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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

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ihrer Leiden immer neu erfahren, daß
Deutschland seine bedrückten staatszugehörigen
Volksgenossen jenseits des Rheins in keinem
Augenblick vergißt, daß opferbereite Liebe
um so mehr wächst, je mehr der Fremde es
versucht, mit Gewalt oder List da festen Fuß
zu fassen, wo er schlechthin nichts zu suchen hat.

Es war herzerquickend zu vernehmen,
wie aus den zahlreichen Aussprachen und
Reden zwischen Pfälzern und Franken die
edle Flamme des landsmannschaftlichen Zu¬
sammengehörigkeitsbewußtseins hervorloderte.
Ungezwungen und ohne jede Übertreibung,
warm und wahr zeigte es sich, daß hier ein
schönes Werk seinen Anfang genommen hat,
das Werk der Erneuerung und Vertiefung
deutschvaterländischen Geistes.

Eine große Anzahl von Pfälzern war
anwesend und bestätigte die wohltuende und
wirksame Bedeutung dieser unterfränkischen
Kundgebung. Es wurde die sichere Erwartung
ausgesprochen, daß diese vaterländische Grün¬
dung sich alsbald auf ganz Bayern und dar¬
über hinaus auf das ganze Reich aus¬
dehnen möge.

Es sprachen unter anderen der Regierungs¬
präsident von Henle, die Abgeordneten Stang
(bayer. Volkspartei), Freudenberger (Sozial¬
demokratie), Piloty (demokr. Partei), einige
im diesseitigen Bayern wohnende Pfälzer
und vor allem der mit lautem Beifall
empfangene Regierungspräsident der Pfalz
Dr. von Winlerstein, der in schwerster Zeit
durch sein mannhastes Verhalten im Amte
sich die Liebe der ganzen Pfalz erworben
hat. Auch der Vertreter der Würzburger
Studentenschaft und ein Vertreter des Deutsch¬
nationalen Bundes von Handlungsgehilfen
ergriffen das Wort und sprachen begeistert
für die Sache. Die Minister Hoffmann und
Endres schickten der Versammlung Grüße.

Es wurden zwei Ausschüsse gebildet, ein
großer, dem alle Anwesenden beitraten, und
ein kleiner, aus 16 Mitgliedern bestehender
Arbeitsausschuß. Möchten diesem Beispiele
echter innerer politischer Mission recht bald
in allen Regierungsbezirken Bayerns und
in allen Teilen des Reichs gleichartige Grün¬
dungen folgen als lebendiger Ausdruck des
hohen Gedankens und unbeugsamen Willens
der unlösbaren Einheit des deutschen Volkes.

[Spaltenumbruch]
Der "Tcmps" für ein polnisches Danzig.

In seiner letzten großen Rede über die Außen¬
politik hat Clemenceau auf die Barrieren-
Politik zurückgegriffen und von einem Stachel¬
drahtzaun gesprochen, mit dem man den
Bolschewismus unigeben müsse. Es müsse
alles geschehen, um zu verhindern, daß
Deutschland diesen Stacheldrahtzaun über¬
schreite. Da jedoch keine der Westmächte
sich mehr zu aktiver Bekämpfung der Bolsche-
wisten entschließen kann, müssen natürlich
die Grenzländer diese Aufgabe für die
Entente besorgen. Clemenceau zählt dabei
in erster Linie auf Rumänien und Polen.
Um nun aber die Polen geiügig zu machen,
ist Clemenceau nach seiner Schilderung nicht
nur in London Lloyd George gegenüber für
eine im Polnischen- Sinne günstige Lösung
der ostgalizischen Frage eingetreten, sondern
beginnt auch der "Temps" in einer Reihe
überraschend breiter Aufsätze zu beweisen,
daß die Danziger Frage dringend der Revi¬
sion bedürfe. Alle die alten Argumente von
den nur eingewanderten Deutschen, von
dem mangelhaften Kriterium, das die ge¬
sprochene Sprache bilde, von den anschlu߬
wünschenden Bewohnern Danzigs selbst, von
dem nie erstorbenen Widerstand gegen
Preußen werden hervorgeholt, um zu be¬
weisen, daß die Versailler Lösung der Frage
der Sachlage nur in ungenügendem Maße
gerecht geworden sei. Außerdem stelle
sie eine Verneinung der Prinzipien dar,
für die Frankreich sich geschlagen habe.
Aber selbst unter der Gefahr, einen
Wilsonschen Grundsatz zu verletzen, hätte
man nicht um 300 000 Deutscher willen
30 Millionen Puter unwiderbringlich
schädigen und der Gnade Deutschlands aus¬
liefern dürfen. Auch Bismarck habe 1894
zugegeben, daß der Besitz von Danzig sür
Polen noch wichtiger sei, als der von Posen.
Die Danziger Frage müsse daher nach wie
vor als eine offene betrachtet, Ostpreußen
müsse neutralisiert werden. (Temps vom
4. und 6. Januar.) Wir sehen also Frank¬
reich eifrig am Werk, die sich anbahnenden
korrekten Beziehungen zwischen uns und dem
neuen Polenstaat zu trüben, indem es auf
der einen Seite Befürchtungen, auf der an¬
dern nationale Begehrlichkeit wachruft. Wir

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Drinnen und draußen

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ihrer Leiden immer neu erfahren, daß
Deutschland seine bedrückten staatszugehörigen
Volksgenossen jenseits des Rheins in keinem
Augenblick vergißt, daß opferbereite Liebe
um so mehr wächst, je mehr der Fremde es
versucht, mit Gewalt oder List da festen Fuß
zu fassen, wo er schlechthin nichts zu suchen hat.

Es war herzerquickend zu vernehmen,
wie aus den zahlreichen Aussprachen und
Reden zwischen Pfälzern und Franken die
edle Flamme des landsmannschaftlichen Zu¬
sammengehörigkeitsbewußtseins hervorloderte.
Ungezwungen und ohne jede Übertreibung,
warm und wahr zeigte es sich, daß hier ein
schönes Werk seinen Anfang genommen hat,
das Werk der Erneuerung und Vertiefung
deutschvaterländischen Geistes.

Eine große Anzahl von Pfälzern war
anwesend und bestätigte die wohltuende und
wirksame Bedeutung dieser unterfränkischen
Kundgebung. Es wurde die sichere Erwartung
ausgesprochen, daß diese vaterländische Grün¬
dung sich alsbald auf ganz Bayern und dar¬
über hinaus auf das ganze Reich aus¬
dehnen möge.

Es sprachen unter anderen der Regierungs¬
präsident von Henle, die Abgeordneten Stang
(bayer. Volkspartei), Freudenberger (Sozial¬
demokratie), Piloty (demokr. Partei), einige
im diesseitigen Bayern wohnende Pfälzer
und vor allem der mit lautem Beifall
empfangene Regierungspräsident der Pfalz
Dr. von Winlerstein, der in schwerster Zeit
durch sein mannhastes Verhalten im Amte
sich die Liebe der ganzen Pfalz erworben
hat. Auch der Vertreter der Würzburger
Studentenschaft und ein Vertreter des Deutsch¬
nationalen Bundes von Handlungsgehilfen
ergriffen das Wort und sprachen begeistert
für die Sache. Die Minister Hoffmann und
Endres schickten der Versammlung Grüße.

Es wurden zwei Ausschüsse gebildet, ein
großer, dem alle Anwesenden beitraten, und
ein kleiner, aus 16 Mitgliedern bestehender
Arbeitsausschuß. Möchten diesem Beispiele
echter innerer politischer Mission recht bald
in allen Regierungsbezirken Bayerns und
in allen Teilen des Reichs gleichartige Grün¬
dungen folgen als lebendiger Ausdruck des
hohen Gedankens und unbeugsamen Willens
der unlösbaren Einheit des deutschen Volkes.

[Spaltenumbruch]
Der „Tcmps" für ein polnisches Danzig.

In seiner letzten großen Rede über die Außen¬
politik hat Clemenceau auf die Barrieren-
Politik zurückgegriffen und von einem Stachel¬
drahtzaun gesprochen, mit dem man den
Bolschewismus unigeben müsse. Es müsse
alles geschehen, um zu verhindern, daß
Deutschland diesen Stacheldrahtzaun über¬
schreite. Da jedoch keine der Westmächte
sich mehr zu aktiver Bekämpfung der Bolsche-
wisten entschließen kann, müssen natürlich
die Grenzländer diese Aufgabe für die
Entente besorgen. Clemenceau zählt dabei
in erster Linie auf Rumänien und Polen.
Um nun aber die Polen geiügig zu machen,
ist Clemenceau nach seiner Schilderung nicht
nur in London Lloyd George gegenüber für
eine im Polnischen- Sinne günstige Lösung
der ostgalizischen Frage eingetreten, sondern
beginnt auch der „Temps" in einer Reihe
überraschend breiter Aufsätze zu beweisen,
daß die Danziger Frage dringend der Revi¬
sion bedürfe. Alle die alten Argumente von
den nur eingewanderten Deutschen, von
dem mangelhaften Kriterium, das die ge¬
sprochene Sprache bilde, von den anschlu߬
wünschenden Bewohnern Danzigs selbst, von
dem nie erstorbenen Widerstand gegen
Preußen werden hervorgeholt, um zu be¬
weisen, daß die Versailler Lösung der Frage
der Sachlage nur in ungenügendem Maße
gerecht geworden sei. Außerdem stelle
sie eine Verneinung der Prinzipien dar,
für die Frankreich sich geschlagen habe.
Aber selbst unter der Gefahr, einen
Wilsonschen Grundsatz zu verletzen, hätte
man nicht um 300 000 Deutscher willen
30 Millionen Puter unwiderbringlich
schädigen und der Gnade Deutschlands aus¬
liefern dürfen. Auch Bismarck habe 1894
zugegeben, daß der Besitz von Danzig sür
Polen noch wichtiger sei, als der von Posen.
Die Danziger Frage müsse daher nach wie
vor als eine offene betrachtet, Ostpreußen
müsse neutralisiert werden. (Temps vom
4. und 6. Januar.) Wir sehen also Frank¬
reich eifrig am Werk, die sich anbahnenden
korrekten Beziehungen zwischen uns und dem
neuen Polenstaat zu trüben, indem es auf
der einen Seite Befürchtungen, auf der an¬
dern nationale Begehrlichkeit wachruft. Wir

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[0105] Drinnen und draußen ihrer Leiden immer neu erfahren, daß Deutschland seine bedrückten staatszugehörigen Volksgenossen jenseits des Rheins in keinem Augenblick vergißt, daß opferbereite Liebe um so mehr wächst, je mehr der Fremde es versucht, mit Gewalt oder List da festen Fuß zu fassen, wo er schlechthin nichts zu suchen hat. Es war herzerquickend zu vernehmen, wie aus den zahlreichen Aussprachen und Reden zwischen Pfälzern und Franken die edle Flamme des landsmannschaftlichen Zu¬ sammengehörigkeitsbewußtseins hervorloderte. Ungezwungen und ohne jede Übertreibung, warm und wahr zeigte es sich, daß hier ein schönes Werk seinen Anfang genommen hat, das Werk der Erneuerung und Vertiefung deutschvaterländischen Geistes. Eine große Anzahl von Pfälzern war anwesend und bestätigte die wohltuende und wirksame Bedeutung dieser unterfränkischen Kundgebung. Es wurde die sichere Erwartung ausgesprochen, daß diese vaterländische Grün¬ dung sich alsbald auf ganz Bayern und dar¬ über hinaus auf das ganze Reich aus¬ dehnen möge. Es sprachen unter anderen der Regierungs¬ präsident von Henle, die Abgeordneten Stang (bayer. Volkspartei), Freudenberger (Sozial¬ demokratie), Piloty (demokr. Partei), einige im diesseitigen Bayern wohnende Pfälzer und vor allem der mit lautem Beifall empfangene Regierungspräsident der Pfalz Dr. von Winlerstein, der in schwerster Zeit durch sein mannhastes Verhalten im Amte sich die Liebe der ganzen Pfalz erworben hat. Auch der Vertreter der Würzburger Studentenschaft und ein Vertreter des Deutsch¬ nationalen Bundes von Handlungsgehilfen ergriffen das Wort und sprachen begeistert für die Sache. Die Minister Hoffmann und Endres schickten der Versammlung Grüße. Es wurden zwei Ausschüsse gebildet, ein großer, dem alle Anwesenden beitraten, und ein kleiner, aus 16 Mitgliedern bestehender Arbeitsausschuß. Möchten diesem Beispiele echter innerer politischer Mission recht bald in allen Regierungsbezirken Bayerns und in allen Teilen des Reichs gleichartige Grün¬ dungen folgen als lebendiger Ausdruck des hohen Gedankens und unbeugsamen Willens der unlösbaren Einheit des deutschen Volkes. Der „Tcmps" für ein polnisches Danzig. In seiner letzten großen Rede über die Außen¬ politik hat Clemenceau auf die Barrieren- Politik zurückgegriffen und von einem Stachel¬ drahtzaun gesprochen, mit dem man den Bolschewismus unigeben müsse. Es müsse alles geschehen, um zu verhindern, daß Deutschland diesen Stacheldrahtzaun über¬ schreite. Da jedoch keine der Westmächte sich mehr zu aktiver Bekämpfung der Bolsche- wisten entschließen kann, müssen natürlich die Grenzländer diese Aufgabe für die Entente besorgen. Clemenceau zählt dabei in erster Linie auf Rumänien und Polen. Um nun aber die Polen geiügig zu machen, ist Clemenceau nach seiner Schilderung nicht nur in London Lloyd George gegenüber für eine im Polnischen- Sinne günstige Lösung der ostgalizischen Frage eingetreten, sondern beginnt auch der „Temps" in einer Reihe überraschend breiter Aufsätze zu beweisen, daß die Danziger Frage dringend der Revi¬ sion bedürfe. Alle die alten Argumente von den nur eingewanderten Deutschen, von dem mangelhaften Kriterium, das die ge¬ sprochene Sprache bilde, von den anschlu߬ wünschenden Bewohnern Danzigs selbst, von dem nie erstorbenen Widerstand gegen Preußen werden hervorgeholt, um zu be¬ weisen, daß die Versailler Lösung der Frage der Sachlage nur in ungenügendem Maße gerecht geworden sei. Außerdem stelle sie eine Verneinung der Prinzipien dar, für die Frankreich sich geschlagen habe. Aber selbst unter der Gefahr, einen Wilsonschen Grundsatz zu verletzen, hätte man nicht um 300 000 Deutscher willen 30 Millionen Puter unwiderbringlich schädigen und der Gnade Deutschlands aus¬ liefern dürfen. Auch Bismarck habe 1894 zugegeben, daß der Besitz von Danzig sür Polen noch wichtiger sei, als der von Posen. Die Danziger Frage müsse daher nach wie vor als eine offene betrachtet, Ostpreußen müsse neutralisiert werden. (Temps vom 4. und 6. Januar.) Wir sehen also Frank¬ reich eifrig am Werk, die sich anbahnenden korrekten Beziehungen zwischen uns und dem neuen Polenstaat zu trüben, indem es auf der einen Seite Befürchtungen, auf der an¬ dern nationale Begehrlichkeit wachruft. Wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/105>, abgerufen am 27.07.2024.