der Ostmark im deutschen Bromberg ein.
Regierungspräsident von Bülow hielt sodann
eine Ansprache, in der er zunächst einen
Rückblick auf die stolze deutsche Kulturarbeit
in dem nunmehr von uns gerissenen Lande
warf. Er ging auf die naturgegebenen
Hemmungen ein, die ein Verständnis zwischen
Deutschen und Polen erschweren, gab aber
seiner Überzeugung Ausdruck, daß deutsches
und Polnisches Volkstum nicht unversöhnliche
Feinde zu bleiben brauchen. Dankbare
Worte widmete der Redner dem Grenzschutz,
der in schwerer Stunde für deutsche Ehre
im Osten Leib und Leben eingesetzt hat.
Den Abschied von den losgerissenen deutschen
Brüdern, die einem ungewissen Schicksal
entgegengehen, kleidete er in die Forderung
engster geistiger Gemeinschaft, die uns nie¬
mand rauben kann. An die Schlußworte
des Redners, der den Blick auf das schwere
Schicksal des verstümmelten deutschen Reiches
lenkte, schloß sich der gemeinsame Gesang
von „Deutschland, Deutschland über alles".
Den militärischen Leistungen des Grenz¬
schutzes und ihrer Politischen Bedeutung
wandte der nächste Redner, Oberstleutnant
von Dewitz, seine besondere Aufmerksamkeit
zu. Nach diesem Redner brachte Regierungs¬
präsident von Bülow eine Depesche Hinden-
burgs zur Verlesung und legte einen Ant¬
wortsentwurf zur Beschlußfassung vor. An
diese letzten bewegten Abschied-Worte schloß
sich das in tiefer Ergriffenheit gesungene Lied
„Wir hatten gebauet ein stattliches Haus". —

So nehmen denn anderthalb Jahrhunderte
entsagender deutscher Verwnltungsarbeit in
der Ostmark und im Netzedistrikt ein Ende.
Wir können in der Tat Irrungen im ein¬
zelnen ruhigen Herzens zugeben. Die

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Leistung als Gesamtheit, von der jeder Stein
der blühenden Städte, jede Scholle der
fruchtbaren Acker des einst so tief verwahr¬
losten Landes zeugt, ist der Anfechtung durch
rationalistisch verzerrte Kritik entzogen. Der
Netzedistrikt, der Polen wieder zugefallen ist,
ist in seiner heutigen Gestalt ein Werk jenes
zivilisatorischer Dranges, der Faust aus der
metaphysischen Studierstube heraus in die
nüchterne und entsagende Arbeit treibt, die
dem nassen Element festes Land für Werk¬
tätige Menschen abgewinnen will. Was die
Hände, die heute die Verwaltung der deut¬
schen Ostmark ergreifen, an Vorschulung
mitbringen, das haben sie in der preußischen
Schule gelernt. Mögen sie in dieser Schule
genügend Sachlichkeit und Gewissenhaftigkeit
erworben haben, die in Preußens größten
Zeiten seine Stütze und sein Stab gewesen
sind. Auf dem Boden sachlicher Arbeit und
da allein wird sich auch eine Verständigung
der Nationalitäten erzielen lassen, die nach
wie vor auf das Zusammenwohnen ange¬
wiesen sind, wenn sich auch die Machtver¬
hältnisse gewandelt haben. Liebe zur ge¬
meinsamen Heimat bei achtungsvoll gewahrten
Respekt vor den nationalen Sonderbezirken
des Lebens: aus dieser Wurzel muß die
deutsch-Polnische Lebens- und Arbeitsgemein¬
schaft erwachsen, die auch uns hier im Reiche
B. das Ziel warmer Wünsche ist.

Die Bodenschätze des Petschoragebiets.

Schon vor dem Kriege nahm Rußland, was
die Gewinnung von Platin anbelangt, die
erste Stelle ein. Das russische Platin wurde
im Ural gewonnen, und zwar in den Berg¬
werksbezirken Nishni - Tagilsk und Gora
Blagodatj des Gouvernements Peru. Wäh¬
rend der letzten Jahre vor dem Kriege
wurden in Nußland jährlich etwa 6000
Kilogramm Platin gewonnen, während in
Südamerika nur gegen 300 Kilogramm ge¬
wonnen wurden. In Rußland betrug der
Preis für Platin vor dem Kriege das sechs-
bis siebenfache des Preises für Gold. Über
neue Fundstellen von Platin hat Pawlowitsch^)
auf dem ersten Allrussischen Kongreß der
Sowjets der Volkswirtschaft äußerst in-

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Veröl.: Die Arbeiten des ersten All¬
russischen Kongresses der Sowjets der Volks¬
wirtschaft <2S. Mai bis 4. Juni 1S18).
Moskau 1918. Russisch.
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[0106] Drinnen und draußen werden gut tun, das angesponnene Intrigen¬ spiel sehr aufmerksam in seiner weiteren M. Entwicklung zu verfolgen. Abschied von der Ostmark. Eine er¬ schütternde Kundgebung war die Abschieds- vcrsammlung der Beamten- und Lehrerschaft der Provinz Posen, die am 13. Januar in den Räumen des Stadttheaters von Brom¬ berg stattfand. Mit dem feierlichen Liede „Vater ich rufe dich" leitete die Kapelle des Reichswehr-Schützen-Regiments 83 diese letzte Zusammenkunft der deutschen Beamten der Ostmark im deutschen Bromberg ein. Regierungspräsident von Bülow hielt sodann eine Ansprache, in der er zunächst einen Rückblick auf die stolze deutsche Kulturarbeit in dem nunmehr von uns gerissenen Lande warf. Er ging auf die naturgegebenen Hemmungen ein, die ein Verständnis zwischen Deutschen und Polen erschweren, gab aber seiner Überzeugung Ausdruck, daß deutsches und Polnisches Volkstum nicht unversöhnliche Feinde zu bleiben brauchen. Dankbare Worte widmete der Redner dem Grenzschutz, der in schwerer Stunde für deutsche Ehre im Osten Leib und Leben eingesetzt hat. Den Abschied von den losgerissenen deutschen Brüdern, die einem ungewissen Schicksal entgegengehen, kleidete er in die Forderung engster geistiger Gemeinschaft, die uns nie¬ mand rauben kann. An die Schlußworte des Redners, der den Blick auf das schwere Schicksal des verstümmelten deutschen Reiches lenkte, schloß sich der gemeinsame Gesang von „Deutschland, Deutschland über alles". Den militärischen Leistungen des Grenz¬ schutzes und ihrer Politischen Bedeutung wandte der nächste Redner, Oberstleutnant von Dewitz, seine besondere Aufmerksamkeit zu. Nach diesem Redner brachte Regierungs¬ präsident von Bülow eine Depesche Hinden- burgs zur Verlesung und legte einen Ant¬ wortsentwurf zur Beschlußfassung vor. An diese letzten bewegten Abschied-Worte schloß sich das in tiefer Ergriffenheit gesungene Lied „Wir hatten gebauet ein stattliches Haus". — So nehmen denn anderthalb Jahrhunderte entsagender deutscher Verwnltungsarbeit in der Ostmark und im Netzedistrikt ein Ende. Wir können in der Tat Irrungen im ein¬ zelnen ruhigen Herzens zugeben. Die Leistung als Gesamtheit, von der jeder Stein der blühenden Städte, jede Scholle der fruchtbaren Acker des einst so tief verwahr¬ losten Landes zeugt, ist der Anfechtung durch rationalistisch verzerrte Kritik entzogen. Der Netzedistrikt, der Polen wieder zugefallen ist, ist in seiner heutigen Gestalt ein Werk jenes zivilisatorischer Dranges, der Faust aus der metaphysischen Studierstube heraus in die nüchterne und entsagende Arbeit treibt, die dem nassen Element festes Land für Werk¬ tätige Menschen abgewinnen will. Was die Hände, die heute die Verwaltung der deut¬ schen Ostmark ergreifen, an Vorschulung mitbringen, das haben sie in der preußischen Schule gelernt. Mögen sie in dieser Schule genügend Sachlichkeit und Gewissenhaftigkeit erworben haben, die in Preußens größten Zeiten seine Stütze und sein Stab gewesen sind. Auf dem Boden sachlicher Arbeit und da allein wird sich auch eine Verständigung der Nationalitäten erzielen lassen, die nach wie vor auf das Zusammenwohnen ange¬ wiesen sind, wenn sich auch die Machtver¬ hältnisse gewandelt haben. Liebe zur ge¬ meinsamen Heimat bei achtungsvoll gewahrten Respekt vor den nationalen Sonderbezirken des Lebens: aus dieser Wurzel muß die deutsch-Polnische Lebens- und Arbeitsgemein¬ schaft erwachsen, die auch uns hier im Reiche B. das Ziel warmer Wünsche ist. Die Bodenschätze des Petschoragebiets. Schon vor dem Kriege nahm Rußland, was die Gewinnung von Platin anbelangt, die erste Stelle ein. Das russische Platin wurde im Ural gewonnen, und zwar in den Berg¬ werksbezirken Nishni - Tagilsk und Gora Blagodatj des Gouvernements Peru. Wäh¬ rend der letzten Jahre vor dem Kriege wurden in Nußland jährlich etwa 6000 Kilogramm Platin gewonnen, während in Südamerika nur gegen 300 Kilogramm ge¬ wonnen wurden. In Rußland betrug der Preis für Platin vor dem Kriege das sechs- bis siebenfache des Preises für Gold. Über neue Fundstellen von Platin hat Pawlowitsch^) auf dem ersten Allrussischen Kongreß der Sowjets der Volkswirtschaft äußerst in- Veröl.: Die Arbeiten des ersten All¬ russischen Kongresses der Sowjets der Volks¬ wirtschaft <2S. Mai bis 4. Juni 1S18). Moskau 1918. Russisch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/106>, abgerufen am 22.12.2024.