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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Der Ring im Westen

einnimmt. Belgiens Wünsche gegen Holland lassen sich bekanntlich in zwei großen
Forderungen zusammenfassen: Oberhoheit über die Scheide und Besitz von
Holländisch-Limburg, dem sogenannten Maastricht-Zipfel. Beide Forderungen
hängen mit Belgiens Antwerpenpolitik zusammen und sind vom Standpunkt des
aufstrebenden und unternehmungslustigen kleinen Staates, der eben erst die Fessel
seiner Neutralität abgeworfen hat, sehr begreiflich, lassen sich jedoch ohne weit¬
gehende Verletzung holländischer Hoheitsrechte nicht verwirklichen, zu deren Auf¬
gabe Holland um so weniger Grund sieht, als dadurch die Entwicklung des
schärfsten Konkurrenten Rotterdams gefördert würde. Und so hat sich Holland
den belgischen Ansprüchen gegenüber von vornherein aus den Standpunkt gestellt:
keine Minderung holländischer Souveränität, keine territorialen Abtretungen, aber,
besonders auf wirtschaftlichem Gebiet, weitgehendes Entgegenkommen. Aber in
den Belgiern ist nun einmal während des Krieges ein ehrgeiziger Annexionismus
wach geworden, mit dem ganzen Egoismus von zum politischen Leben erwachenden
Staaten verwirft man alle Kompromisse und will ganze Arbeit machen, und so
hat man sich nicht gescheut, besonders in Limburg, das man für den geplanten
Rhein--Maas--Scheide-Kanal braucht, der (vielleicht!) besonders den Rheinverkehr
von Rotterdam nach Antwerpen ablenken würde, eine probelgische Propaganda
hervorzurufen. Man entdeckte, daß sich die alteingesessene Bürgerschaft Maastrichts
seit 1830 unterdrückt gefühlt habe und verlangte von der Friedenskonferenz, sie
solle eine Volksabstimmung in Limburg anordnen. Dabei war man aber klug
genug, nicht die wirtschaftlichen, sondern militärische Erwägungen in den Vorder¬
grund zu stellen. Man machte geltend, daß bei einem neuen Angriff Deutschlands
Belgien nicht imstande sein würde, den deutschen Vormarsch aufzuhalten, falls
Deutschland sich entschlösse, den Lünburger Zipfel zu durchqueren, den die
Holländer weder in der Lage, noch, wie man aus Erfahrungen von 1914 enthüllen
zu können vorgab, gewillt seien, militärisch zu verteidigen, hatten sie doch 1918
sogar erlaubt, daß ein bedeutender Teil der deutschen Heere den Rückzug durch
Limburg genommen hätte. Das hieß also den Franzosen bedeuten: wenn ihr
wollt, daß wir euch das nächste Mal wieder tatkräftig verteidigen können, dann
sorgt bitte dafür, daß uns das auch möglich wird, und obwohl der Marschall
Fons kühl erklärt haben soll, einen militärisch wirklich ausreichenden Schutz würde
nur die vollständige Rheingrenze, also auch die des holländischen Rheins, gewähren
können, nahmen Pariser Blätter dieses mot ä'oräre willig auf und setzten sich für
Belgien mit einer Wärme ein, als gälte es, ein neues Elsaß-Lothringen zu ge¬
winnen. Die holländische Presse nahm diese Kampagne mit bewundernswerter
Ruhe auf, die auch durch allerlei Grenzzwischenfälle kaum gestört wurde, in letzter
Zeit beginnt aber auch sie nervös zu werden, besonders da jüngst die Möglichkeit
erörtert worden ist, die Belgier könnten in Nachahmung von d'Annunzios Hand¬
streich sich eigenmächtig in den Besitz von Maastricht setzen. Schon beginnt man
auch die Amerikaner, die Antwerpen zur Verpflegungsbasis für Europa machen
wollen und in dem verarmten Lande fleißig Fabriken kaufen, gegen Holland auf-
zuHetzen und die Reise des belgischen Königspaares und des Kardinals Mercier
hat, wie die hollandfeindliche Sprache amerikanischer Blätter zeigt, sicher im
wesentlichen den Zweck, Stimmung für Belgien zu machen. Der Kardinal Mercier
soll sogar, laut einem Bericht der "Deutschen Allgemeinen Zeitung" erklärt haben,
daß Belgien für seelandisch Flandern mit Freuden einen neuen Krieg führen
würde. Die Meldung klingt insofern unwahrscheinlich, als Belgien gerade an
seeländisch Flandern wegen des dadurch entstehenden Zuwachses an Flamen nicht
soviel gelegen sein kann, wie an Limburg; sollte diese Äußerung von seiten des
als kluger Politiker bekannten Kardinals aber wirklich gefallen sein, so darf man
die Möglichkeit eines kriegerischen Konfliktes immerhin ernsthaft ins Auge fassen.
Inzwischen sollen, nach einer unkontrollierbaren Meldung der "Libre Belgigue"
die Großmächte den Beschluß gefaßt haben, beiden Mächten folgenden Vergleich
vorzuschlagen: 1. Vereinbarungen über wirtschaftliche Fragen. 2. Holland gibt
die Erklärung ab, daß es jede Verletzung Holländisch-Limburgs als oasus belli be"


Der Ring im Westen

einnimmt. Belgiens Wünsche gegen Holland lassen sich bekanntlich in zwei großen
Forderungen zusammenfassen: Oberhoheit über die Scheide und Besitz von
Holländisch-Limburg, dem sogenannten Maastricht-Zipfel. Beide Forderungen
hängen mit Belgiens Antwerpenpolitik zusammen und sind vom Standpunkt des
aufstrebenden und unternehmungslustigen kleinen Staates, der eben erst die Fessel
seiner Neutralität abgeworfen hat, sehr begreiflich, lassen sich jedoch ohne weit¬
gehende Verletzung holländischer Hoheitsrechte nicht verwirklichen, zu deren Auf¬
gabe Holland um so weniger Grund sieht, als dadurch die Entwicklung des
schärfsten Konkurrenten Rotterdams gefördert würde. Und so hat sich Holland
den belgischen Ansprüchen gegenüber von vornherein aus den Standpunkt gestellt:
keine Minderung holländischer Souveränität, keine territorialen Abtretungen, aber,
besonders auf wirtschaftlichem Gebiet, weitgehendes Entgegenkommen. Aber in
den Belgiern ist nun einmal während des Krieges ein ehrgeiziger Annexionismus
wach geworden, mit dem ganzen Egoismus von zum politischen Leben erwachenden
Staaten verwirft man alle Kompromisse und will ganze Arbeit machen, und so
hat man sich nicht gescheut, besonders in Limburg, das man für den geplanten
Rhein—Maas—Scheide-Kanal braucht, der (vielleicht!) besonders den Rheinverkehr
von Rotterdam nach Antwerpen ablenken würde, eine probelgische Propaganda
hervorzurufen. Man entdeckte, daß sich die alteingesessene Bürgerschaft Maastrichts
seit 1830 unterdrückt gefühlt habe und verlangte von der Friedenskonferenz, sie
solle eine Volksabstimmung in Limburg anordnen. Dabei war man aber klug
genug, nicht die wirtschaftlichen, sondern militärische Erwägungen in den Vorder¬
grund zu stellen. Man machte geltend, daß bei einem neuen Angriff Deutschlands
Belgien nicht imstande sein würde, den deutschen Vormarsch aufzuhalten, falls
Deutschland sich entschlösse, den Lünburger Zipfel zu durchqueren, den die
Holländer weder in der Lage, noch, wie man aus Erfahrungen von 1914 enthüllen
zu können vorgab, gewillt seien, militärisch zu verteidigen, hatten sie doch 1918
sogar erlaubt, daß ein bedeutender Teil der deutschen Heere den Rückzug durch
Limburg genommen hätte. Das hieß also den Franzosen bedeuten: wenn ihr
wollt, daß wir euch das nächste Mal wieder tatkräftig verteidigen können, dann
sorgt bitte dafür, daß uns das auch möglich wird, und obwohl der Marschall
Fons kühl erklärt haben soll, einen militärisch wirklich ausreichenden Schutz würde
nur die vollständige Rheingrenze, also auch die des holländischen Rheins, gewähren
können, nahmen Pariser Blätter dieses mot ä'oräre willig auf und setzten sich für
Belgien mit einer Wärme ein, als gälte es, ein neues Elsaß-Lothringen zu ge¬
winnen. Die holländische Presse nahm diese Kampagne mit bewundernswerter
Ruhe auf, die auch durch allerlei Grenzzwischenfälle kaum gestört wurde, in letzter
Zeit beginnt aber auch sie nervös zu werden, besonders da jüngst die Möglichkeit
erörtert worden ist, die Belgier könnten in Nachahmung von d'Annunzios Hand¬
streich sich eigenmächtig in den Besitz von Maastricht setzen. Schon beginnt man
auch die Amerikaner, die Antwerpen zur Verpflegungsbasis für Europa machen
wollen und in dem verarmten Lande fleißig Fabriken kaufen, gegen Holland auf-
zuHetzen und die Reise des belgischen Königspaares und des Kardinals Mercier
hat, wie die hollandfeindliche Sprache amerikanischer Blätter zeigt, sicher im
wesentlichen den Zweck, Stimmung für Belgien zu machen. Der Kardinal Mercier
soll sogar, laut einem Bericht der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" erklärt haben,
daß Belgien für seelandisch Flandern mit Freuden einen neuen Krieg führen
würde. Die Meldung klingt insofern unwahrscheinlich, als Belgien gerade an
seeländisch Flandern wegen des dadurch entstehenden Zuwachses an Flamen nicht
soviel gelegen sein kann, wie an Limburg; sollte diese Äußerung von seiten des
als kluger Politiker bekannten Kardinals aber wirklich gefallen sein, so darf man
die Möglichkeit eines kriegerischen Konfliktes immerhin ernsthaft ins Auge fassen.
Inzwischen sollen, nach einer unkontrollierbaren Meldung der „Libre Belgigue"
die Großmächte den Beschluß gefaßt haben, beiden Mächten folgenden Vergleich
vorzuschlagen: 1. Vereinbarungen über wirtschaftliche Fragen. 2. Holland gibt
die Erklärung ab, daß es jede Verletzung Holländisch-Limburgs als oasus belli be»


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[0096] Der Ring im Westen einnimmt. Belgiens Wünsche gegen Holland lassen sich bekanntlich in zwei großen Forderungen zusammenfassen: Oberhoheit über die Scheide und Besitz von Holländisch-Limburg, dem sogenannten Maastricht-Zipfel. Beide Forderungen hängen mit Belgiens Antwerpenpolitik zusammen und sind vom Standpunkt des aufstrebenden und unternehmungslustigen kleinen Staates, der eben erst die Fessel seiner Neutralität abgeworfen hat, sehr begreiflich, lassen sich jedoch ohne weit¬ gehende Verletzung holländischer Hoheitsrechte nicht verwirklichen, zu deren Auf¬ gabe Holland um so weniger Grund sieht, als dadurch die Entwicklung des schärfsten Konkurrenten Rotterdams gefördert würde. Und so hat sich Holland den belgischen Ansprüchen gegenüber von vornherein aus den Standpunkt gestellt: keine Minderung holländischer Souveränität, keine territorialen Abtretungen, aber, besonders auf wirtschaftlichem Gebiet, weitgehendes Entgegenkommen. Aber in den Belgiern ist nun einmal während des Krieges ein ehrgeiziger Annexionismus wach geworden, mit dem ganzen Egoismus von zum politischen Leben erwachenden Staaten verwirft man alle Kompromisse und will ganze Arbeit machen, und so hat man sich nicht gescheut, besonders in Limburg, das man für den geplanten Rhein—Maas—Scheide-Kanal braucht, der (vielleicht!) besonders den Rheinverkehr von Rotterdam nach Antwerpen ablenken würde, eine probelgische Propaganda hervorzurufen. Man entdeckte, daß sich die alteingesessene Bürgerschaft Maastrichts seit 1830 unterdrückt gefühlt habe und verlangte von der Friedenskonferenz, sie solle eine Volksabstimmung in Limburg anordnen. Dabei war man aber klug genug, nicht die wirtschaftlichen, sondern militärische Erwägungen in den Vorder¬ grund zu stellen. Man machte geltend, daß bei einem neuen Angriff Deutschlands Belgien nicht imstande sein würde, den deutschen Vormarsch aufzuhalten, falls Deutschland sich entschlösse, den Lünburger Zipfel zu durchqueren, den die Holländer weder in der Lage, noch, wie man aus Erfahrungen von 1914 enthüllen zu können vorgab, gewillt seien, militärisch zu verteidigen, hatten sie doch 1918 sogar erlaubt, daß ein bedeutender Teil der deutschen Heere den Rückzug durch Limburg genommen hätte. Das hieß also den Franzosen bedeuten: wenn ihr wollt, daß wir euch das nächste Mal wieder tatkräftig verteidigen können, dann sorgt bitte dafür, daß uns das auch möglich wird, und obwohl der Marschall Fons kühl erklärt haben soll, einen militärisch wirklich ausreichenden Schutz würde nur die vollständige Rheingrenze, also auch die des holländischen Rheins, gewähren können, nahmen Pariser Blätter dieses mot ä'oräre willig auf und setzten sich für Belgien mit einer Wärme ein, als gälte es, ein neues Elsaß-Lothringen zu ge¬ winnen. Die holländische Presse nahm diese Kampagne mit bewundernswerter Ruhe auf, die auch durch allerlei Grenzzwischenfälle kaum gestört wurde, in letzter Zeit beginnt aber auch sie nervös zu werden, besonders da jüngst die Möglichkeit erörtert worden ist, die Belgier könnten in Nachahmung von d'Annunzios Hand¬ streich sich eigenmächtig in den Besitz von Maastricht setzen. Schon beginnt man auch die Amerikaner, die Antwerpen zur Verpflegungsbasis für Europa machen wollen und in dem verarmten Lande fleißig Fabriken kaufen, gegen Holland auf- zuHetzen und die Reise des belgischen Königspaares und des Kardinals Mercier hat, wie die hollandfeindliche Sprache amerikanischer Blätter zeigt, sicher im wesentlichen den Zweck, Stimmung für Belgien zu machen. Der Kardinal Mercier soll sogar, laut einem Bericht der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" erklärt haben, daß Belgien für seelandisch Flandern mit Freuden einen neuen Krieg führen würde. Die Meldung klingt insofern unwahrscheinlich, als Belgien gerade an seeländisch Flandern wegen des dadurch entstehenden Zuwachses an Flamen nicht soviel gelegen sein kann, wie an Limburg; sollte diese Äußerung von seiten des als kluger Politiker bekannten Kardinals aber wirklich gefallen sein, so darf man die Möglichkeit eines kriegerischen Konfliktes immerhin ernsthaft ins Auge fassen. Inzwischen sollen, nach einer unkontrollierbaren Meldung der „Libre Belgigue" die Großmächte den Beschluß gefaßt haben, beiden Mächten folgenden Vergleich vorzuschlagen: 1. Vereinbarungen über wirtschaftliche Fragen. 2. Holland gibt die Erklärung ab, daß es jede Verletzung Holländisch-Limburgs als oasus belli be»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/96>, abgerufen am 15.01.2025.